Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 299/2001 vom 05.05.2001

OVG NRW: Gebühren keine Erblasserschulden

Das OVG NRW hat mit Beschluß vom 27.02.2001 (9 B 157/01) entschieden, daß Abfallgebühren und Abwassergebühren, die nach dem Tod eines Grundstückseigentümers (sog. Erblasser) entstehen, keine Erblasserschulden i.S.v. § 1967 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind, sondern Eigenverbindlichkeiten der Erben darstellen, wenn Erben der Erbengemeinschaft auf dem Grundstück wohnen und die Abfall- und Abwasserentsorgungseinrichtung der Gemeinde in Anspruch nehmen.

Dem Beschluß lag im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Die Antragstellerin in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtschutzes war Miterbin eines 1995 verstorbenen Erblassers. Zum Nachlass gehörte ein Grundstück, das von den weiteren Miterben nach dem Tod des Erblassers bewohnt wurde. Für die Jahre 1997 bis 1999 zog die Gemeinde (Antragsgegnerin) den Miterben "für die Erbengemeinschaft" zu Abfallgebühren und Abwassergebühren heran. Weil dieser keine Zahlungen leistete, erließ die Gemeinde gegenüber der Miterbin (Antragstellerin) ein Leistungsgebot und kündigte nach Eröffnung des Nachlasskonkurses die Vollstreckung in das private Vermögen der Miterbin (Antragstellerin) an. Mit der beantragten einstweiligen Anordnung wollte die Miterbin (Antragstellerin) der Gemeinde die Vollstreckung in ihr persönliches Vermögen bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem anhängig gemachten Klageverfahren untersagen lassen. Zur Begründung berief sie sich auf die beschränkte Erbenhaftung nach § 1975 BGB oder § 2059 BGB.

Das OVG NRW hat hierzu entschieden, daß Abfall- und Abwassergebühren aus den Jahren 1997 bis 1999 keine "Schulden des im Jahr 1995 verstorbenen Grundstückseigentümers (Erblassers)" sind. Daher könnten sich die Erben auch im Fall der Vollstreckung von Gebühren nicht auf die "Erben-Einreden" nach den §§ 1975 oder 2059 BGB berufen. Grundbesitzabgaben wie Abfallgebühren und Abwassergebühren sind nach dem Tod eines Grundstückseigentümers als Erblasser - so das OVG NRW - keine vom Erblasser herrührenden Schulden i.S.v. § 1967 BGB, sondern Eigenverbindlichkeit der Erben als Eigentümer des Grundstücks. Der Charakter der Schulden als Eigenschulden der Erben erschließt sich nach dem OVG NRW daraus, daß es hier nicht um Verpflichtungen aus rechtsgeschäftlichem Handeln der Erben zwecks Verwaltung des Nachlasses des verstorbenen Grundstückseigentümers (Erblassers) geht, bei dem möglicherweise durch ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung der Erben gegenüber einem Vertragspartner die Haftung auf die Erbmasse beschränkt werden kann, sondern das Gebührenschuldnerverhältnis sei ein durch Rechtsvorschrift (Rechtssatz, Gebührensatzung) definiertes öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis ist. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, Abs. 4 KAG NRW i.V.m. § 38 Abgabenordnung entstehen Ansprüche aus dem Abgaben- bzw. Gebührenschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz (Satzung) die Leistungspflicht knüpft. Nach den einschlägigen Satzungen der Gemeinde (Antragsgegnerin) werden - so das OVG NRW - Gebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abfallentsorgung bzw. der öffentlichen Abwasserentsorgung der Gemeinde erhoben, und zwar von den jeweiligen Eigentümern eines im Gemeindegebiet liegenden Grundstücks, für die in den einschlägigen Satzungen jeweils Anschluß- und Benutzungszwang angeordnet ist. Für die Frage der Eigentümerstellung in der jeweiligen Gebührenperiode kommt es nicht auf den Erwerbsgrund bezüglich des Grundstückes (Kauf, Tausch, Schenkung, Vererbung) und auch nicht darauf an, ob Alleineigentum, Miteigentum zu Bruchteilen oder Miteigentum zur gesamten Hand vorliegt. Vielmehr haften alle Eigentümer als Gesamtschuldner.

