Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 119/2002 vom 05.02.2002

OVG NRW zu Kanalanschlussbeitrag, Tiefenbegrenzung und Reiterhof

Das OVG NRW hat sich in einem Urteil vom 04.12.2001 (Az: 15 A 5566/99) mit der Frage der Anwendung der Tiefenbegrenzung im Außenbereich beschäftigt. Gegenstand der Heranziehung, war ein Grundstück mit Reiterhof im Außenbereich (§ 35 BauGB), welches tatsächlich an die gemeindliche Abwasseranlage angeschlossen worden war. Das OVG NRW weist zunächst darauf hin, daß auf der Grundlage des wirtschaftlichen Grundstücksbegriffs die veranlagte Grundstücksfläche keinen Rechtsbedenken ausgesetzt ist. Die Gemeinde habe zu Recht angenommen, daß die herangezogenen Flurstücke 76, 77 und 26 eine wirtschaftliche Einheit bilden und damit ein Grundstück im Sinne des wirtschaftlichen Grundstücksbegriffs vorliege. Das 21 qm große Flurstück 76 sei nicht eine selbständig nutzbare Parzelle und damit Teil der mit der Hofanlage bebauten Flurstücke 26 und 77. Das Flurstück 26, das alleine aus der Fläche bestehe, auf dem das Haupthaus errichtet sei, stelle keine eigenständige wirtschaftliche Einheit dar, da es schon wegen der Abstandsflächen auf das Flurstück 77 übergreife. Damit sei das notwendige Mindestmaß an rechtlicher Zusammengehörigkeit für die Zusammenfassung von Buchgrundstücken zu einer wirtschaftlichen Einheit gegeben (vgl. OVG NRW, Beschluß vom 09. Juni 1998 - 15 A 6852/93 -, NVWBl 1999, S. 25). Angesichts des Umstandes, daß die Baulichkeiten des Reiterhofes einen einzigen Gebäudekomplex darstellen würden und das Grundstück auch einheitlich als Reiterhof genutzt werde, verbiete sich die Bildung mehrerer wirtschaftlicher Einheiten, die etwa an die Wohnnutzung einerseits und die Pferdehaltung andererseits oder gar an die Geschossigkeit anknüpfen würden.

Jedoch sei - so das OVG NRW - nicht die gesamte Fläche der so zu bildenden Einheit der Beitragsveranlagung zugrunde zu legen. Vielmehr greife die in der Beitragssatzung der beklagten Gemeinde geregelte Tiefenbegrenzung von 40 m ein. Danach gelte als beitrsgsrelevante Grundstücksfläche, die Fläche von der Erschließungsanlage bis zu einer Tiefe von höchstens 40 m (satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung). Mit dem Begriff der Erschließungsanlage sei in dieser Satzungsvorschrift die Wegefläche gemeint, die die verkehrliche (wegemäßige) Erschließung des Grundstücks vermittele. Dies ergebe sich daraus, daß mit der Tiefenbegrenzung generalisierend die räumliche Erschließungswirkung der Entwässerungsanlage auf ein bebautes oder Baulandcharakter aufweisendes Grundstück begrenzt werde (vgl. OVG NRW, Beschluß vom 12.05.2000 - 15 B 697/00, S. 2 des Amtlichen Umdrucks; OVG NRW, Beschluß vom 09. 06.1998 - 15 A 6852/93 -, NWVBl 1999, S. 25 f., S. 26). Deshalb könne mit der Erschließungsanlage nur die verkehrliche Erschließungsanlage gemeint sein. Denn die satzungsrechtliche Regelung sei nur sinnvoll, wenn unter "Erschließungsanlagen" der die verkehrliche Erschließung vermittelnde Weg und nicht die öffentliche Abwasseranlage verstanden werde, denn ein Weg verbinde mit anderen Wegen, und nicht mit einer Abwasseranlage.

