Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 594/2004 vom 22.07.2004

OVG NRW zur Einführung der getrennten Regenwassergebühr

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Rubrik: Umwelt, Abfall und Abwasser


OVG NRW: Einführung der getrennten Regenwassergebühr

Das OVG NRW hat mit Beschluss vom 28.06.2004 (Az.: 9 A 1276/02) sich erneut mit der Frage beschäftigt, wann eine Gemeinde eine getrennte Regenwassergebühr einführen muss. Hintergrund war das Urteil des VG Arnsberg vom 15.01.2002 (Az.: 11 K 1994/00). In diesem Urteil hatte das VG Arnsberg entschieden, dass eine Gemeinde sich nicht mehr auf den Grundsatz der Typengerechtigkeit berufen kann, wenn bereits eine einheitliche Bebauungsstruktur im Gemeindegebiet nicht mehr gegeben ist. Das OVG NRW hat in seinem Beschluss vom 28.06.2004 diese Frage nicht entschieden, sondern dahinstehen lassen, weil nach Auffassung des OVG NRW in dem zu entscheidenden Fall auch der Grundsatz der Typengerechtigkeit nicht eingehalten war, mit der Folge, dass die aufgeworfene Frage keiner Klärung bedurfte.

Nach Auffassung des OVG NRW konnte die beklagte Gemeinde den einheitlichen Frischwassermaßstab für die Schmutzwasser- und Regenwasserbeseitigung (Frischwasser = Abwasser inkl. Regenwasserbeseitigungskosten) nicht mit dem Grundsatz der Typengerechtigkeit rechtfertigen, weil nicht weniger als 10 % der Grundstücke, die zu Abwassergebühren veranlagt worden waren, eine vom Regelfall erheblich abweichende Relation zwischen dem Frischwasserverbrauch und der versiegelten Grundstücksfläche aufwiesen. Aus dem Umstand, dass 93,14 % der in die Betrachtung einbezogenen 13.376 Grundstücke eine kanalwirksame Fläche von von bis zu 500 m² hätten, könne nicht gefolgert werden, dass im Stadtgebiet in derselben prozentualen Höhe der von beklagten Gemeinde selbst unterstellte Regelfall, eine Bebauung mit Ein- bis Zweifamilienhäusern, gegeben sei. Gegen diese Schlussfolgerung spreche, dass sich unter den Grundstücken mit einer kanalwirksamen Fläche von bis zu 500 m² auch eine Vielzahl anderer Bebauungsarten befinden würden und diese Grundstücke nur einen Anteil von etwa 73 % der Grundstücke insgesamt bildeten, für die eine Kanalbenutzungsgebühr erhoben wird.

Auch aus den Gesichtspunkten, dass nur 0,446 % der Gebührenpflichtigen sog. Großverbraucher mit einem Frischwasserverbrauch von mehr als 2.500 m³ sind, dass die Gebührensatzung für Verbrauchsmengen von über 20.000 m³ eine Gebührendegression enthalte und dass im Stadtgebiet nur 17 Großbetriebe mit einer Grundstücksfläche von mehr als 2.500 m² existieren, lassen sich nach dem OVG NRW keine hinreichend aussagekräftigen Schlüsse herleiten. Die von der beklagten Stadt gewählten Grenzwerte seien ungeeignet, um die Zahl der Gebührenpflichtigen, bei denen eine erhebliche Abweichung in der Relation zwischen Frischwasserverbrauch und befestigter Grundstücksfläche vorliege, zu erfassen. Erhebliche Abweichungen in der genannten Relation könnten typischerweise auch schon bei Frischwasserverbrauchsmengen von 0 m³ bis 500 m³ bzw. über 500 m³ oder Grundstücksgrößen über 1000 m² auftreten. Sie ergäben sich zudem auch bei Grundstücken, auf denen ein nur geringer Frischwasserverbrauch bei relativ großer versiegelter Fläche stattfinden würde. Etwas anderes folge auch nicht aus dem Urteil des OVG vom 05.08.1994 (Az.: 9 A 1248/92). Diese Entscheidung enthalte die Aussage, dass der Frischwassermaßstab ein tauglicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab sein könne, wenn in der Gemeinde eine verhältnismäßig homogene Bebauungsstruktur mit nur wenigen Hochhäusern, gewerblichen Betrieben und sonstigen Großwasserverbrauchern bestehe. Diese nicht näher spezifizierte Aussage sei in der nachfolgenden Rechtsprechung des OVG NRW weiterentwickelt worden. So habe das OVG NRW in seinem Beschluss vom 05.02.2003 (Az.: 9 B 2482/02) unter Bezugnahme auf das Urteil des OVG vom 25.04.1997 (Az.: 9 A 4821/95) ausgeführt, dass der Frischwassermaßstab ein tauglicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab sein könne, wenn und soweit die jeweilige Kommune durch eine verhältnismäßig homogene und wenig verdichtete Wohnbebauung ohne eine nennenswerte Anzahl kleinflächiger Grundstücke mit hohem Wasserverbrauch bzw. großflächig befestigter Grundstücke mit kleinem Wasserverbrauch geprägt sei. Damit sei der Begriff der verhältnismäßig homogenen Bebauung dahin präzisiert, dass eine solche einen als Regelfall vorkommenden, nur vereinzelt durchbrochenen Bebauungstyp voraussetzt. An diesen Maßstäben habe sich das VG im angegriffenen Urteil ausgerichtet. Mit seiner Annahme, es müsse sich im Gemeindegebiet ein absolut vorherrschender Typ der Grundstücksnutzung feststellen lassen und dieser müsse in seiner durch Art und Weise der baulichen Nutzung bestimmten Einheitlichkeit einer für alle Ortsteile der Gemeinde etwa gleichen Bevölkerungsdichte entsprechen, habe das Verwaltungsgericht letztlich die in der erwähnten Rechtsprechung des OVG NRW entwickelten Kriterien angewandt.

