Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 426/2023 vom 29.06.2023

OVG NRW zum Kanalanschlussbeitrag und § 49 Abs. 4 Satz 1 LWG NRW

Mit Beschluss vom 26.06.2023 (Az.: 15 A 679/21) hat das OVG NRW die Erhebung eines Kanalanschlussbeitrages für die Beseitigung von Schmutz- und Niederschlagswasser als rechtmäßig angesehen. In dem entschiedenen Fall hatte die beklagte Stadt den Beitragspflichtigen (Grundstückseigentümern) gemäß § 49 Abs. 4 Satz 1 Landeswassergesetz NRW (LWG NRW) zunächst keine Freistellung von der Abwasserüberlassungspflicht bezogen auf das Niederschlagswasser erteilt (§ 48 LWG NRW). Damit war die Abwasserbeseitigungspflicht für das Niederschlagswasser von der Stadt nicht auf den privaten Grundstückseigentümer übergegangen, weil § 49 Abs. 4 Satz 1 LWG NRW voraussetzt, dass neben einer erforderlichen wasserrechtlichen Erlaubnis der zuständigen Wasserbehörde (1. Voraussetzung) auch die Freistellung von der Abwasserüberlassungspflicht durch die Stadt erfolgen muss (2. Voraussetzung). Erst wenn diese beiden Voraussetzungen zusammen (kumulativ) vorliegen, geht die Abwasserbeseitigungspflicht von der Stadt auf den privaten Grundstückseigentümer über.

Der Kanalanschlussbeitrag war mit der Herstellung der Schmutzwasser- und Regenwasserkanalisation im Oktober 2018 entstanden. Die Freistellungsentscheidung (Freistellungsverfügung) der Stadt erfolgte erst mit Datum vom 20.01.2020. Das OVG NRW folgte insoweit dem Standpunkt des VG Aachen als Vorinstanz, dass erst mit der Freistellungsverfügung vom 20.01.2020 die Abwasserbeseitigungspflicht für das Niederschlagswasser auf die Kläger als Grundstückseigentümer übergegangen sei. Diese Freistellungsverfügung habe aber keine rückwirkenden Auswirkungen auf den zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Kanals im Oktober 2018 entstandenen und im Frühjahr 2019 festgesetzten Kanalanschlussbeitrag. Vielmehr sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung der Sach- und Rechtslage bezüglich der hier einschlägigen Anfechtungsklage gegen den Beitragsbescheid grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung sei. Auch aus Gründen der Rechtssicherheit scheide ein rückwirkender Wegfall des bereits entstandenen Kanalanschlussbeitrags aus. Laut dem OVG NRW war Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung der am 04.09.2019 erlassene Widerspruchsbescheid, welcher dem streitgegenständlichen Verwaltungsakt (dem Beitragsbescheid) gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO seinen endgültigen Inhalt gegeben hat.

Das OVG NRW folgte weiterhin dem Vortrag der Kläger nicht, dass nicht klar gewesen sei, dass mit dem Kanalanschlussbeitragsbescheid ein Kanalanschlussbeitrag bezogen auf die Ableitungsmöglichkeit für Schmutzwasser und Niederschlagswasser in die öffentliche Abwasserkanalisation erhoben wurde, denn mit Blick auf die in Bezug genommene Beitragssatzung sei die Höhe des Beitrags insgesamt rechnerisch und bezogen auf die Gesamtsumme und die veranlagten Teilbeiträge für Schmutz- und Niederschlagswasser nachvollziehbar gewesen. Unerheblich sei auch, dass die einschlägige Satzung seit dem 01.01.2019 durch eine neue Satzung abgelöst worden sei. Vielmehr habe für die alte und hier maßgebliche Satzung ein Hinweis auf die Veröffentlichungsorgane der außer Kraft getretenen Vorgängersatzung vom 15.12.2010 (kölnische Rundschau und Kölner Stadt-Anzeiger vom 18.12.2010) bestanden, auf welche etwa über das Stadtarchiv der beklagten Stadt Zugriff bestehe. Zudem hätten sich die Kläger auch beim zuständigen Fachbereich der Stadt Einsicht die hier maßgebliche Vorgängersatzung geben lassen können.

