Mitteilungen - Wirtschaft und Verkehr

StGB NRW-Mitteilung 385/1998 vom 20.07.1998

OVG Magdeburg zur ÖPNV-Finanzierung

Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat am 7. April 1998 verkündet, daß Zuschüsse und Subventionen der öffentlichen Hand nur noch zulässig seien, wenn sie auf der Auferlegung oder Vereinbarung eines Verkehrsdienstes zur Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung beruhen. Verlustübernahmen oder Deckungszusagen von Gesellschaftern seien nicht als sonstige Erträge im handelsrechtlichen Sinne angesichts der Zielsetzungen des EG-Vertrages verstehen. Die bisher einmalige Entscheidung eines Oberverwaltungsgerichtes könnte, hätte sie Bestand, weitreichende Konsequenzen für die bislang gängige Finanzierungspraxis des ÖPNV in Deutschland nach sich ziehen.

Die dem Urteil zugrundeliegende Klage richtet sich gegen Genehmigungen, die zugunsten eines Busunternehmens erteilt wurden. Stattdessen wollte die Klägerin erwirken, die Genehmigungen für den Busbetrieb selbst erteilt zu bekommen. Wesentliche Begründung der Klage war, daß das Busunternehmen, dem die Genehmigungen erteilt worden sind, nicht leistungsfähig sei, weil es die Kosten des laufenden Betriebes nicht decken könne und keinen Rechtsanspruch auf Zuschüsse Dritter habe. Schließlich läge der eigene Zuschußbedarf unter dem des Bus-Unternehmens, welches die Genehmigungen erteilt bekommen hat.

Beklagter ist die Genehmigungsbehörde, welche den Widerspruch der Klägerin abwies. Schon hiergegen erhob das öffentliche Verkehrsunternehmen Klage. Diese Klage hat das Verwaltungsgericht im März 1997 abgewiesen. Zu seinen Entscheidungsgründen damals gehörte, daß die zu erwartenden Defizite aus dem laufenden Betrieb des Genehmigungsinhabers durch den Landkreis als Aufgabenträger ausgeglichen wurden. Daraufhin hat das kommunale Verkehrsunternehmen Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg mit dem Ziel eingelegt, sowohl die Widerspruchsbescheide der Genehmigungsbehörde als auch die Genehmigungen aufzuheben und die Genehmigungsbehörde zu verpflichten, die Genehmigungen dem kommunalen Unternehmen für acht Jahre zu erteilen.

Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat entschieden, daß zwar die Widerspruchsbescheide der Genehmigungsbehörde aufzuheben sind, eine Verpflichtung zur Erteilung von Genehmigungen an die Klägerin jedoch zu Recht nicht ausgesprochen wurde. Insoweit wurde die Berufung zurückgewiesen. Eine Revision gegen dieses Urteil ist beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

Die Entscheidungsgründe offenbaren, daß das Oberverwaltungsgericht von einer unmittelbaren und ausnahmslosen Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 1893/91 in Deutschland seit dem 1. Januar 1996 ausgeht. Bis zum 31. Dezember 1995 hat eine Verordnung des Bundesministeriums für Verkehr gegolten, mit welcher Unternehmen vom Anwendungsbereich der o. g. Verordnung ausgenommen wurden, die ausschließlich auf den Betrieb von Stadt-, vor Ort- und Regionalverkehrsdiensten beschränkt sind (Verordnung zur Festlegung des Anwendungsbereiches der Verordnung [EWG] Nr. 1191/69 i.d.F. der Verordnung [EWG] Nr. 1893/91). Daraus sei zu schließen, daß alle Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes im Sinne der Verordnung, insbesondere die Betriebspflicht, die Beförderungspflicht und die Tarifpflicht mit den Verkehrsunternehmen vereinbart oder ihnen auferlegt werden müßte. Da der Aufgabenträger die Bedienung der Linien jedoch weder vertraglich vereinbart noch durch Verwaltungsakt auferlegt habe, dürfe eine finanzielle Unterstützung seit dem 1. Januar 1996 nicht mehr durchgeführt werden. Die Eigenwirtschaftlichkeit des Verkehrs sei also nicht mehr gegeben und auch eine Verlustübernahme des Aufgabenträgers stelle die Eigenwirtschaftlichkeit nicht her.

Da der Sinn der Richtlinie 1191/69 die Einführung von mehr Wettbewerb sei, könne offenbleiben, ob die geleisteten Zuwendungen des Aufgabenträgers an die Verkehrsunternehmen nach deutschem Recht sonstige Erträge im handelsrechtlichen Sinne seien oder nicht. Der Begriff der "sonstigen Erträge" im handelsrechtlichen Sinne sei mit Hinblick auf die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft, alle Maßnahmen zu unterlassen, die die Verwirklichung der Ziele des EG-Vertrages gefährden könnten, einschränkend und restriktiv zu interpretieren.

Dies gelte für Verlustübernahmen privater Unternehmen ebenso wie für Gesellschafteraktivitäten bei öffentlichen Unternehmen (z. B. Deckungszusage der Gesellschafter).

Es habe deshalb vor Erteilung der Genehmigung bzw. vor Verlängerung der Genehmigungen eine Ausschreibung entsprechend der Verdingungsordnung für Leistungen stattfinden müssen.

Das OVG Magdeburg führt jedoch abschließend auch aus, daß sich neben der Klägerin auch der beigeladene Genehmigungsinhaber an einem noch durchzuführenden Vergabeverfahren beteiligen könnten. Dabei bestehe auch die Möglichkeit, durch Zuwendungen des Gesellschafters die Eigenwirtschaftlichkeit des Unternehmens herzustellen.

Az.: III/1 441-50

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