Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 666/2004 vom 18.08.2004

OVG NRW zur Bindungswirkung der GIRL

Das OVG Münster hat mit Beschluss vom 24.06.2004 (Az.: 21 A 4130/01) zu der Frage Stellung genommen, ob und wieweit die sog. Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) (abgedruckt bei: Landmann/Rohmer, Umweltrecht II, Nr. 4.2 ) Bindungswirkung entfaltet sowie generell geeignet ist, als Kriterium zur Beurteilung von Geruchsimmissionen herangezogen zu werden.

Dem Beschluss des OVG lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die beklagte Behörde hatte eine Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Schweinemastanlage erteilt. Der Kläger machte gegen die erteilte Genehmigung unzumutbare Geruchsbelästigungen geltend. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Das OVG lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung ebenfalls ab.

Das OVG NRW weist in seinem Beschluss vom 24.06.2004 darauf hin, dass Gerichte, die bei der Bewertung von Geruchsimmissionen auf die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) zurückgegriffen hätten, immer einhellig davon ausgegangen seien, dass dieser weder eine abschließende noch eine bindende Wirkung für die Beurteilung von Gerüchen zukommt (vgl. Sächsisches OVG, Beschluss vom 15.07.1998 – Az.: 1 S 257/98 -, Sächsisches Verwaltungsblatt 1998, S. 292; offen gelassen VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 23.10.2001 – 10 S 141/01, DVBl. 2002, S. 709).

Die Geruchsimmissionsschutz-Richtlinie sei vielmehr als

- Entscheidungshilfe für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen (so: OVG NRW, Urt. v. 25.09.2000- 10 A D 8/00. NE, NWVBl 2001, S. 185)
- Orientierungs- und Entscheidungshilfe bei der Gesamtwürdigung von Geruchsbelästigungen (OLG Karlsruhe, Urt. v. 09.05.2001 – 6 U 223/00 -, NJW-RR 2001, S. 1236)
- ein Hilfsmittel für die Ermittlung von Geruchsbelästigungen (BGH, Urt. v. 21.06.2001 – III ZR 313/99 - , DVBL 2001, S. 1435)
- ein Hilfsmittel unter vielen anderen bei der Beurteilung von Gerüchen (OVG Lüneburg, Urt. v. 25.07.2000, Az.: 1 LB 980/01-, NVWZ-RR 2003, 24) bzw.
- als Beurteilungshilfe für die Erheblichkeit von Geruchsimmissionen (so: OVG NRW, Beschluss vom 19.05.2003 – Az.: 22 A 5565/00) angesehen worden.

Darüber hinaus macht das OVG NRW in seinem Beschluss vom 24.06.2004 deutlich, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Geruchsimmissions-Richtlinie für die Beurteilung von Geruchsimmissionen ungeeignet sei, weil sie nur auf die Geruchshäufigkeit abstellt und nicht die Geruchsqualität und die Geruchsintensität berücksichtigt.

Die Geruchsimmissions-Richtlinie geht – so das OVG NRW - auf einen Entwurf zurück, der von einer Ende der 80iger Jahre gebildeten Arbeitsgruppe aus Vertretern von Verwaltung, Wissenschaft und technischer Überwachung auf der Grundlage umfangreicher Untersuchungen erarbeitet worden sei. Dieser Entwurf sei in dem Länderausschuss für Immissionsschutz, einem Beratungsgremium aller für den Immissionsschutz zuständigen obersten Bundes- und Landesbehörden, und dessen Unterausschuss „Wirkungsfragen“ einer eingehenden Überprüfung unterzogen. Die vom Unterausschuss vorgelegte Fassung habe der Länderausschuss für Immissionsschutz am 12.01.1993 gebilligt. Nachdem erste Erfahrungen mit der Anwendung der Geruchsimmissions-Richtlinie gesammelt werden konnten, habe der Unterausschuss „Wirkungsfragen“ die Richtlinie erneut überprüft und zur Klarstellung einige Änderungen empfohlen und zur besseren Anwendbarkeit eine Begründung sowie Auslegungshinweise vorgelegt. Diese Fassung habe der Länderausschuss für Immissionsschutz in seiner Sitzung vom 11. bis 13. Mai 1999 verabschiedet und im Mai 1999 empfohlen, die überarbeitete Geruchsimmissionsschutz-Richtlinie in der Verwaltungspraxis anzuwenden. Schon diese Entstehungsgeschichte belegt nach dem OVG NRW, dass in die Geruchsimmissionsschutz-Richtlinie gewichtiger Sachverstand eingeflossen ist, der eine grundsätzliche Eignung als Kriterium zur Beurteilung von Geruchsimmissionen vermuten lässt. Dieses finde seine Bestätigung auch in der inhaltlichen Ausgestaltung der Geruchsimmissions-Richtlinie. Sie enthalte zur Erfassung und Bewertung von Geruchsimmissionen ins Einzelne gehende meßtechnische Regeln zur Konkretisierung des Begriffs der Erheblichkeit.

