Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 590/2001 vom 20.09.2001

OVG NRW: Nichtigkeit eines Gebührenbescheides

In den Mitteilungen des StGB NRW vom 20.12.2000 Nr. 767 (S. 375 f.) war über das Urteil des Verwaltungsgerichtes Minden vom 19. Oktober 2000 (Az.: 9 K 555/99) berichtet worden, mit welchem ein Gebührenbescheid einer Gemeinde für nichtig erklärt worden war.

Das Verwaltungsgericht Minden hatte insbesondere kritisiert, daß das Schreiben, welches nach Auffassung der Gemeinde einen Gebührenbescheid war, für den Kläger als Gebührenbescheid nicht erkennbar war. Vielmehr erwecke das Schreiben für den Kläger als Adressaten den Eindruck, er bekomme eine nach privatrechtlichen Grundsätzen erteilte Rechnung. Die Vorderseite des Schreibens enthalte jedenfalls keinerlei Hinweis auf den öffentlich-rechtlichen Charakter. Vielmehr deuteten die Angaben - so das VG Minden - darauf hin, daß gegenüber dem Kläger eine Forderung privatrechtlicher Natur bestehe. Augenfällig sei hierbei die Wahl der Bezeichnung "Jahresverbrauchsrechnung, Kunden-nummer, Grundpreis, Einzelbeträge, Gesamtbeträge" sowie die Ausweisung einer Mehrwertsteuer, welche auf eine privatrechtliche Beziehung hindeuteten. Alle diese Merkmale - so das VG Minden - würden klar und eindeutig auf eine privatrechtliche Rechnung hinweisen und seien schlechterdings nicht mit einem öffentlich-rechtlichen Gebührenbescheid vereinbar. Auch die Angabe auf dem Schreiben "Stadt X, Wasserwerk, Abwasserbetrieb" deutete nach dem VG Minden nicht darauf hin, daß hier eine Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts tätig geworden sei. Darüber hinaus kritisierte das VG Minden, daß bei dem Schreiben auf der Vorderseite kein Hinweis auf die Rechtsbehelfsbelehrung auf der Rückseite des Schreibens enthalten war. Auch dieser Umstand deutete nach dem VG Minden nicht in rechtlich einwandfreier Weise auf den öffentlich-rechtlichen Charakter des Schreibens als Gebührenbescheid hin, zumal die Rechtsmittelbelehrung kleingedruckt unter dem fettgedruckten, ins Auge springende Hinweis für die richtige Waschmitteldosierung erscheine.

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat nunmehr mit Urteil vom 23. August 2001 (Az. 9 A 5592/00) das Urteil des Verwaltungsgerichtes Minden vom 19. Oktober 2000 aufgehoben und die Rechtssache zur Entscheidung in der Sache an das Verwaltungsgericht Minden zurückverwiesen. Das OVG NRW teilt die Rechtsauffassung des VG Minden nicht, daß der streitbefangene Gebührenbescheid nichtig ist. Hierzu führt das OVG NRW aus:

Ein Gebührenbescheid sei nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG NRW i.V.m. § 125 Abs. 1 Abgabenordnung nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leide und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig sei. Wann diese Voraussetzungen erfüllt seien, lasse sich nicht generell, sondern nur von Fall zu Fall entscheiden. Dabei seien strenge Maßstäbe anzulegen. Denn die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes gelte als Ausnahme von dem Grundsatz, daß ein Akt der staatlichen Gewalt die Vermutung der Gültigkeit in sich trage. Nichtig sei ein Verwaltungsakt deshalb nur dann, wenn er die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so erheblichen Maße verletze, daß von niemanden erwartet werden könne, ihn als verbindlich anzuerkennen. Dies sei im zu entscheidenden Fall zu verneinen. Vielmehr seien die angefochtenen Bescheide ungeachtet der Frage, ob auf ihren Rückseiten eine Rechtsbehelfsbelehrung mit weiteren Hinweisen abgedruckt gewesen seien oder nicht, als Verwaltungsakt zu qualifizieren.

Ein Verwaltungsakt sei nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 b KAG NRW, § 118 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung jede Verfügung, Entscheidung oder andere örtliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts treffe und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sei. Diese Kriterien erfüllten die hier streitgegenständlichen Gebührenbescheide. Durch sie habe die beklagte Stadt Benutzungsgebühren und Vorausleistungen u.a. für die Inanspruchnahme des städtischen Wasserwerks festgesetzt. Die Vermutung der Gültigkeit der Bescheide werde nicht dadurch in Frage gestellt, daß in den Gebührenbescheiden Begriffe wie etwa Jahresverbrauchsrechnung und Grundpreis benutzt würden, die auch im privatrechtlichen Bereich gebräuchlich seien. Denn für das Verständnis und für die Bestimmung des wirklichen Regelungsgehaltes eines Bescheides sei der durch Auslegung zur ermittelnde objektive Erklärungsgehalt aus der Sicht des Empfängers maßgeblich und nicht der äußere Eindruck, auch nicht die Bezeichnung oder Begründung.

Bei verständiger Würdigung des objektiven Erklärungswertes der verwendeten Begriffe und unter Berücksichtigung des übrigen Inhalts seien die Gebührenbescheide im zu entscheidenden Fall nur so zu verstehen, daß eine Jahresgebührenvorauszahlung für die Inanspruchnahme des Wasserwerkes bezogen auf die jeweils angegebenen zeitliche Periode festgesetzt werde. In diesem Sinne habe der Kläger als Adressat der beiden Bescheide diese auch verstanden und jeweils den gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelf eingelegt. Es sei ferner nicht erkennbar, daß die äußere Form der Gebührenbescheide geeignet sei, einen Irrtum dahin zu erwecken, daß diese von einem privatrechtlich organisierten Wasserwerk erstellt worden seien. Aus der Absenderangabe auf dem Bescheid ergebe sich eindeutig, daß die Gebührenbescheide von der Stadt erlassen worden seien. Die werde auch durch die Widerspruchsbescheide bestätigt, in denen ausdrücklich vom Widerspruch "gegen meinen Bescheid" die Rede sei. Gegen eine öffentlich-rechtliche Regelung spreche schließlich nicht die in den Bescheiden vorgenommene Festsetzung der Umsatzsteuer. Denn die Gemeinde könne die Umsatzsteuer den Gebührenpflichtigen auferlegen, soweit die Umsätze ihrer Einrichtung der Umsatzsteuerpflicht unterliegen würden.

Die Geschäftsstelle weist ergänzend auf folgendes hin: Mit dem Urteil des OVG NRW vom 23. August 2001 (Az.: 9 A 5592/00) wird deutlich, daß ein Gebührenbescheid lediglich in besonderen Ausnahmefällen nichtig ist. Gleichwohl empfiehlt die Geschäftsstelle auf einem Schreiben, welches ein Gebührenbescheid sein soll, auch deutlich lesbar das Wort "Gebührenbescheid" anzubringen und textlich klarzustellen, daß eine Gebühr auf der Grundlage einer namentlich genannten Gebührensatzung erhoben wird.

Az.: II/2 24-21

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