Mitteilungen - Wirtschaft und Verkehr

StGB NRW-Mitteilung 90/2009 vom 19.01.2009

OVG Münster zur Übertragung der Straßenreinigung in Stichwegen

Das OVG Münster hat mit Urteil vom 11.12.2008 eine Entscheidung des VG Minden bestätigt, wonach die Übertragungsregelung der alten Mustersatzung in Stichwegen nicht hinreichend bestimmt war. In der Satzung der beklagten Stadt, die mit dem Wortlaut der alten Mustersatzung des StGB übereinstimmte, hieß es bezüglich der Übertragung der Fahrbahnreinigung: „Sind die Grundstückseigentümer beider Straßenseiten reinigungspflichtig, so erstreckt sich die Reinigungsverpflichtung jeweils nur bis zur Fahrbahnmitte.“

Die Rechtsprechung kommt zu dem Ergebnis, dass die Satzungsregelung mangels rechtsstaatlich erforderlicher Bestimmtheit nichtig sei. Die Regelung sei für die Fallgestaltungen unvollständig, in denen es um geschlossene Straßenzüge gehe. Dies betreffe etwa Stichstraßen oder Sackgassen, sei es, dass sie vor Kopf enden, d.h. die gleiche Straßenbreite auf der gesamten Länge haben, sei es, dass an ihrem Ende ein Wendehammer errichtet ist. In diesen Fällen gebe es mehr als zwei Straßenseiten.

Nichts andere gelte, wenn man eine Nichtübertragung auf die Kopfanlieger annehmen würde. Dann liege ein zur Unwirksamkeit der Satzungsregelung führender Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vor. Sei in den Fällen einfacher Stichstraßen oder Sackgassen der Vor-Kopf-Anlieger trotz Angrenzens seines Grundstücks an den Straßenkörper von der Reinigungspflicht freigestellt, so sei ein einleuchtender Grund für die Ungleichbehandlung nicht erkennbar. Ein solcher ergebe sich insbesondere nicht aus Praktikabilitätsgesichtspunkten. Der Kommune sei zwar einzuräumen, dass eine derartige Fallgestaltung zu gewissen Abwicklungsschwierigkeiten führen könne. Allerdings sei insoweit zu berücksichtigen, dass der Vor-Kopf-Anlieger bei fehlender Übertragung der Reinigungspflicht zur Zahlung von Straßenreinigungsgebühren verpflichtet wäre. Umso mehr bedürfe es eines stichhaltigen Grundes, um ihn bei der Übertragung der Reinigungspflicht auf die Grundstückseigentümer von der Reinigungspflicht auszunehmen. Eine mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz in Einklang zu bringende Satzungsgestaltung vorzunehmen, sei Sache des Ortsgesetzgebers.

Bei der Neufassung der Mustersatzung Straßenreinigung 2006 wurde die oben beschriebene Rechtsprechung – jedenfalls in Bezug auf die damals ausschließlich diskutierte Bestimmtheit – berücksichtigt: Danach erstreckt sich die Fahrbahnreinigungspflicht „jeweils bis zur Straßenmitte“. Sie bietet damit eine geeignete Grund- bzw. Ausgangslage für Satzungsregelungen in den Städten und Gemeinden. Für die Endbereiche von sog. geschlossenen Straßenzügen stehen den Ortsgesetzgebern je nach örtlicher Situation Regelungs- bzw. Lösungsansätze, die mit unterschiedlichen rechtlichen Risiken behaftet sind, zur Verfügung, die im Folgenden kurz skizziert werden:

Ein pragmatischer und mit geringen rechtlichen Risiken behafteter Ansatz geht dahin, von der Übertragung der Winterdienstpflichten in Sackgassen im Regelfall abzusehen. Die Rechtslage in geschlossenen Straßenzügen würde sich sodann wie folgt darstellen:

Eine Winterdienstpflicht/Verkehrssicherungspflicht besteht nach dem sog. „Grundgesetz der innerörtlichen Streupflicht“ (BGH, Urt. v. 05.07.1990, III ZR 217/89) lediglich auf gefährlichen und verkehrswichtigen Stellen der Fahrbahn. Beide Voraussetzungen müssen zusammen vorliegen. Eine Verkehrswichtigkeit von Straßen liegt – ohne an dieser Stelle alle Einzelheiten zu diskutieren – jedenfalls dann nicht vor, wenn einer Verkehrsanlage lediglich Erschließungsfunktion zukommt. Dies ist in geschlossenen Straßenzügen mangels Durchfahrtsmöglichkeit per se der Fall.

