Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 448/2012 vom 21.08.2012

OVG Niedersachsen zur planungsrechtlichen Zulässigkeit von Windenergieanlagen

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Niedersachsen hat mit Beschluss vom 20.07.2012 (12 ME 75/12) zur planungsrechtlichen Zulässigkeit von Windenergieanlagen Stellung genommen. Dem Beschluss zufolge muss intensiv geprüft werden, ob von einer geplanten Windkraftanlage eine optisch bedrängende Wirkung auf die vorhandene Wohnbebauung ausgeht, wenn der Abstand zwischen bestehender Wohnbebauung und geplanter Windkraftanlage weniger als das Dreifache der Gesamthöhe der Anlage beträgt.

Ob das Gebot der Rücksichtnahme verletzt ist, lässt sich nach Auffassung des OVG Niedersachsen nicht nach allgemeingültigem Maßstäben beurteilen, sondern hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen.

Im zugrunde liegenden Sachverhalt erteilte die Behörde einem Investor die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine Windkraftanlage mit einer Nabenhöhe von 134,95 Meter, einem Rotordurchmesser von 127 Meter, einer Gesamthöhe von 198,45 Meter und einer Nennleistung von 7 500 kW. Der Standort der geplanten Windkraftanlage liegt innerhalb einer im Regionalen Raumordnungsprogramm ausgewiesenen Vorrangfläche und rund 530 Meter von einem Wohnhaus entfernt. Die in Richtung der geplanten Windkraftanlage gelegenen Räume des Wohnhauses im Erdgeschoss werden als Küche und Hauswirtschaftsraum, die im Obergeschoss als Schlafzimmer und Abstellraum genutzt. Die Eigentümer und Bewohner des Hauses haben die Genehmigung wegen optischer Bedrängung angegriffen.

Das OVG Niedersachsen hat jedoch den Antrag zurückgewiesen. Nach Auffassung des Gerichts sind vorliegend weder nachbarschützende Vorschriften noch das Rücksichtnahmegebot verletzt. Ob das Gebot der Rücksichtnahme verletzt sei, lasse sich nicht nach allgemeingültigen Maßstäben beurteilen, sondern hänge von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab.

Wenn, wie vorliegend, der Abstand zwischen Wohnbebauung und Windkraftanlage weniger als das Dreifache der Gesamthöhe der Anlage betrage, sei es geboten, intensiv zu prüfen, ob von der geplanten Windkraftanlage eine optisch bedrängende Wirkung auf das Wohnhaus ausgehe. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen sei, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekomme, umso mehr könne er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer allerdings die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen seien, umso weniger brauche derjenige, der das Vorhaben verwirklichen wolle, Rücksicht zu nehmen.

Mithin kam es vorliegend drauf an, dass die in Richtung der geplanten Anlage gelegenen Räume des Wohnhauses, die unter anderem als Küche und Schlafzimmer genutzt werden, nicht in gleicher Weise schutzbedürftig seien wie die zur anderen Seite des Hauses gelegenen Wohn- und Aufenthaltsbereiche. Es liege auf der Hand, dass die optische Wirkung der Anlage selbst und der Drehbewegung ihres Rotors regelmäßig an den Orten wahrgenommen wird, die tagsüber dem Aufenthalt und der Erholung dienen, wie dies etwa bei einem Wohnzimmer der Fall sei.

Anmerkung:

Die Entscheidung des OVG Niedersachsen liegt auf der Linie der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG). Die Faustformel vom Mindestabstand der dreifachen Gesamthöhe kann demnach insbesondere dann relativiert sein, wenn schutzbedürftige Räume auf der abgewandten Hausseite angeordnet sind. Insofern ist durch die Genehmigungsbehörden eine Einzelfallprüfung vorzunehmen.

 

Az.: II gr-ko

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