Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 734/1999 vom 20.10.1999

OVG NRW zur Kalkulatorischen Abschreibungen

Das OVG NRW hat in zwei Entscheidungen vom 1. September 1999 (Az.: 9 A 5715/98 und 9 A 3342/98) nochmals ausdrücklich herausgestellt, daß im Rahmen kalkulatorischer Abschreibungen der Wiederbeschaffungszeitwert zugrunde gelegt werden kann. Lediglich bei der Verzinsung des Eigenkapitals ist der Anschaffungswert zugrunde zu legen (so bereits grundlegend OVG NRW, Urt. v. 05.08.1994 - 9 A 1248/92 -, Gemeindehaushalt 1994, S. 233). Das OVG NRW macht in seinen Urteilen vom 1.9.1999 deutlich, daß entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen der Ansatz kalkulatorischer Zinsen auf der Grundlage von Anschaffungs(rest)werten in Verbindung mit einem Nominalzins auch dann nach § 6 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz i.V.m. § 6 Abs. 1 KAG NRW in der Gebührenkalkulation zulässig ist, wenn die kalkulatorischen Abschreibungen auf der Grundlage von Wiederbeschaffungszeitwerten berechnet werden. Dies entspreche nach wie vor betriebswirtschaftlichen Grundsätzen, zumal die Abschreibung nach dem Wiederbeschaffungszeitwert unverändert mit beachtlichem wissenschaftlichen Gewicht in der Betriebswirtschaftslehre vertreten wird und in der Praxis sogar überragende Bedeutung hat. Ein allgemeiner Wandel in den betriebswirtschaftlichen Lehrmeinungen dahingehend, daß es nur noch zulässig sein soll, eine kalkulatorische Nominalverzinsung auf der Grundlage von Anschaffungs(rest)werten ausschließlich i.V.m. Abschreibungen auf Anschaffungswertbasis zu berechnen, ist damit nach dem OVG NRW entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen nicht eingetreten. Das OVG NRW stellt hierzu wörtlich ausdrücklich fest: "Es ist nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte, zu entscheiden, welche insoweit zu berücksichtigende betriebswirtschaftlich begründete Auffassung "richtig" ist." Das OVG NRW hält also weiterhin an seiner ständigen Rechtsprechung fest, daß eine Abschreibung auf der Grundlage von Wiederbeschaffungszeitwerten erfolgen kann. Die Verzinsung ist allerdings auf der Grundlage von Anschaffungs(rest)werten durchzuführen.

Dabei stellt das OVG NRW in seinem Urteil vom 01.09.1999 (Az.: 9 A 3342/98, S. 40 des Urteilsabdrucks) heraus, daß ein bei der Verzinsung des Eigenkapitals in Ansatz gebrachter Zinssatz von 8 % nach wie vor der ständigen Rechtsprechung des OVG NRW entspricht (vgl. auch grundlegend hierzu OVG NRW, Urt. v. 05.08.1994, Az.: 9 A 1248/92, Gemeindehaushalt 1994, S. 233). Angesichts der im Urteil des OVG NRW vom 05.08.1994 erfolgten Ermittlung des Zinssatzes auf der Grundlage des langfristigen Durchschnittszinssatzes für die Jahre 1952 bis 1992 geht das OVG NRW weiterhin davon aus, daß die - kurzfristige - Zinsentwicklung in den Jahren 1993 bis 1996 eine langfristig niedrigere Tendenz des maßgeblichen Durchschnittszinssatzes (von unter 8%) bislang nicht vermittelt hat.

Weiterhin weist das OVG NRW in seinem Urteil vom 01.09.1999 (Az.: 9 A 5715/98, S. 24) nochmals darauf hin, daß die haushaltsnützige Verwendung der verbleibenden Abschreibungsbeträge gegenüber dem Gebührenpflichtigen keinen Verstoß gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in der Form des widersprüchlichen Verhaltens darstellt. Denn der der Abschreibung nach Wiederbeschaffungszeitwerten innewohnende Substanzerhaltungsgedanke erfordert nach dem OVG NRW nur, daß die Gemeinde entsprechend ihrer auf Dauer angelegten Pflicht zur Gewährleistung der Leistungserbringung am Ende der Nutzungsdauer der Anlage die erforderlichen Haushaltsmittel für eine Wiederbeschaffung bereitstellt. Die über die Abschreibungen zurückgeflossenen Finanzmittel sind daher nach dem OVG NRW wie die vorher für die jeweilige Investition bereitgestellten Mittel Kapital der Gemeinde. Insbesondere handelt es sich nicht um Kapital des Gebührenschuldners. Im Falle der Aufwendung dieses Kapitals für die Wiederbeschaffung steht es anderen rentierlichen Zwecken zu Lasten des allgemeinen Haushalts nicht mehr zur Verfügung. Insoweit dient die Verzinsung des gebundenen Eigenkapitals nach § 6 Abs. 2 Satz 2 KAG NRW auch dazu, einen Belastungsausgleich für die Bindung des Eigenkapitals herbeizuführen, weil dieses für andere Zwecke der Gemeinde nicht bereitsteht.