Die Tiefenbegrenzung sei auch auf Außenbereichsgrundstücke anwendbar, wenn dieses in der Beitragssatzung - wie hier - so geregelt sei. Ebenso wie bei den Grundstücken im unbeplanten Innenbereich komme bei übergroßen Grundstücken im Außenbereich die Erschließungswirkung der (Abwasser)Anlage nicht der gesamten Fläche unabhängig von ihrer Tiefe zu, sondern nur einem in der Nähe der wegemäßigen Erschließungsanlage befindlichen Teil. Diesen Teil lege die Tiefenbegrenzungsregelung generalisierend fest. Die so vom Erschließungsweg her zu bestimmende Tiefenbegrenzung beschränke sich jedoch im vorliegenden Fall nicht auf den 40 m-Bereich. Denn nach der satzungsrechtlichen Regelung der beklagten Gemeinde sei bei einer über die Tiefenbegrenzung hinausgreifenden baulichen Nutzung des Grundstücks zusätzlich die Tiefe der übergreifenden Nutzung zu berücksichtigen. Durch diese Regelung werde sichergestellt, daß im Einzelfall die generalisierende Annahme einer bestimmen räumlich beschränkten Erschließungswirkung durch die konkrete bauliche Nutzung des Grundstückes widerlegt werden könne. Im vorliegenden Fall ende daher die über die Tiefenbegrenzung hinausgehende Nutzung in einer Tiefe von gut 75 m. Die so zu ziehende Tiefenbegrenzung sei nach der Satzung in der Weise vorzunehmen, daß in dieser Tiefe (75 m) über das gesamte Grundstück hinweg die Grenze zu ziehen sei. Allerdings sei - so das OVG NRW - die beitragssatzliche Regelung der Gemeinde zur Festlegung der Tiefenbegrenzung bei übergreifender baulicher Nutzung nicht eindeutig. Entgegen anderen Satzungsformulierungen, die im allgemeinen von der "hinteren Grenze der Nutzung" sprechen würden, sei hier "die Tiefe der übergreifenden Nutzung zu berücksichtigen". Jedoch gebe diese Formulierung - so das OVG NRW - keinen Anlaß, eine andere Form der Tiefenbegrenzung als die der Grenzziehung über das Grundstück hinweg entsprechend der hinteren Nutzungsgrenze anzunehmen. Denn nach der Satzungsformulierung sei nicht die Fläche der übergreifenden Nutzung zu berücksichtigen, sondern die Tiefe der übergreifenden Nutzung. Somit stelle sich allein die Frage, wie diese Tiefe nach der Satzungsregelung zu bemessen sei. Mangels anderer sich aufdrängender Anhaltspunkte und im Interesse der Klarheit der zuwendenden Satzungsregelung könne dies nur dahin verstanden werden, daß die tatsächliche Tiefe der übergreifenden Nutzung auch für die übrigen Grundstücksteile, in denen eine solche übergreifende Nutzung nicht vorliegt, maßgeblich sein soll. Mithin sei im zu entscheidenden Fall eine höhere Beitragspflicht entstanden, als durch den angefochtenen Bescheid festgesetzt worden sei.

Gleichwohl – so das OVG NRW – komme ein Teilerlaß wegen sachlicher Unbilligkeit in Betracht (§ 12 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a KAG NRW i.V.m. § 227 a.O.; vgl. auch OVG NRW, Urt. v. 30.10.2001 - 15 A 5184/99 -, S. 16 f.). Eine solche sachliche Unbilligkeit könne hier deshalb vorliegen, weil die übergreifende bauliche Nutzung (über die Tiefenbegrenzung hinaus) zu einer deutlichen Erweiterung der heranzuziehenden Flächen führe, aber gleichzeitig weite Teile der so in die Tiefenbegrenzung mit einzubeziehenden Flächen entweder baulich nicht oder in beitragsrechtlich nicht relevanter Weise genutzt würden. Dies gelte für eine Fläche von etwa 80 x 40 m, die zwar für die Tierhaltung genutzt werde, jedoch hinsichtlich der Schmutzwasserentwässerung keine Bedeutung habe. Der kanalanschlußbeitragsrechtliche Satzungsbegriff der übergreifenden baulichen Nutzung für die über eine Tiefenbegrenzung hinaus zu veranlagende Fläche erfasse nämlich nicht jede bauliche Anlage im Sinne des Bauordnungsrechtes, sondern nur eine solche, die im Zusammenhang stehe mit einer baulichen Nutzung, die überhaupt einen Entwässerungsbedarf nach sich ziehen könne (vl. OVG NRW, Urt. v. 22.05.2001 - 15 A 5608/98 -; KStZ 2001, S. 194). Eine Ortsbesichtigung habe vorliegend ergeben, daß sich in dem genannten Bereich - abgesehen von einer Sattelkammer - lediglich die Pferdeställe befinden würden, für die ein Entwässerungsbedarf für Schmutzwasser nicht bestehe. Angesichts dessen komme ein Billigkeitserlaß in Betracht, wenn der unbilligen Härte nicht durch eine teilweise zinslose Stundung (§ 12 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a und b KAG NRW i.V.m. § 222 und 234 Abs. 2 Abgabenordnung) begegnet werden könne. Das OVG NRW weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, daß wegen eines etwaigen Billigkeitserlasses, der noch nicht gewährt worden sei, der Beitragsbescheid nicht rechtswidrig sei. Entgegen der alten Rechtsprechung des 2. Senats des OVG NRW, sei der heute zuständige 15. Senat des OVG NRW der Auffassung, daß eine Beitragsfestsetzung nicht rechtswidrig sei, wenn ein erforderlicher Billigkeitserlaß nicht gewährt worden sei. Zwar könne ein Billigkeitserlaß mit der Beitragsfestsetzung in einem Verfahrensschritt verbunden werden. Der Sache nach handele es sich aber um zwei Entscheidungen, wobei die Billigkeitsentscheidung, mit der Verpflichtungsklage zu erstreben sei.

Die Geschäftsstelle weist ergänzend darauf hin: Nach dem Urteil des OVG NRW vom 4.12.2001 (Az.: 15 A 5566/99) kann die satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung auch auf Grundstücke im Außenbereich erstreckt und angewendet werden. Etwaige unbillige Härten können durch Teilerlasse oder zinslose Stundungen abgefangen werden. Teilerlasse müssen nicht gleichzeitig mit der Beitragsbescheid gewährt werden, sondern können auch zeitlich später erfolgen, d.h. der Beitragsbescheid ist deshalb nicht rechtswidrig.

Az.: II/2 24-22

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