Die vom OVG NRW geforderte Prägung der Bebauungsstruktur durch gleichartige Wohnnutzung habe das Verwaltungsgericht in vertretbarer Weise mit der Umschreibung „absolut vorherrschender Typ der Grundstücksnutzung“ wiedergegeben und sich damit nicht in Widerspruch zur bislang ergangenen Rechtsprechung des OVG NRW gesetzt. Weiterhin weist das OVG NRW in seinem Beschluss vom 30.06.2004 darauf hin, dass auch die Frage, mit Hilfe welcher Kriterien das Vorliegen einer homogenen Bebauung im Einzelfall abschließend zu beurteilen sei und wann bei solchen Kriterien von einer Homogenität nicht mehr auszugehen sei, keiner weiteren Klärung bedürfe. Der Begriff Homogenität bedeute nach einhelliger Auffassung Gleichartigkeit. Kriterien für eine Gleichartigkeit der Bebauung könnten in Anlehnung an die Baunutzungsverordnung die Art der baulichen Nutzung, das Maß der Bebauung und die Bauweise sowie die befestigten Flächen sein. Wann im Einzelfall eine Gemeinde gemessen an diesen Kriterien durch eine gleichartige Bebauung geprägt sei, lasse sich nur anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls überprüfen.

Die Geschäftsstelle weist ergänzend auf Folgendes hin:

Das OVG NRW hat mit Beschluss vom 28.06.2004 (Az.: 9 A 1276/02) in Anknüpfung an seine frühere Rechtsprechung zur Pflicht zur Einführung einer getrennten Regenwassergebühr weiterhin daran festgehalten, dass die Anwendung des einheitlichen Frischwassermaßstabs (Frischwasser = Abwasser inkl. der Regenwasserbeseitigungskosten) nicht generell unzulässig ist. Es bleibt dabei, dass der einheitliche Frischwassermaßstab nur dann nicht mehr zur Anwendung gelangen kann, wenn in der betreffenden Gemeinde keine homogene (einheitliche bzw. gleichartige) Bebauungsstruktur vorzufinden ist. Diese Frage ist nach dem OVG NRW bezogen auf das jeweilige konkrete Gemeindegebiet zu beantworten. Eine homogene Bebauungsstruktur bedeutet nach dem OVG Gleichartigkeit der Bebauungsstruktur. Kriterien zur Beurteilung, ob eine Gleichartigkeit der Bebauung im Gemeindegebiet vorliegt, können nach dem OVG NRW in Anlehnung an die Baunutzungsverordnung die Art der baulichen Nutzung, das Maß der Bebauung und die Bauweise sowie die befestigten Flächen sein. Nach wie vor kann der einheitliche Frischwassermaßstab und seine Anwendung mit dem Grundsatz der Typengerechtigkeit gerechtfertigt werden. Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn weniger als 10 % der zu Abwassergebühren veranlagten Grundstücke dem mit dem einheitlichen Frischwassermaßstab veranlagten Regelfall (Frischwasser = Abwasser) entsprechen, wonach die Annahme zugrunde liegt, dass die von dem veranlagten Grundstück abgeleiteten Regenwassermengen in etwa den abgeleiteten Schmutzwassermengen entsprechen. Das OVG NRW nahm im Fall der beklagten Stadt eine Rechtfertigung durch den Grundsatz der Typengerechtigkeit nicht an, weil die Gesamtzahl der Grundstücke mit Kanalbenutzungsgebühren 17.167 betrug und lediglich ein Anteil von etwa 73 % dieser Grundstücke nach dem OVG NRW in eine Kategorie von Grundstücken eingeordnet werden konnte, bei denen die Relation von Schmutzwasser und Regenwasser in etwa gleich ist. Bei ca. 27 % abweichenden Grundstücken konnte damit die 10 %-Grenze des Grundsatzes der Typengerechtigkeit nicht mehr eingehalten werden.

Az.: II/2 24-21 qu/hu

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