Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 17/2013 vom 22.01.2013

OLG Schleswig-Holstein zur Herausgabe örtlicher Stromnetze

Die Schleswig-Holstein Netz AG muss das ihr gehörende Stromversorgungsnetz in der Stadt Heiligenhafen nicht an die neu gegründeten Stadtwerke Heiligenhafen herausgeben. Dies hat der Kartellsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) entschieden. Die Kommunalisierung sei kartellrechtswidrig. Denn bei der Neuausschreibung der Wegenutzungsrechte an öffentlichen Verkehrswegen für Leitungen sei ein Wettbewerb zu veranstalten. Dieser werde verhindert, wenn die Stadt Wegerechte einfach an sich selbst vergebe. Aus kommunaler Sicht würdigt das Urteil das der Gemeinde bei der Konzessionsvergabe zustehende Selbstverwaltungsrecht nur unzureichend und verdeutlicht die Rechtsunsicherheiten, die durch den unklaren Wortlaut des einschlägigen § 46 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) ausgelöst werden.

Sachverhalt

Die Schleswig-Holstein Netz AG ist Eigentümerin und Betreiberin des Stromversorgungsnetzes in der Stadt Heiligenhafen. Sie hatte einen zwanzigjährigen Wegenutzungsvertrag mit der Stadt Heiligenhafen, der es ihr gestattete, Stromversorgungsanlagen auf und unter den öffentlichen Wegen im Stadtgebiet zu betreiben. Als der Vertrag nach zwanzig Jahren auslief, schrieb die Stadt Heiligenhafen die Vergabe der Wegerechte neu aus. Die Schleswig-Holstein Netz AG und ein weiteres Unternehmen gaben Vertragsangebote ab. Die Stadt teilte im Anschluss mit, keinen der Bewerber nehmen zu wollen. Sie beabsichtige vielmehr, eigene Stadtwerke zu gründen und diese das Stromverteilungsnetz betreiben zu lassen. Unter Berufung auf die Vorschrift des § 46 Abs. 2 EnWG und den alten Wegenutzungsvertrag verlangte die Stadt als neues Energieversorgungsunternehmen die Übertragung des Eigentums am örtlichen Stromversorgungsnetz gegen Erstattung des Ertragswerts. Sie meint, dass sie völlig frei darüber habe entscheiden dürfen, welcher Partner fortan für die Energieversorgung zuständig sein solle.

Vergabe von Wegerechten an sich selbst verstößt gegen Kartellrecht

Das OLG hat in seinem Urteil vom 22.11.2012 (Az.: 16 U (Kart) 22/12) dagegen entschieden, dass die Stadt Heiligenhafen keinen Anspruch auf Übertragung des Eigentums am örtlichen Stromversorgungsnetz habe. Die Vergabe der Wegerechte an sich selbst beziehungsweise die neu gegründeten Stadtwerke verstoße gegen die Vorschriften des Kartellrechts und sei deshalb nichtig (§ 46 Abs. 3 EnWG und § 20 GWB).

Seit dem Inkrafttreten des EnWG im Jahr 2005 sei bei der Neuausschreibung der Wegenutzungsrechte an öffentlichen Verkehrswegen für Leitungen ein Wettbewerb zu veranstalten. Die Stadt könne sich nicht „völlig frei und ungehindert“ für einen Selbsteintritt in die Vergabe der Wegerechte entscheiden. Denn dann finde gerade kein Wettbewerb statt. Bei der Auswahlentscheidung müssten in erster Linie das Niveau der erreichten Netzentgelte und die Effizienz des Netzbetreibers maßgeblich sein. Hinzu kämen Qualitätskriterien wie etwa die Umweltverträglichkeit und die Sicherung des störungsfreien Netzbetriebs. Die Stadt Heiligenhafen habe ihre Auswahlentscheidung nicht an diesen Kriterien ausgerichtet. Der Grund für die Vergabe der Wegerechte an eigene Stadtwerke sei allein eine unter dem Stichwort Rekommunalisierung firmierende politische Entscheidung gewesen.

Weitere Klage gegen Schleswig-Holstein Netz AG erfolglos

Auch in einem weiteren Verfahren (Az.: 16 U (Kart) 21/12) wies der Kartellsenat mit Urteil vom 22.11.2012 die Klage gegen die Schleswig-Holstein Netz AG ab. In dem Verfahren ging es um die Übereignung der Stromversorgungsnetze in den 36 Gemeinden der Ämter Sandesneben-Nusse und Berkenthin. Die Gemeinden hatten aus Sicht des OLG ihre Entscheidung über die Neuvergabe der Wegenutzungsrechte in der Gemeinde vorrangig danach ausgerichtet, die wirtschaftliche Situation der Gemeinden zu verbessern, und nicht danach, den effizientesten Netzbetreiber auszuwählen.

Anmerkung

Aus kommunaler Sicht berücksichtigt das Urteil des OLG Schleswig die der Gemeinde im Rahmen der Konzessionsvergabe zustehende Selbstverwaltungsgarantie nur unzureichend. Die Anwendung der für die Konzessionsvergabe einschlägigen Regelungen des § 46 und § 48 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) mit ihrem jetzigen Wortlaut führt insgesamt in der Praxis zu großen Verunsicherungen.

Dies zeigt sich gerade in der uneinheitlichen Rechtsprechung, insbesondere im Hinblick auf die Anwendung des § 1 EnWG bei der konzessionsvergaberechtlichen Auswahlentscheidung der Gemeinden. So hat das Verwaltungsgericht Oldenburg (s. StGB NRW-Mitteilungen 381/2012 und 390/2012) entgegen der Auffassung des OLG Schleswig bestätigt, dass Kommunen im Rahmen der örtlichen Daseinsvorsorge bei der Festlegung der Auswahlkriterien und der Bewertung der Angebote aufgrund der Selbstverwaltungsgarantie ein weiter Gestaltungs-, Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum zukommt, der sowohl kommunalaufsichtsrechtlich als auch gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist.

Um diesen Rechtsunsicherheiten zu begegnen hat sich die kommunale Seite im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) für eine gesetzliche Klarstellung zugunsten der Gemeinden bei ihrer Auswahlentscheidung in § 46 EnWG ausgesprochen (s. StGB NRW-Mitteilung vom 04.12.2012). Der Bundesrat schloss sich dieser Forderung im laufenden Gesetzgebungsverfahren an. Auch er ist der Auffassung, dass die Kommunen im Rahmen der Daseinsvorsorge in Ausübung ihres Rechts auf kommunale Selbstverwaltung auch andere gemeindliche Ziele berücksichtigen können als rein „netzbezogene“ Kriterien.

Az.: II/3 818-00

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