Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 15/2013 vom 22.01.2013

OLG Düsseldorf zur Rekommunalisierung von Strom- und Gasnetzen

Das OLG Düsseldorf erlaubt mit seinem Beschluss vom 09. Januar 2013 (Az. VII Verg 26/12), dass eine Kommune zusammen mit einem strategischen Partner aus der Energiebranche eine Netzgesellschaft gründet. Diese Netzgesellschaft darf sich dann um die Strom- und Gaskonzessionen der Kommune bewerben. Eine Voreingenommenheit oder Vorfestlegung unterstellt das Gericht den Kommunen für die folgenden Konzessionsvergaben nicht. Die Ausgangsentscheidung der Vergabekammer Münster (s. StGB NRW-Mitteilung 392/2012 vom 24.07.2012), die zu einem anderen Ergebnis kam, wurde damit aufgehoben. Somit ist der Weg frei für die Übernahme der örtlichen Versorgungsnetze durch acht Kommunen unter dem gemeinsamen Dach der Netzgesellschaft Münsterland.

Acht Städte und Gemeinden im Münsterland planten, die Elektrizitäts- und Gasnetze in ihren Gebieten selbst zu betreiben. Sie gründeten kommunale Netzgesellschaften, die gemeinsam eine interkommunale Netzgesellschaft errichteten. Die Wegenutzungsverträge bei Strom und Gas liefen aus. Um ihre Chancen bei Konzessionsvergaben zu stärken, wollte die interkommunale Netzgesellschaft im Wege einer Minderheitsbeteiligung (49%) einen sog. strategischen Partner aufnehmen, der beim Betrieb der Versorgungsnetze Führungsaufgaben kaufmännischer und technischer Art übernehmen soll. Das Vorhaben machte sie im Oktober 2010 EU-weit bekannt. Während die Kommunen und die Netzgesellschaft auf einer ersten Stufe über den „Einkauf“ einer strategischen Partnerschaft entschieden, haben sie in einer zweiten Stufe die auslaufenden Wegenutzungsverträge ausgeschrieben und vergeben.

Gegen die Entscheidung für den strategischen Partner wehrte sich ein unterlegendes Unternehmen mit einem Nachprüfungsauftrag bei der Vergabekammer Münster. Es zog in Zweifel, dass die anstehende Neuvergabe der Konzessionen für die Leitungsnetze vor diesem Hintergrund noch unvoreingenommen nach den Wettbewerbsregeln erfolgen kann und war damit zumindest bei der Bezirksregierung Münster erfolgreich. Sie untersagte die Erteilung des Zuschlags und hielt die Wiederholung des Vergabeverfahrens für erforderlich.

Vergabe der sog. strategischen Partnerschaft durch kommunale Netzunternehmen ausschreibungspflichtig

Zunächst stellt das OLG Düsseldorf fest, dass die Ausschreibung der sog. Strategischen Partnerschaft (ÖPP) kommunaler Netzgesellschaften einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag darstelle und damit dem Vergaberechtsregime nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unterfalle.

Kommunen durften Suche nach strategischem Partner und Konzessionsvergabe in zwei Stufen vergeben

Dass die beteiligten Kommunen und die Netzgesellschaft sich für eine zweistufige Vergabe entschieden haben, sei nicht zu beanstanden und unterliege der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers. Das OLG weist in dem Zusammenhang darauf hin, dass allerdings auf der zweiten Stufe der Konzessionsvergabe keine sog. Inhouse-Vergabe erfolgen dürfe.

Ausschreibung von nur eventuell benötigten Bedarfsleistungen statthaft

Die Kommunen dürfen eine Ausschreibung der strategischen Partnerschaft davon abhängig machen, dass der Netzgesellschaft im weiteren Vergabeverfahren die Netzkonzession erteilt werde. Die Ausschreibung für die Dienstleistungsbeschaffung bliebe weiterhin selbst unbedingt.