Diese für den Kraftfahrzeugverkehr entwickelten Grundsätze gelten hinsichtlich der Fahrbahn (also auch in Sackgassen ohne Gehweg) ähnlich, wenn auch abgeschwächt für den Fußgängerverkehr. Man kann die von der Rechtsprechung zum Schutz des Fahrverkehrs entwickelten Überlegungen sinngemäß heranziehen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.07.1995, 18 U 6/95). Hinsichtlich der Gehwege, also der Bürgersteige, gelten demgegenüber erhöhte Anforderungen. Hier entspricht es der Rechtsprechung wie auch üblicherweise dem Bedürfnis der Kommunen, grundsätzlich alle Gehwege einem Winterdienst zu unterziehen. Grundsätzlich müssen Fußgänger innerhalb geschlossener Ortslagen weitgehend gefahrlos zu Fuß jede Wohnung erreichen können.

Diesem Bedürfnis trägt die Mustersatzung Straßenreinigung 2006 dadurch Rechnung, dass auf ihrer Grundlage Sommerreinigung und Winterdienst hinsichtlich der Gehwege jedenfalls in den Wohnstraßen auf die Anlieger übertragen sind.

Eine weitere Lösungsmöglichkeit besteht darin, von einer Übertragungsregelung abzusehen und den Winterdienst in Sackgassen durch den städtischen Betrieb vornehmen zu lassen. Eine Refinanzierung durch (differenzierte) Winterdienstgebühren zu Lasten der Anlieger erscheint sodann aus Sicht der Geschäftsstelle zwingend. Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Letztlich fokussiert sich die Rechtsproblematik in den geschlossenen Straßenzügen auf folgende Fragestellung: Ist eine Satzungsregelung hinsichtlich sich überschneidender Flächen erforderlich (a) und welche hinreichend bestimmte und gleichzeitig praxistaugliche Satzungsregelungen sind denkbar (b).

(a) Wenn in einem geschlossenen Straßenzug die Reinigung übertragen wird, so sind Flächen denkbar, an die mindestens zwei erschlossene Grundstücke angrenzen. Dann können für eine Fläche zwei Reinigungspflichtige in Betracht kommen. Hinsichtlich der Verkehrssicherungspflicht sieht die Rechtsordnung vor, dass mehrere Verkehrssicherungspflichtige als Gesamtschuldner haften. Trifft den einzelnen Angrenzer also zulässigerweise die Pflicht, ändert es nichts, wenn auch ein anderer zur gleichen Tätigkeit verpflichtet wird. Diese Fälle sind aus dem Gefahrenabwehrrecht bekannt. Durch dieses Offenlassen haben die Bürger die Möglichkeit, hinsichtlich der Reinigung dieser Flächen situationsgerechte individuelle Lösungen zu finden und miteinander zu vereinbaren. Dies kann als milderes Mittel im Vergleich zu einer ansonsten erforderlichen Durchregulierung per Satzung angesehen werden. Angesichts der bisherigen Rechtsprechung zum Bestimmtheitserfordernis begegnet diese Lösung starken rechtlichen Bedenken.

(b) Soweit die Regelung der Reinigungsorganisation durch die Anlieger im Wege einer Satzungsbestimmung erforderlich erscheint, kommt zum einen eine Regelung nach dem Vorrangprinzip in Betracht. Die sich überschneidenden Flächen könnten dem bzw. den an das Kopfende angrenzenden Grundstückseigentümern übertragen werden. Die Seitenanlieger an dieser Fläche würden sodann im Hinblick hierauf privilegiert. Dies erscheint unter Gleichbehandlungsgrundsätzen akzeptabel, weil in aller Regel die Kopfstücke schmaler sind als die Längsseiten einer Sackgasse, für die Seitenanlieger also noch genügend Reinigungsfläche übrig bliebe. Wenn auch hinsichtlich dieser Lösung noch Zweifel bestehen, so bleibt allein die konkrete Handlungsanweisung. Es muss sodann in der Satzung ein Modus gefunden werden, der die Zeiträume, die Reihenfolge der pflichtigen Anlieger sowie den Beginn des Reinigungsturnus etwa derart regelt, dass sich überschneidende Flächen (kalender-) monatsweise wechselnd im Uhrzeigersinn, beginnend mit Inkrafttreten der Reinigungssatzung und niedrigster Hausnummer gereinigt werden müssen. Je nach örtlicher Situation sind hier hinreichend bestimmte Regelungen zu treffen.

Nach Einschätzung der Geschäftsstelle bringen alle zusätzlichen Lösungsansätze erhebliche Nachteile für den Bürger und einen inakzeptablen Mehraufwand für kommunale Verwaltungen und Betriebe mit sich. Es ist zu befürchten, dass die Städte und Gemeinden, die auf die Übertragung der Reinigungspflicht gerade auf Gehwegen nicht verzichten können, möglicherweise in unnötige Gerichtsverfahren getrieben werden.

Az.: III/1 642-33/4

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