Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 664/2020 vom 12.10.2020

OVG Lüneburg zur Beteiligung einer Kommune an einem Unternehmen in privater Rechtsform

Das OVG Lüneburg hat entschieden, dass eine Kommune auch im Falle einer Minderheitsbeteiligung an einem privatrechtlichen Unternehmen in der Lage sein muss, auf grundlegende Entscheidungen des Unternehmens Einfluss auszuüben. Dies ist erforderlich, um dem landesgesetzlich normierten Erfordernis der Sicherung eines angemessenen Einflusses zu genügen.

Sachverhalt

Im Jahr 2015 gründete eine niedersächsische Gemeinde (Antragsteller im Verfahren) mit weiteren Beteiligten für ein Fernwärmeprojekt eine Genossenschaft. Im Rahmen dieses Projekts war auch beabsichtigt, jeden Fernwärmeendverbraucher an ein Glasfaserbreitbandnetz anzuschließen. Der Landkreis (Antragsgegner) verfolgt demgegenüber ein eigenes kreisweites Konzept einer Breitbandversorgung und schloss zu diesem Zweck bereits zu einem früheren Zeitpunkt mit seinen kreisangehörigen Gemeinden, so auch mit dem Antragsteller, Kooperationsvereinbarungen. Der Bürgermeister des Antragstellers war zunächst Aufsichtsratsvorsitzender der Genossenschaft, was über einen Kreditvertrag zwischen dem Antragsteller und der Genossenschaft abgesichert werden sollte. Er wechselte aufgrund eines Beschlusses der Mitgliederversammlung in den zweiköpfigen Vorstand. In der Folge ordnete der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller unter anderem an, dem Bürgermeister die Ausübung der Nebentätigkeit als Vorstandsmitglied zu untersagen und die gesetzlichen Voraussetzungen des § 137 Abs. 1 NKomVG zu erfüllen. Daraufhin beschloss der Rat des Antragstellers dann, die Tätigkeit des Bürgermeisters dessen Hauptamt zuzuordnen. Weiter beschloss der Rat des Antragstellers der Genossenschaft einen Kredit einzuräumen. In dem zugrundeliegenden Kreditvertrag wird dem Antragsteller zugesichert, drei kooptierte und stimmberechtigte Mitglieder in den Aufsichtsrat der Genossenschaft entsenden zu können. Unter Anordnung der sofortigen Vollziehung beanstandete der Antragsgegner den Ratsbeschluss vom 3. Juli 2019, mit der Begründung, dass die Zuordnung der Vorstandstätigkeit zum Hauptamt des Bürgermeisters gegen geltendes Recht verstoße. Die Angemessenheit der Einflussnahmemöglichkeit im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG setzt grundsätzlich voraus, dass die Kommune in der Lage ist, auf die grundlegenden Entscheidungen des Unternehmens entscheidenden Einfluss auszuüben.

Hiergegen hat der Antragsteller Klage erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht, was das Verwaltungsgericht abgelehnt hat. Daraufhin hat der Antragsteller Beschwerde zum OVG Lüneburg eingelegt.

Wesentliche Entscheidungsgründe

In seinem Beschluss kommt das OVG Lüneburg zu dem Ergebnis, dass die Beanstandung durch den Landkreis rechtmäßig ist. Die Zuordnung der Vorstandstätigkeit des Bürgermeisters zu dessen Haupttätigkeit sei rechtswidrig gewesen, da bereits die Aufgabenwahrnehmung der Kommune rechtswidrig sei. Die Kommune verfüge entgegen § 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG nicht über einen gesicherten angemessenen Einfluss. Der Einfluss sei zunächst nicht durch Gesellschaftsvertrag, Satzung oder in anderer Weise gesichert worden. Ein Beschluss der Generalversammlung, der nicht in das Genossenschaftsregister eingetragen worden sei, reiche jedenfalls nicht aus. Erforderlich sei vielmehr die dauerhafte Absicherung des Einflusses.

Soweit eine Kommune lediglich mit einer Minderheit von Anteilen an einem Unternehmen beteiligt sei, werde eine angemessene Einflussmöglichkeit ohne zusätzliche Absicherungen ihres kommunalen Einflusses in der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag - oder in anderer Weise - regelmäßig nicht gegeben sein. Jedenfalls sei insoweit angesichts der erforderlichen demokratischen Legitimation des kommunalen unternehmerischen Handelns und hinsichtlich der Sicherung der Erfüllung des öffentlichen Zwecks des Unternehmens nicht schon allein ausreichend, dass sich die “angemessenen“ Einwirkungsmöglichkeiten am Grad der (Minderheits-)Beteiligung der Kommune an dem Unternehmen orientierten bzw. ihm entsprächen, wenn diese der Kommune nicht erlauben, auf die grundlegenden Entscheidungen des Unternehmens maßgeblichen Einfluss auszuüben. Hätten die privaten Mitanteilseigner in diesem Sinne Einfluss auf diese Entscheidungen, sei die wirtschaftliche Tätigkeit der Kommune zur Erledigung ihrer Angelegenheiten regelmäßig entgegen dem aus dem Demokratieprinzip folgenden Erfordernis nicht hinreichend legitimiert und die Einflussnahmemöglichkeit nicht „angemessen“ im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG.

Im konkreten Fall seien vor allem die nur sehr geringe Beteiligung an den Genossenschaftsanteilen und das Fehlen einer Absicherung des kommunalen Einflusses in der Satzung sowie die Beschreibung des öffentlichen Zwecks in der Satzung als „Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft der Mitglieder durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb“ problematisch.

Anmerkung

Die Entscheidung des OVG Lüneburg macht deutlich, dass Gemeinden bei einer Beteiligung an Unternehmen in privater Rechtsform bei grundlegenden Entscheidungen des Unternehmens maßgeblichen Einfluss ausüben können müssen. Dabei lässt das Gericht offen, wie im Falle einer kommunalen Minderheitsbeteiligung dieser entscheidende Einfluss konkret auszugestalten ist. Allerdings gibt das Gericht einen Hinweis darauf, dass der Einfluss in der Satzung beziehungsweise im Gesellschaftsvertrag erkennbar sein muss. Maßstab für den Grad der Absicherung des Einflusses in der Satzung dürfte etwa sein, dass die Erfüllung des öffentlichen Zwecks des Unternehmens jederzeit sichergestellt werden kann. Auch wenn es sich um eine obergerichtliche Entscheidung aus Niedersachsen handelt, handelt es sich um eine auch in NRW beachtenswerte Entscheidung. Denn die Regelung des § 137 Abs 1 Nr. 6 NKomVG entspricht der Regelung des § 108 Abs. 1 Nr. 6 GO NRW. Danach ist die Gründung oder Beteiligung an einer privatrechtlichen Gesellschaft u.a. nur dann zulässig, wenn die Gemeinde einen angemessenen Einfluss, insbesondere in einem Überwachungsorgan, erhält und dieser durch Gesellschaftsvertrag, Satzung oder in anderer Weise gesichert ist.

Der Beschluss des OVG Lüneburg 08.04.2020 hat das Aktenzeichen 10 ME 61/20 und ist im Internet abrufbar unter: www.rechtsprechung.niedersachsen.de

Az.: 28.1.2-002/003 we

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