Weiterhin folgte das OVG NRW dem Einwand der Kläger nicht, dass die veranlagten Grundstücke im bauplanungsrechtlichen Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen würden. Vielmehr folgte das OVG NRW dem VG Aachen als Vorinstanz, dass die veranlagten Grundstücke im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) gelegen sind.

Das OVG NRW sah darüber hinaus eine konkludente Freistellungsentscheidung nicht darin, dass die beklagte Stadt den Antrag der Kläger auf Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis im Jahr 2006 an die zuständige Wasserbehörde des Kreises weitergeleitet hatte. Zwar hatte die ursprüngliche Vor-Vorgänger-Alt-Regelung (§ 51 a Abs. 2 Satz 1 LWG NRW a. F.) einen automatischen Übergang der Abwasserbeseitigungspflicht für das Niederschlagswasser zum Gegenstand. Auf der Grundlage der heutigen Regelung in § 49 Abs. 4 Satz 1 LWG NRW und der Vorgänger-Regelung des § 53 Abs. 3 a LWG NRW a. F. bedarf es aber zusätzlich einer Freistellung von der Abwasserbeseitigungspflicht durch die Stadt bzw. Gemeinde, denn mit dem Inkrafttreten dieser Regelungen gilt diese Neu-Regelung auch für die sog. Altfälle (vgl. VG Aachen, Urteil vom 06.07.2005 – Az. 6 K 2420/98 unter Verweis auf LT-Drucksache 13/6222, S. 100 und S. 103).

In der Folge hierzu hat ein Antrag auf Erteilung einer wasserbehördlichen Erlaubnis bei der unteren Wasserbehörde des Kreises und deren Weiterleitung durch die Stadt an diese für die beklagte Stadt selbst deshalb keine unmittelbare Bedeutung.

Ebenso konnte -so das OVG NRW - eine konkludente (schlüssige) Freistellung durch das passive Dulden der Einleitung des Niederschlagswassers in einen Bach seines der beklagten Stadt über einen Zeitraum von 14 Jahren nicht angenommen werden, weil die Übergangsregelung in § 51 Satz 1 LWG NRW in der Altfassung und in der aktuell geltenden Fassung nur besagt, dass bis zur Übernahme des Abwassers durch die Gemeinde, derjenige das Abwasser zu beseitigen hat, bei dem das Abwasser anfällt. Mit der Fertigstellung der öffentlichen Kanalisation im Oktober 2018 habe die beklagte Stadt somit die Voraussetzung für die (endgültige) Übernahme des Abwassers in die öffentliche Abwasserkanalisation geschaffen.

Grundlegend weist das OVG NRW erneut darauf hin, dass die Ablehnung der Freistellung von der Niederschlagswasserüberlassungspflicht durch die Stadt in aller Regel bereits dann ermessensfehlerfrei ist, wenn sich die Stadt für eine getrennte Entsorgung des Schmutz- und Niederschlagswassers über eine öffentliche Trennkanalisation für Schmutzwasser einerseits und Niederschlagswasser andererseits entschieden hat (so bereits: OVG NRW, Beschluss vom 24.02.2017 – Az. 15 B 49/17-).

In Anknüpfung daran besteht – so das OVG NRW - auch kein automatischer Anspruch auf Freistellung von der Abwasserüberlassungspflicht für das Niederschlagswasser gegenüber der beklagten Stadt. Im Übrigen sah das OVG NRW auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die beklagte Stadt die Entscheidung über die Freistellung treuwidrig zeitlich hinausgeschoben hat. Insoweit sei auch die zeitlich später erteilte Freistellungsentscheidung von der Abwasserüberlassungspflicht für das Niederschlagswasser durch die beklagte Stadt nicht sinnlos, denn die Kläger könnten jedenfalls (durch den zurzeit bestehenden Nichtanschluss an die öffentliche Regenwasserkanalisation) die Niederschlagswassergebühr (Regenwassergebühr) einsparen.

Az.: 24.1.2.2 qu

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