Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 412/2013 vom 23.05.2013

OVG Lüneburg zur gewerblichen Abfallsammlung

Das OVG Lüneburg hat mit Urteil vom 21.03.2013 (Az.: 7 LB 56/11 — abrufbar unter www.rechtsprechung.niedersachsen.de) ) erstmalig Abwägungskriterien im Bereich des Verbotes von gewerblichen Abfall-Sammlungen vorgegeben. Dabei ist insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch die zuständige Behörde (in MRW der Kreis) zu beachten. Erst wenn die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nicht anders zu gewährleisten sei, kann — so das OVG Lüneburg -  eine vollständige Untersagung der gewerblichen Sammlungen im Einzelfall verhältnismäßig sein (§ 18 Abs. 5 Satz 2 Kreislaufwirtschaftsgesetz - KrWG). Das OVG Lüneburg gab der Klage eines privaten Entsorgers gegen eine abfallrechtliche Untersagungsverfügung des beklagten Kreises statt. Die Untersagungsverfügung wurde zwar  aus formellen Gründen aufgehoben. Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen. Das OVG Lüneburg stellt allerdings heraus, dass die vollständige Untersagung der gewerblichen Sammlung selbst bei Vorliegen der in § 17 Abs. 3 KrWG genannten Tatbestandsmerkmale unverhältnismäßig sein könnte. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG stehen überwiegende öffentliche Interessen einer gewerblichen Sammlung entgegen, wenn die Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung, auch in Zusammenwirken mit anderen Sammlungen, die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (…) gefährdet. Eine solche Gefährdung ist nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG anzunehmen, wenn die Erfüllung der Entsorgungspflichten des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen verhindert oder dessen Planungssicherheit und Organisations-verantwortung wesentlich beeinträchtigt wird.  

Nach dem OVG Lüneburg muss die angezeigte gewerbliche Sammlung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG nur untersagt werden, wenn eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung sowie die überwiegenden öffentlichen Interessen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (§ 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 KrWG) nicht anders zu gewährleisten sind (gebundene Entscheidung). Aus dem Wortlaut des § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG schließt OVG Lüneburg auf den verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. An diesem Grundsatz muss sich jede behördliche Maßnahme messen lassen. Folglich sei die vollständige Untersagung einer gewerblichen Sammlung als intensivster Grundrechtseingriff und damit als „ultima ratio“ anzusehen. Nach § 18 Abs. 5 S. 1 KrWG sind als mildere Mittel im Ermessen der Behörde Bedingungen, zeitliche Befristungen oder Auflagen für eine gewerbliche Sammlung möglich, soweit dies erforderlich ist, um eine Ausnahme von der Überlassungspflicht an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu rechtfertigen. Das OVG Lüneburg betont, dass eine vollständige Untersagung im Einzelfall erst dann verhältnismäßig sein dürfte, wenn die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nicht mehr anders zu gewährleisten sei. Das OVG Lüneburg stellt ebenso  hohe Anforderungen an die Darlegung durch die zuständige Behörde. Die zuständige Behörde müsse  in jedem Einzelfall sorgfältig darlegen, aus welchen Gründen eine mildere Maßnahme nach § 18 Abs. 5 S. 1 KrWG (als eine Untersagung) zur Erreichung des angestrebten Ziels — Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers — ausscheidet.“ 

Die Geschäftsstelle weist ergänzend auf Folgendes hin: 

Rechtsprechung des OVG NRW liegt noch nicht vor. Nach dem VG Düsseldorf (Beschluss vom 18.12.2012 — Az.: 17 L 1901/12 — abrufbar unter www.nrwe.de) ist grundsätzlich eine zweistufige Prüfung erforderlich, d.h. die zuständige Behörde (in NRW: der Kreis) muss zunächst prüfen, ob eine Zulassung nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG möglich ist. Dieses kann aber entgegen dem OVG Lüneburg  nur dann gelten, wenn keine Gründe für die Untersagung nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 bis Nr. 3 KrWG vorliegen (so zutreffend: VG Köln, Beschluss vom 25.01.2013 — Az.: 13 L 179612 — abrufbar unter www.nrwe.de - ; Queitsch in: Schink/Queitsch/Scholz, LAbfG NRW, Loseblatt-Kommentar, Stand: Mai 2013, § 9 LAbfG NRW Rz. 76ff., 88). So ist etwa nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (kraft Gesetzes) anzunehmen, wenn Abfälle erfasst werden, für die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger oder der von diesem beauftragte Dritte (z.B. ein privates Entsorgungsunternehmen) bereits eine haushaltsnahe getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführt (z.B. Altpapiererfassung mittels einer blauen Altpapiertonne) . Ist damit einer der Tatbestände des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 bis Nr. 3 KrWG erfüllt, so stehen der gewerblichen Sammlung überwiegende öffentliche Interessen entgegen, denn der Bundesgesetzgeber hat diese Tatbestände in § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 bis Nr. 3 KrWG gerade geschaffen, um kraft Gesetzes festzulegen, unter welchen Voraussetzungen überwiegende öffentliche Interessen anzunehmen sind, die einer gewerblichen Sammlung entgegenstehen ( vgl. VG Köln, Beschluss vom 25.01.2013 — Az.: 13 L 179612 — abrufbar unter www.nrwe.de ; Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, S. 521ff., S. 527; Vetter, VBl. BW 2012, S. 201ff., S. 207; Franßen in: Hansmann/Sellner, Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl..2012, S. 1116f.; Frenz AbfallR 2012, S. 168ff. S. 170ff.; Queitsch in: Schink/Frenz/Queitsch, KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012 Rz. 330ff.).

Az.: II/2 31-02 qu/qu

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