Der Eignung der Geruchsimmissions-Richtlinie als Kriterium zur Beurteilung von Geruchsimmissionen steht nach dem OVG NRW auch nicht entgegen, dass bei der Regelfallprüfung als Maßstab allein auf die Geruchshäufigkeit abgestellt wird. Denn diese Beschränkung der Betrachtungsweise, insbesondere die vorliegend von den Klägern beanstandete Ausblendung der Geruchsqualität und der Geruchsintensität, sei nicht ohne sachgerechten Grund erfolgt. Ausweislich der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 1 GIRL sei auf eine Einbeziehung der Geruchsintensität verzichtet worden, weil Felduntersuchungen des medizinischen Instituts für Umwelthygiene an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zu Geruchsbelästigungen von Anwohnern verschiedener Geruchsemittenten gezeigt hätten, dass die Intensitätsbetrachtung zusätzlich zur alleinigen Häufigkeitsermittlung keinen deutlichen Erkenntniszugewinn bringe. Die Geruchqualität sei unberücksichtigt geblieben, weil für deren regelmäßige quantitative Einbeziehung noch keine ausreichenden wissenschaftlichen Grundlagen vorliegen würden. Nichts anderes gelte für die im Übrigen an der Geruchsimmissions-Richtlinie geäußerten Zweifel an der sachgerechten Erfassung insbesondere von Gerüchen im landwirtschaftlichen Bereich.

Alle diese Kritikpunkte rechtfertigen es nach dem OVG NRW somit nicht, dass im Einzelfall auf die Geruchsimmissions-Richtlinie zurückgegriffen werden kann, wenn es darum geht, Geruchsimmissionen zu beurteilen. Die generelle Eignung der GIRL als Beurteilungskriterium sei mithin nicht in Frage gestellt. Denn die Geruchsimmissions-Richtlinie ist nicht als das (allein entscheidende) Kriterium, sondern lediglich als ein Kriterium zur Beurteilung von Geruchsimmissionen anzusehen. Namentlich darf sich die Beurteilung von Geruchsimmissionen – so das OVG NRW – nicht in jedem Fall allein an den in der Geruchsimmissions-Richtlinie festgelegten Grenzwerten für die Geruchshäufigkeit orientieren. Vielmehr hat jeweils eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen, bei der insbesondere kritisch in den Blick zu nehmen sei, ob die Regelfallprüfung nach der Geruchsimmissions-Richtlinie den Besonderheiten der jeweiligen Situation hinreichend Rechnung trage. Dieser Gedanke habe auch in der Geruchsimmissions-Richtlinie gerade im Zusammenhang mit den Fragen der Geruchsqualität und der Geruchsintensität seinen Niederschlag gefunden. Unter Nr. 5 Satz 1 Buchst. b GIRL werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Sonderbeurteilung erforderlich ist, wenn Anhaltspunkte dafür bestünden, dass wegen der außergewöhnlichen Verhältnisse hinsichtlich der Art (z.B. Ekel und Übelkeit auslösende Gerüche und Intensität der Geruchseinwirkungen) und der Intensität der Geruchseinwirkungen eine Sonderbeurteilung angezeigt ist. Insgesamt sei daher nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht in der Vorinstanz sich zur Beurteilung der Geruchsimmissionen allein auf die abstrakte Prüfung der GIRL gestützt habe, ohne eine konkrete Einzelfallprüfung vorzunehmen.


Az.: II/2 70-00 qu/g

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