Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 441/2020 vom 03.06.2020

OVG Niedersachsen: Lärmgrenzen sind nur Orientierungswerte

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Niedersachsen hat mit Beschluss vom 21.02.2020 (Az.: 1 MN 147/19) entschieden, dass Lärmrichtwerte und Lärmgrenzen nur Orientierungswerte sind. Im Einzelnen:

  1. Auch in einer erheblich mit Lärm vorbelasteten Umgebung ist die Ausweisung von Wohn- und urbanen Gebieten möglich, wenn dafür gewichtige städtebauliche Gründe vorliegen und jedenfalls im Gebäudeinneren zumutbare Lärmwerte erreicht werden. Das gilt auch, wenn die Außenlärmpegel teilweise die Gesundheitsgefährdungsschwelle überschreiten.

  2. Dass auch im Inneren des Baugebiets der Außenlärm die Lärmrichtwerte der DIN 18005 nachts überscheitet und dass ein Schlafen bei gekippten Fenstern trotz baulichem Schallschutz, der die Unterschreitung der Gesundheitsgefährdungsgrenze sichert, z. T. nicht möglich ist, schließt nicht in jedem Fall die Abwägungsgerechtigkeit der Planung aus.

  3. Die Unterteilung einer zusammenhängenden Fläche in Gebiete mit gleichem Baugebietstyp, aber verschiedenen Bezeichnungen (zum Beispiel MU 1, MU 2) und ggf. unterschiedlichen Detailfestsetzungen steht der Annahme nur eines Baugebiets nicht entgegen (Argument aus § 1 Abs. 4 Satz 1 BauNVO).

Sachverhalt

Die Gemeinde überplante mit einem Bebauungsplan eine Gewerbebrache. Der Brache gegenüber liegt das Grundstück des Eigentümers (E), auf dem Büros, ein Bowling-Center, ein Catering-Service und eine Diskothek betrieben werden. In der Nähe befinden sich weitere Gewerbebetriebe und eine Moschee. Der Bebauungsplan setzt neben Verkehrsflächen ca. 2/3 der Fläche als allgemeine Wohn- und urbane Gebiete fest. Die urbanen Gebiete umschließen die allgemeinen Wohngebiete hufeisenförmig von Süden, Osten und Westen.

Das letzte Drittel der Flächen wird als Gewerbegebiet ausgewiesen. Es gibt fünf urbane und drei allgemeine Wohngebiete, die verschiedene Festsetzungen sowie detaillierte Festsetzungen zum Lärmschutz aufweisen. In einzelnen Wohnungen ist ein Schlafen mit gekippten Fenstern wegen des sich aus der Umgebungsnutzung und dem Verkehr ergebenden Lärms ohne Gesundheitsgefahren nicht möglich.

E wendet sich gegen den Bebauungsplan. Die Ermittlung der Lärmbelastung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die extreme Untergliederung des Gebiets führe zur Zerfaserung und sei unzulässig.

Entscheidung

Das OVG weist den Antrag auf einstweilige Anordnung ab. Der Normenkontrollantrag werde mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben. Die Lärmbelastung des überplanten Gebiets sei korrekt ermittelt worden. E habe zwar nicht verkannt, dass die für die Lärmbelastung in der Bebauungsplanung maßgeblichen Orientierungswerte überschritten würden. Dies sei aber zulässig, wenn es im Rahmen der Abwägung höher zu wertende Belange gebe, die die Planung rechtfertigen würden. Dies gelte auch, wenn die Lärmbelastung teilweise die Grenze zur Gesundheitsgefährdung überschreite. Solche Belange seien hier die Wohnungsmarktsituation, die den Bau zentrennaher Wohnungen erfordere, und auch der Grundsatz des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden.

Auch die Untergliederung des Baugebiets sei durch die Abwägung gerechtfertigt. Das untergliederte urbane Gebiet weise in seiner Gesamtheit auch eine Nutzung eines urbanen Gebiets auf.

Praxishinweis

Der ausführlich begründete Beschluss erlaubt die Planung von Wohnungen im inneren Bereich von Städten und Gemeinden bei entsprechend umfangreichen Immissionsermittlungen, einer genauen Festsetzung von Lärmschutzmaßnahmen und guter Begründung in weitem Umfang. Insoweit erleichtert die Entscheidung die Konversion von Gewerbeflächen.

Az.: 20.1.6.2-004/001 jae

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