Die Inanspruchnahme solcher öffentlichen Einrichtungen (Abfall, Abwasser) setzt auf Seiten des Benutzers auch kein rechtsgeschäftliches Handeln voraus, sondern - nach der ständigen Rechtsprechung des OVG NRW - ein tatsächliches, zur Verwirklichung des satzungsrechtlichen Gebührentatbestandes führendes Verhalten und zusätzlich ein Element der "Willentlichkeit" (vgl. OVG NRW, Urt. vom 25.05.1990 - 9 A 992/88 -, OVG NRW, Urt. v. 25.08.1995 - 9 A 3888/93 -; OVG NRW, Urt. v. 07.10.1996 - 9 A 4145/94).

Diese Voraussetzungen lagen im entschiedenen Einzelfall nach dem OVG NRW bezüglich des Grundstückes vor, welches von Miterben zu Wohnzwecken genutzt worden war. Die Miterben und heutigen Eigentümer wußten spätestens bei Annahme der Erbschaft im Jahr 1995, daß es sich um ein Wohngrundstück handelt, auf dem wegen seiner Nutzung zu Wohnzwecken Abfall zur Verwertung oder zur Beseitigung aus privaten Haushaltungen anfallen kann, und daß dieses Grundstück an die öffentliche Abfallentsorgung bzw. Abwasserentsorgung im Stadtgebiet angeschlossen ist. Vor diesem Hintergrund konnten sich – so das OVG NRW - die Miterben des im Jahr 1995 verstorbenen Grundstückseigentümers (Erblassers) nicht gegen die Heranziehung zu Abfall- und Abwassergebühren für die Erhebungszeiträume 1997 bis 1999 wehren, weil ein weiterer Miterbe des Grundstückseigentümers (Erblassers) das Grundstück bewohnte, welches zur Erbmasse gehörte. Mit der beantragten einstweiligen Anordnung der Miterbin, die Vollstreckung und ihr persönliches Vermögen zu untersagen, konnten die Miterben damit nicht durchdringen, weil die beschränkte Erbenhaftung nach § 1975 oder 2059 BGB nicht eingriff, weil die Abwassergebühren und Abfallgebühren keine Nachlaßverbindlichkeiten, d.h. Verbindlichkeiten des Erblassers waren, sondern nach seinem Tod entstanden waren, weil das Grundstück weiterhin zu Wohnzwecken genutzt wurde und daher keine Nachlaßerbenschulden vorlagen, sondern Eigenschulden der Miterben.

Das OVG NRW weist weiterhin darauf hin, daß entgegen der Ansicht der Antragstellerin (Miterbin) die Gebührenforderung ihr gegenüber auch festgesetzt worden sei. Denn die Bescheide für die Jahre 1997, 1998 und 1999 seien auf ihren ausdrücklichen Wunsch an den Miteigentümer gerichtet und diesem zugesandt worden. Dieses sei nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 b KAG NRW i.V.m. § 155 Abgabenordnung zulässig. Danach könnten, wenn mehrere Gebührenpflichtige eine Gebühr als Gesamtschuldner schulden, gegen diese zusammengefasste Gebührenbescheide ergehen. Dass hier für die Jahre 1997, 1998 und 1999 jeweils zusammengefaßte Gebührenbescheide an die beiden Miterben der Erbengemeinschaft erlassen worden seien, ergebe sich aus der Adressierung der Bescheide an "Herrn M. für die Erbengemeinschaft K." und dem weiteren Vermerk unter der Grundstücksbezeichnung P-Weg 43: "Wenn mehrere Personen Eigentümer des Grundbesitzes sind, ergeht dieser Bescheid an Sie als Miteigentümer mit Wirkung für und gegen alle anderen Miteigentümer". Die Bekanntgabe eines solchen zusammengefaßten Abgabenbescheides an einen beteiligten Miterben zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte (hier gegenüber der Antragstellerin als weiterem Mitglied der Erbengemeinschaft) ist nach dem OVG NRW gemäß § 155 Abs. 4 Abgabenordnung zulässig, soweit - wie hier - die andere Beteiligte einverstanden ist. Gegenüber der Antragstellerin sei darüber hinaus in Gestalt eines Leistungsbescheides ein ausdrückliches Leistungsgebot ergangen, in dem die Antragstellerin (als Miterbin) unter Hinweis auf ihre gesamtschuldnerische Haftung (§ 44 Abgabenordnung) und unter Fristsetzung persönlich zur Zahlung der bereits festgesetzten, noch rückständigen Abgaben für die Jahre 1997 bis 1999 aufgefordert worden sei.

Az.: II/2 33-10

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