Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 332/2001 vom 05.06.2001

OLG Celle zur wirtschaftlichen Betätigung kommunaler Körperschaften

Der Vergabesenat bei dem Oberlandesgericht Celle hat mit Beschluss vom 12. Februar 2001 (13 Verg 2/01) zur Rechtmäßigkeit der überörtlichen wirtschaftlichen Betätigung eines Landkreises Stellung genommen. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hat der Vergabesenat trotz überörtlicher Betätigung keinen Verstoß gegen das Territorialprinzip (§ 65 NLO in Verbindung mit § 108 Abs. 1 NGO) festgestellt.

Zum Sachverhalt:

Im Herbst 2000 schrieb die Vergabestelle die Einsammlung und Entsorgung von Problemabfällen in ihrem Kreisgebiet aus. Das preiswerteste Angebot reichte eine Bieterin ein, die eine 100 %ige Tochter des Nachbar-Landkreises ist. Die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren beantragte, die Beigeladene vom Vergabeverfahren auszuschließen. Sie begründete dies damit, dass sich die Beigeladene als 100 %ige Tochter des Nachbar-Landkreises nicht auf anderem Gemeindegebiet betätigen dürfe.

Zu den Entscheidungsgründen:

Nach der Entscheidung des Vergabesenates ist die Tochtergesellschaft nicht deshalb vom Verfahren auszuschließen, weil sie außerhalb des Gebietes des Nachbar-Landkreises tätig werden will. Nach Auffassung des Senates sei zwar denkbar, dass ein Verstoß gegen das Territorialprinzip aus § 65 NLO in Verbindung mit § 108 Abs. 1 NGO nach § 2 Nr. 12 Abs. 2 VOL/A vergaberechtswidrig sei, mit der Folge, dass das Tochterunternehmen vom Verfahren auszuschließen wäre. Im vorliegenden Fall lagen allerdings keine entsprechenden Anhaltspunkte vor.

Der Senat führt aus, dass das beigeladene Tochterunternehmen mit der ausgeschriebenen Leistung (Entsorgung von Problemabfällen, Sonderabfällen und Kühlgeräten) eine öffentlichen Zwecken dienende Angelegenheit des Landkreises wahrnehme. In der angestrebten Tätigkeit außerhalb der Kreisgrenzen liege aber lediglich eine gewinnorientierte, privatwirtschaftliche Annextätigkeit, die eine öffentlich-rechtliche Zwecksetzung des Unternehmens nicht ausschließe. Es sei zudem darauf hinzuweisen, dass die Niedersächsische Gemeindeordnung nur verlange, dass der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertige, während etwa die Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalens in der Fassung, die den Entscheidungen des OLG Düsseldorf (2 U 65/96) zur Frage der Rechtmäßigkeit überörtlicher Betätigung zugrunde lag, einen dringenden öffentlichen Zweck erfordere (§ 107 Abs. 1 Nr. 1 NW GO a. F.; anders § 107 Abs. 1 Nr. 1 NW GO n.F.).

Außerdem, so das OLG Celle, sei zu berücksichtigen, dass die kommunalen Gebietskörperschaften generell verpflichtet seien, das gemeinsame Wohl ihrer Einwohnerschaft zu fördern. Diese Aufgabe könne auch durch wirtschaftliche Betätigung erfüllt werden. Worin die Körperschaft eine Förderung des allgemeinen Wohls erblicke, sei hauptsächlich den Anschauungen und Entschließungen ihrer maßgebenden Organe überlassen und hänge von den örtlichen Verhältnissen, finanziellen Möglichkeiten der Körperschaft sowie sonstigen Bedürfnissen ab. Worin im einzelnen die Grenzen der Förderung des Allgemeinwohls lägen und die öffentlichen Zwecke zu lokalisieren seien, sei weniger eine Frage der Beurteilung durch den Richter als eine solche der Kommunalpolitik.

Neben dem Hinweis auf eine "gewinnorientierte Annextätigkeit" hat der Vergabesenat zudem ausgeführt, dass auch eine gegenwärtige Überkapazität von kommunalen Einrichtungen privatwirtschaftliche Betätigung rechtfertige, weil der öffentliche Zweck es nicht nur rechtfertigen könne, Kapazitäten im Hinblick auf denkbare Entwicklungen nicht nur am gegenwärtigen Bedarf zu orientieren, sondern darüber hinaus begründen könne, Kapazitäten einer denkbaren Kooperation mit anderen auszurichten.

Das OLG Celle hat mit dieser Entscheidung zwei neue Aspekte in die Diskussion um die Zulässigkeit überörtlicher wirtschaftlicher Betätigung kommunaler Gebietskörperschaften eingebracht. Neben der Feststellung, dass es sich bei einer wirtschaftlichen Betätigung außerhalb der eigenen Grenzen um eine gewinnorientierte Annextätigkeit der kommunalen Gebietskörperschaft handeln kann, welche eine öffentlich-rechtliche Zwecksetzung nicht ausschließt, ist insbesondere auf das Argument hinzuweisen, dass auch eine gegenwärtige Überkapazität kommunaler Einrichtungen privatwirtschaftliche Betätigung rechtfertigen kann. Dieser Aspekt ist mit Blick auf die Auslastungsproblematik kommunaler Entsorgungseinrichtungen von besonderem Interesse.

Az.: G/3 810-05

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