Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 492/2011 vom 20.10.2011

OLG München zur Einstufung eines kommunalen Grundstücksgeschäfts

Das OLG München hat mit Beschluss vom 27.09.2011 (Az.: Verg 15/11) festgestellt, dass ein öffentlicher Bauauftrag im Sinne des § 99 Abs. 3 GWB nur dann vorliegt, wenn die Bauleistung dem öffentlichen Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommt. Dies ist dann nicht der Fall, wenn bei der Veräußerung eines Grundstücks mit Bauverpflichtung zu einem günstigen Preis im Rahmen der Wohnraumförderung für den Erwerber keine weitere Verpflichtung verbunden ist, die dem öffentlichen Auftraggeber einen Zugriff auf das Bauwerk oder dessen Entstehung ermöglicht, oder in denen der öffentliche Auftraggeber von keiner ihn selbst unmittelbar treffenden Aufgabe entlastet wird.

Im zugrunde liegenden Sachverhalt erwarb eine Stadt mit notariellem Vertrag von der Bundesrepublik Deutschland ein ehemaliges Kasernengelände mit einer Gesamtfläche von ca. 15 000 m². Im zugrunde liegenden Kaufvertrag verpflichtete sich die Stadt, nach Maßgabe des Baugesetzbuches (BauGB) eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme durchzuführen. Innerhalb einer Frist von fünf Jahren sollte ein rechtsverbindlicher Bebauungsplan aufgestellt werden. Ferner verpflichtete sich die Stadt, die vertragsgegenständlichen Grundstücksflächen innerhalb von weiteren zwei Jahren zur Finanzierung der städtebaulichen Maßnahmen an einen oder mehrere Erwerber zu verkaufen, die in der Lage sind, die Kaufgrundstücke binnen fünf Jahren nach Eigentumsübergang nach den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme zu bauen und die sich der Stadt gegenüber entsprechend verpflichten.

Im Rahmen des sich anschließenden Auswahlverfahrens forderte eine beteiligte Baugemeinschaft, das weitere Vergabeverfahren zu stoppen. Nach der erfolgten Zuschlagserteilung an einen anderen Bauträger stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag mit dem Ziel, die Unrechtmäßigkeit des Zuschlags für die Vergabe der Grundstücksfläche festzustellen. Bei der Grundstücksvergabe handele es sich um einen öffentlichen Bauauftrag gemäß § 99 Abs. 3 GWB. Es werde bezweifelt, dass die Ausschreibung formell richtig nach den Vorgaben der VOB/A durchgeführt worden sei.

In seiner Beschlussbegründung hat das OLG München ausgeführt, wann vom Vorliegen eines Bauauftrags im Sinne des § 99 Abs. 3 letzte Alternative GWB ausgegangen werden kann („eine dem Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommende Bauleistung durch Dritte gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen“). Der EuGH hat mit Urteil vom 25.03.2010 (Az.: C-451/08) bereits nachfolgende Voraussetzungen für das Vorliegen eines öffentlichen Bauauftrags benannt:

- Es muss ein entgeltlicher Vertrag vorliegen (Leistung / Gegenleistung).

- Die Bauleistung muss ein unmittelbar wirtschaftliches Interesse für den öffentlichen Auftraggeber bedeuten. Ein solches wirtschaftliches Interesse lässt sich immer dann feststellen, wenn

Vorgesehen ist, dass der öffentliche Auftraggeber Eigentümer der Bauleistung oder des Bauwerks wird, die beziehungsweise das Gegenstand der Bauleistung ist.

Vorgesehen ist, dass der öffentliche Auftraggeber über einen Rechtstitel verfügen soll, der ihm die Verfügbarkeit der Bauwerke, die Gegenstand des Auftrags sind, im Hinblick auf ihre öffentliche Zweckbestimmung sicherstellt.

Der öffentliche Auftraggeber wirtschaftliche Vorteile aus der zukünftigen Nutzung oder Veräußerung des Bauwerks ziehen kann.

Der öffentliche Auftraggeber an der Erstellung des Bauwerks finanziell beteiligt ist oder sonstige wirtschaftliche Risiken trägt.

Mithin steht fest, dass allein der Verkauf von bebauten oder unbebauten Grundstücken durch den öffentlichen Auftraggeber kein öffentlicher Bauauftrag ist (vgl. auch BGH vom 22.02.2008, Az.: VZR 56/07). Allein die Tatsache, dass mit dem Verkauf von Grundstücken bestimmte städtebauliche Pläne oder Maßnahmen verfolgt werden, begründet noch keinen öffentlichen Auftrag. Das OLG München hat hieraus geschlussfolgert, dass allein die Durchführung des Konzepts zur städtebaulichen Entwicklung des gegenständlichen Baugebiets nicht dazu führt, dass dies im unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse der Stadt liegt, zumal diese sich insoweit keine einklagbaren Verpflichtungen vorbehalten hatte.

Im zugrunde liegenden Sachverhalt war ferner noch zu prüfen, ob sich die Stadt nicht dadurch an der Erstellung des Bauwerks finanziell beteiligt (s. Alternativen oben), indem sie Teile des Baufeldes zu günstigeren Preisen als dem Verkehrswert an finanziell leistungsschwächere Familien veräußert.

Der Senat hat unterstrichen, dass es einer Kommune grundsätzlich freisteht, in welcher Form sie der Verpflichtung zum sozialen Wohnungsbau „vor Ort“ nachkommt. Entweder entscheidet sie sich selbst zum Bau von Wohnungen für einkommensschwächere Bürger oder sie überträgt diese Aufgabe auf private Dritte. Grundsätzlich müsse festgestellt werden, dass der Verkauf und die Bebauung von Grundstücken sich im freifinanzierten und sozialen Wohnungsbau nur durch eine Beihilfe unterscheide, die in der verbilligten Abgabe von Grundstücken liege. Allein dieser Umstand könne aber nicht zur Anwendung des Vergaberechts führen.

Es wäre ein absurdes Ergebnis, wenn für Grundstücke, welche — abgesehen von der Beihilfe — unter denselben Bedingungen einmal im freifinanzierten und einmal im sozialen Wohnungsbau veräußert werden, einmal das Vergaberecht anwendbar wäre und einmal nicht. Der Senat ist daher der Auffassung, dass jedenfalls in den Fällen, in denen mit der Veräußerung zu einem günstigen Preis für den Erwerber keine weitere Verpflichtung verbunden ist, die dem öffentlichen Auftraggeber einen Zugriff auf das Bauwerk oder dessen Entstehung ermöglicht, oder in denen der öffentliche Auftraggeber von keiner ihn selbst unmittelbar treffenden Aufgabe entlastet wird, keine wirtschaftliche Beteiligung des öffentlichen Auftraggebers vorliegt.

Mithin lag vorliegend kein vergabepflichtiger öffentlicher Bauauftrag im Sinne des § 99 Abs. 3 (letzte Alternative) GWB vor.

 

Az.: II/1 608-16 be-ko

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