Weiterhin weist das OVG NRW in seinem Urteil vom 01.09.1999 (Az.: 9 A 5715/98, S. 27) ausdrücklich darauf hin, daß der Auffassung des Verwaltungsgerichts Köln (Urt. v. 20. Oktober 1998 - 14 K 765 - u.a., NWVBl. 1999, S. 228, S. 229 f.) nicht gefolgt wird. Nach dem VG Köln sollen die über Abschreibungen erwirtschafteten Finanzmittel ausschließlich dem Gebührenhaushalt zuzuordnen sein und dürfen nicht dem allgemeinen Haushalt zugeführt werden. Denn die Abschreibungserlöse seien - so das VG Köln - mit dem Ziel vereinnahmt worden, eine notwendige Erneuerung der Anlagen zu finanzieren. Deshalb könnten sie nicht als Fremdmittel oder zu verzinsendes Eigenkapital behandelt werden. Nach dem OVG NRW kann diese Auffassung des VG Köln zunächst nicht mit dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 1993 (- 8 B 117.82 -, KStZ 1984, S. 11) begründet werden. Denn das Bundesverwaltungsgericht habe in diesem Beschluß keine Aussage zu den erwirtschafteten Abschreibungsbeträgen getroffen. Im übrigen erfolgt nach dem OVG NRW mit den vereinnahmten Abschreibungsbeträgen nur der Kostenausgleich für die mit der Benutzung einhergehende Abnutzung der aktuell eingesetzten Abwasseranlage. Hiermit sei keine Beteiligung an dem Herstellungsaufwand für die Wiederbeschaffung verbunden. Soweit sich die Grundstückseigentümer über die von ihnen gezahlten Abschreibungen mittelbar an dem Finanzierungsaufwand für die bestehende Anlage beteiligen, wird diesem Umstand dadurch Rechnung getragen, daß nur der um die Abschreibungen verminderte Anschaffungswert (Anschaffungsrestwert) der kalkulatorischen Verzinsung unterliegt und damit eine Verzinsung der jeweiligen "Beteiligungsrate" ausgeschlossen ist. Außerdem werde ohnehin im Hinblick auf Beiträge (und Zuschüsse) Dritter durch § 6 KAG NRW vorgegeben, daß diese bei der Verzinsung des in der Abwasseranlage gebundenen Eigenkapitals der Gemeinde außer Betracht zu bleiben haben.

Die Zuordnung der erwirtschafteten Abschreibungsbeträge zum Gebührenhaushalt ergibt sich nach dem OVG NRW auch nicht aus dem gemeindlichen Haushaltsrecht, dessen Grundsatz der Gesamtdeckung (§ 16 Gemeindehaushaltsverordnung) einer gesonderten rechtlichen Zuordnung der eingenommenen Abschreibungsbeträge ausschließlich zum Gebührenhaushalt gerade entgegensteht. Eine rechtliche Verpflichtung i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 Gemeindehaushaltsverordnung, diese Einnahmen auf die Verwendung für die Wiederbeschaffung zu beschränken und sie damit der Gesamtdeckung zu entziehen, besteht nicht. Insbesondere ergibt sich eine solche rechtliche Verpflichtung nach dem OVG NRW nicht aus dem Gebührenrecht. Soweit das Verwaltungsgericht Köln darauf abhebt, daß § 17 Abs. 1 Satz 2 Gemeindehaushaltsverordnung eine Zweckbindung von Einnahmen ermöglicht, bedarf dies nach dem OVG NRW auch keiner weiteren Entscheidung. Denn mit der möglichen haushaltsrechtlichen Zweckbindung begibt sich die Gemeinde dann lediglich vorweg der Möglichkeit, die Gebühreneinnahmen noch anderweitig haushaltsnützig zu verwenden. Diese Zweckbindung ist in ihrer gebührenrechtlichen Wirkung aber nicht anders zu bewerten als die Zurverfügungstellung der entsprechenden Gebührenbeträge aus allgemeinen Haushaltsmitteln erst unmittelbar vor der jeweiligen Investition in die kommunale Abwasserbeseitigungseinrichtung. In dem einen wie in dem anderen Fall werden dem allgemeinen Haushalt Finanzmittel entzogen und es trägt allein die Gemeinde die finanzielle Belastung, die dadurch entsteht, daß das investierte Kapital nicht mehr zugunsten des allgemeinen Haushalts verwendet werden kann. Abgesehen davon schließt selbst ein wirksamer Haushaltsvermerk über die Zweckbindung nach dem OVG NRW nicht aus, daß die Ausgaben, auf deren Deckung die zweckgebundenen Einnahmen beschränkt sind, daneben nicht auch aus allgemeinen Deckungsmittel gedeckt werden können.

Az.: II/2 24-21

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