Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 108/2015 vom 14.01.2015

OVG Lüneburg zur Verschärfung der Abwasserreinigung

Das OVG Lüneburg hat mit Urteil vom 20.11.2014 (Az. 13 LC 140/13) entschieden, dass Einleitungswerte in einer erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis bezogen auf eine Kläranlage auch nachträglich über den Stand der Technik hinaus verschärft werden können. Rechtsgrundlage hierfür könne § 13 WHG (nachträgliche Verschärfung von erteilten Erlaubnissen) sein, der durch § 57 WHG (Einleiten von Abwasser in Gewässer) nicht gesperrt wird.

Zwar regelt § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG grundsätzlich die Anforderungen für die Erteilung einer Einleitungserlaubnis bezogen auf den Ablaufstrom der Kläranlage. Nach dem OVG Lüneburg wird in § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG die Gewässerbelastung aus dem Blickwinkel der Kläranlage (Ablaufstrom) betrachtet (emissionsbezogene Betrachtungsweise). Diese Betrachtungsweise wird in § 57 Abs. 1 Nr. 2 WHG um den Blickwinkel aus der Sicht des Gewässers (immissionsbezogene Betrachtungsweise) ergänzt, in dem dort die Vereinbarkeit der Einleitung mit den Anforderungen an die Gewässereigenschaften zur Voraussetzung einer Erlaubnis gemacht werden.

Um diese komplexe Gemengelage von unterschiedlichen wasserwirtschaftlichen Bewirtschaftungs-Gesichtspunkten im praktischen Vollzug handhabbar zur machen, wird in aller Regel   - so das OVG Lüneburg - auf Bewirtschaftungsvorgaben des Wasserhaushaltsgesetzes abzustellen sein, d. h. auf Bewirtschaftungspläne im Sinne des § 83 WHG — ggf. ergänzt durch detaillierte Programme und Bewirtschaftungspläne für Teileinzugsbereiche, für bestimmte Sektoren und Gesichtspunkte der Gewässerbewirtschaftung sowie für bestimmte Gewässertypen — und auch die zur Ausführung dieser Bewirtschaftungspläne bezogenen Maßnahmenpläne nach § 82 WHG.

Wegen der in § 57 Abs. 1 Nr. 2 WHG geregelten Bezugnahme auf die Anforderungen an die Gewässereigenschaften und  die sonstigen rechtlichen Anforderungen können nach dem OVG Lüneburg bei einer anderenfalls nicht tragbaren Verschlechterung der Gewässergüte schärfere Überwachungswerte als die dem Stand der Technik entsprechenden Anforderungen angeordnet werden. Dieses gilt selbst dann, wenn noch keine entsprechenden Festlegungen in einem Bewirtschaftungsplan aufgestellt worden seien. Strengere Voraussetzungen könnten etwa im Einzelfall im Hinblick auf die Nutzungserfordernisse und die besondere Schutzbedürftigkeit eines Gewässers, z. B. für die Trinkwasserversorgung oder die Erholung der Bevölkerung (Baden, Fischen) und zur Bewahrung der natürlichen Funktionsfähigkeit des Gewässers oder des Natur- und Landschaftsschutzes erforderlich sein.

Unabdingbare Voraussetzung ist nach dem OVG Lüneburg allerdings, dass die Ursachenzusammenhänge zwischen der Einleitung (Ablaufstrom der Kläranlage) und der Gewässerbelastung ermittelt werden, d. h. spezifische Besonderheiten der konkreten Einleitungs- oder Gewässersituation müssten die über den Stand der Technik hinausgehenden Anforderungen rechtfertigen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 08.11.2011 — Az. 3 S 1729/09).

Im zu entscheidenden Fall waren deshalb die Bescheide der zuständigen Wasserbehörde bezogen auf den Ablaufstrom der Kläranlage rechtswidrig, weil sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstießen. Es bestand weder ein Maßnahmenprogramm noch ein Bewirtschaftungsplan, der die Verschärfung der Überwachungswerte mit Blick auf die drei betroffenen Kläranlagen zu rechtfertigen vermochte.

Die Zielbestimmungen des § 27 WHG (u.a. die Erreichung eines guten ökologischen Zustandes für natürliche Gewässer) bedürfen nach dem OVG Lüneburg zunächst der Umsetzung durch Bewirtschaftungsprogramme und Maßnahmenpläne im Sinne der §§ 82 WHG, die den Zustand der Gewässer und die Quellen etwaiger Belastungen insgesamt in den Blick nehmen und auf die einzelnen Gewässer bezogene Ziele definieren. Erst daraus lassen sich nach dem OVG Lüneburg sodann im Rahmen des Bewirtschaftungsermessens konkrete Maßnahmen ableiten. Nur eine derart konzeptionelle Herangehensweise rechtfertigt auf der Grundlage der EU-Wasserrahmenrichtlinie und der Bewirtschaftungsziele des § 27 WHG die Verschärfung der Überwachungswerte über den Stand der Technik hinaus.

Will die zuständige Wasserbehörde an die Einleitung von Abwasser zur Sanierung eines Gewässers über den Stand der Technik hinausgehende Anforderungen stellen, so muss sie nach dem OVG Lüneburg sich zuvor Klarheit über die Ursachen des schlechten Gewässerzustandes verschaffen sowie die zu ergreifenden Maßnahmen und deren Wirkung verschaffen. Nur auf diesem Weg kann von den Maßnahmen-Adressaten ein Handeln verlangt werden, welches sachgerecht und verhältnismäßig ist.

Die zuständige Wasserbehörde hatte hier — so das OVG Lüneburg - an keiner Stelle aufgezeigt, welche konkreten Auswirkungen die Einleitungen der Kläranlagen auf die Einordnung der Gewässergüte der betroffenen Gewässer im Verhältnis zu anderen Faktoren hatten. Der Zuständigkeitsbereich der beklagten Wasserbehörde sei nach deren eigenen Angaben durch Landwirtschaft und große Tierhaltungsbetriebe geprägt, was zu entsprechenden Problemen im Hinblick auf die Wassergüte führe. Auf diese Umstände, welche die Wasserqualität beeinträchtigen, hätte eine Verschärfung der Überwachungswerte der Kläranlagen des Klägers indes keinen Einfluss. Auch eine Änderung der Einstufung durch die verschärften Grenzwerte sei nicht einmal behauptet worden.

Abschließend weist das OVG Lüneburg darauf hin, dass über den Stand der Technik hinausgehende verschärfte Anforderungen nur aus den beschriebenen, konkret zu ermittelnden und zu belegenden wasserwirtschaftlichen Gründen festgelegt werden können (vgl. weitergehend: Hessischer VGH, Urteil vom 26.02.2003 — Az. 5 UE 2304/01).

Liegen derartige Gründe nicht vor, so hat es nach dem OVG Lüneburg mit der Einhaltung der in der Abwasserverordnung des Bundes definierten Standes der Technik sein Bewenden. Eine Fortentwicklung (Dynamisierung) dieser Anforderungen sei Aufgabe des Bundes-Verordnungsgebers, nicht aber der einzelnen Wasserbehörden. Es liege nicht in deren Zuständigkeit, den erforderlichen Anpassungsprozess des Standes der Technik durch die Vorgabe jeweils eigener Werte zu beschleunigen. Eine Ermächtigung der Wasserbehörden, die Überwachungswerte bei langjähriger Unterschreitung anzupassen, sei weder aus dem Wasserhaushaltsgesetz noch aus dem Abwasserabgabengesetz zu entnehmen.

Az.: II/2 24-30 qu-ko

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