Renditezusagen bei der Ausschreibung nicht zu beanstanden

Zugesagte Renditen als nach § 3 Abs. 2 KAV unzulässige Finanzleistungen seien nur zu berücksichtigen, wenn sie als eine spezifische Gegenleistung für die Einräumung von Wegenutzungsrechten vereinbart oder gewährt werden und dies im Prozess auch festgestellt werden kann. Dies sei im Streitfall zu verneinen.

Beteiligung des strategischen Partners an der Netzgesellschaft keine Vorfestlegung der Kommunen in Bezug auf die Konzessionsvergabe

Anders als die Vergabekammer Münster sah das OLG Düsseldorf in der Beteiligung des strategischen Partners an der Netzgesellschaft noch keine Vorfestlegung in der Frage, an wen im nächsten Schritt die Konzession vergeben werde. Die beiden Vergabeverfahren seien sachlich und rechtlich getrennt zu behandeln. Der Dienstleistungsauftrag sei von der interkommunalen Netzgesellschaft ausgeschrieben worden, die über den Zuschlag entscheide. Die Netzkonzessionen sollten dagegen im weiteren Verfahren von den an der Netzgesellschaft beteiligten Kommunen ausgeschrieben werden.

Die Vergabeentscheidung obliege also allein ihnen und sei nicht ohne einen sachlichen Grund zu beschränken. Es sei zwar nicht in Abrede zu stellen, dass die kommunalen Gesellschafter in diesem Zusammenhang gewissen Anreizen ausgesetzt seien. Ob dabei aber im Konzessionsverfahren die Vergabe unter Einhaltung aller Kriterien erfolgt ist, müsse anschließend in einem gesonderten Verfahren vor den ordentlichen Gerichten geprüft werden.

Prüfung der für die Konzessionsvergabe einschlägigen Vorschriften vor den ordentlichen Gerichten

Das OLG weist darauf hin, dass die nach § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG und §§ 2 und 3 KAV bei der Konzessionsvergabe maßgebenden Wertungsfaktoren weder unmittelbar noch ausschließlich bei der Ausschreibung einer öffentlich-privaten Partnerschaft anzuwenden sei. Dies gelte vor allem auch für die Ziele des § 1 EnWG und die auftragsbezogene Beschränkung auf Gesichtspunkte des Netzbetriebs. Mit dem Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot sei keineswegs zwingend eine Aufgabe der Ziele des § 1 EnWG verbunden. Eine Verbesserung der kommunalen Einnahme- oder Vermögenssituation oder eine höchstmögliche Rendite seien jedenfalls kein allein oder vorrangig entscheidendes Ausschreibungskriterium gewesen.

Das Urteil ist rechtskräftig und von StGB NRW-Mitgliedskommunen im StGB NRW-Internetangebot (Mitgliederbereich) unter Fachinfo & Service/Fachgebiete/Finanzen und Kommunalwirtschaft/Energiewirtschaft abrufbar.

Anmerkung

Das Urteil ist aus kommunaler Sicht grundsätzlich positiv zu bewerten, da es die Vielzahl an Rekommunalisierungsvorhaben im Strom- und Gasbereich in den Kommunen erleichtert. Allerdings bestehen im Hinblick auf das Konzessionsvergabeverfahren und die anzuwendenden Kriterien weiterhin große Rechtsunsicherheiten. Das OLG Düsseldorf nimmt an dieser Stelle auch Bezug auf das Urteil des OLG Schleswig vom 22.11.2012 (Az.: 16 U (Kart) 22/12), dass der Ansicht ist, die Vergabe der Wegerechte der Stadt Heiligenhafen an sich selbst beziehungsweise an die neu gegründeten Stadtwerke verstoße gegen die Vorschriften des Kartellrechts und sei deshalb nichtig. Eine kritische Bewertung aus kommunaler Sicht ist mit der StGB NRW-Mitteilung vom 22.01.2013 abrufbar.

Az.: II/3 818-00

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