Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 480/1998 vom 20.08.1998

Oberverwaltungsgericht NW zur Überlassung von Abfällen

Das Oberverwaltungsgericht in Münster (OVG NW) hat mit Beschluß vom 25. Juni 1998 (AZ: 20 B 1424/97) erstmalig zu den Abfallüberlassungspflichten der Industrie- und Gewerbebetriebe gegenüber den Kommunen als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger entschieden. Nach dem OVG NW besteht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG für Abfallbesitzer/Abfallerzeuger, die nicht private Haushaltungen sind (z.B. Industrie- und Gewerbebetriebe), nur eine Abfallüberlassungspflicht für "Abfälle zur Beseitigung", soweit diese nicht in einer eigenen Anlage des Abfallbesitzers/-erzeugers beseitigt werden oder aber überwiegende öffentliche Interessen ihre Überlassung an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger erfordern. Das OVG NW weist darauf hin, daß es mit dem Wortlaut und dem Zweck des § 13 Abs. 1 Satz 2 2.Halbsatz KrW-/AbfG wohl nicht vereinbar ist, eine "eigene Anlage" des Abfallbesitzers/-erzeugers dann bereits anzunehmen, wenn dieser sich lediglich vertraglich die Möglichkeit eröffnet hat, in einer fremden Anlage seine Abfälle zu beseitigen. Außerdem stellt das OVG NW ausdrücklich klar, daß nach § 13 Abs.1 Satz 2 KrW-/AbfG keine Abfallüberlassungspflicht für "Abfälle zur Verwertung" besteht, wenn die Abfallbesitzer/ Abfallerzeuger keine private Haushaltungen sind.

Zur Abgrenzung der "Abfälle zur Beseitigung" von den "Abfällen zur Verwertung" stellt das OVG NW heraus, daß es nicht auf die bloße Verwertungsabsicht, sondern auf die Tatsache der Verwertung ankommt. Die bloße Möglichkeit späterer Verwertung reicht deshalb nicht aus, um einen Abfall zum "Abfall zur Verwertung" zu machen. Vielmehr ist nach dem OVG NW erforderlich, daß der Abfallbesitzer/-erzeuger konkrete Verwertungsmaßnahmen benennt oder zumindest die Möglichkeit einer zeitnahen Verwertung substantiiert, d.h. schlüssig und nachvollziehbar, aufzeigt.

In dem konkreten Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Abfallüberlassungs-Verfügung ging es im Kern um die Frage, ob Sortierreste aus einer Sortierungsanlage als "Abfall zur Verwertung" einer energetischen Verwertung in einer Müllverbrennungsanlage zugeführt werden können. Nach dem OVG NW ist eine energetische Verwertung von "Abfällen zur Verwertung" grundsätzlich möglich, wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 KrW-/AbfG erfüllt sind. Diese Voraussetzungen stellen nach dem OVG NW die Mindestvoraussetzungen dar, nach denen eine energetische Verwertung grundsätzlich zulässig ist. Gleichzeitig wird über die Voraussetzungen in § 6 Abs.2 Nr. 1 bis 4 KrW-/AbfG die energetische Verwertung von der thermischen Behandlung von Abfällen, d.h. von der schlichten Abfallverbrennung als Maßnahme der Abfallbeseitigung abgegrenzt.

Das OVG NW sah für die Sortierreste in dem entschiedenen Einzelfall das Heizwertkriterium des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG (11.000 kJ/kg für den einzelnen Abfall, ohne Vermischung mit anderen Stoffen) als erfüllt an. Zwar hatte der Abfallbesitzer nur einen einzigen Analysebericht vorgelegt, der den untersuchten Sortierresten ein Heizwert von 15.333 kJ/kg bescheinigte. Dieser Befund bezog sich auch nur auf eine Einzelprobe, so daß er nicht als repräsentativ zu betrachten war. Das OVG wertete dennoch diesen Umstand zum Nachteil des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, der nach Auffassung des Gerichts genauer hätte aufklären müssen, ob der Mindestheizwert nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG bei den Sortierresten grundsätzlich immer über 11.000 kJ/kg liegt oder nicht. Diese Aufklärung war nach dem OVG NW bereits deshalb erforderlich, um die erlassene und streitbefangene Abfallüberlassungs-Verfügung in tatsächlicher Hinsicht hinreichend abzusichern.

Nicht abschließend entschieden hat das OVG NW, was unter dem sog. "einzelnen Abfall" ohne Vermischung mit anderen Stoffen im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG zu verstehen ist. Die überwiegende Meinung geht zwar – so das OVG NW - davon aus, daß unter dem einzelnen Abfall das Ausgangsgemisch vor der Sortierung in einer Sortierungsanlage zu verstehen ist und nicht das Abfallgemisch nach der Sortierung. Das OVG NW gibt aber zu bedenken, daß dies nicht unproblematisch ist, weil durch den Sortierungvorgang ein neuer, vorher noch nicht vorhandener Abfall entsteht, dessen Einordnung als "einzelner Abfall" nach dem Gesetzestext in § 6 Abs.2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG (einzelne Abfall, ohne Vermischung mit anderen Stoffen) nicht ausgeschlossen ist. Der Wortlaut des § 6 Abs.2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG deckt zwar nach dem OVG NW die Auslegung, eine Vermischung von Abfällen zur Heizwertanreichung sei unzulässig. Davon zu unterschieden sei aber wohl eine solche Vermischung, die den betrieblichen Erfordernissen einer Sortieranlage gehorcht, in der es sinnlos wäre, die jeweils angelieferten Abfallgemische trotz gleicher Sortierziele getrennt zu halten und zu sortieren. Das OVG NW möchte diese Frage aber erst abschließend in einem möglichen Hauptsacheverfahren beurteilen.

Bei der weiter zu klärenden Frage, ob Sortierreste aus einer Sortierungsanlage "Abfall zur Beseitigung" oder "Abfall zur Verwertung" sind, stellt das OVG NW im Grundsatz auf den Hauptzweck der "Abfallentsorgungs-Maßnahme" ab (§ 4 Abs. 4 Satz 2 KrW-/AbfG). Bei der Frage, ob eine energetische Verwertung vorliegt, bedeutet dies, daß ausgehend von dem einzelnen Abfall, (ohne Vermischung mit anderen Stoffen), Art und Ausmaß seiner Verunreinigungen sowie die durch seine Behandlung anfallenden weiteren Abfälle und entstehenden Emissionen bestimmen, ob der Hauptzweck auf die Verwertung oder Behandlung (Beseitigung) gerichtet ist (§ 4 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG). Mit dieser gesetzlichen Regelung sieht das OVG NW die für eine Beseitigung sprechenden Gesichtspunkte benannt, die nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles gewichtet werden müssen. Für das Vorliegen einer "energetischen Verwertung" geben dabei die Kriterien des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 KrW-/AbfG wesentliche Anhaltspunkte. Dabei ist eine konkrete Betrachtungsweise geboten. Bei der Anwendung der für die Hauptzweckprüfung maßgeblichen Kriterien ergeben sich besondere Schwierigkeiten für Stoffgemische stark wechselnder Zusammensetzung. Das gilt sowohl für den Heizwert als auch für die Schadstofffracht. Läßt sich die Schwankungsbreite auch nicht annähernd bestimmen, so rechtfertigt dies nach dem OVG NW, das Gemisch durchgängig als "Abfall zur Beseitigung" anzusehen. Für die konkret in Rede stehenden Sortierreste aus der Sortierungsanlage fehlten aber nach dem OVG NW besondere Anhaltspunkte dafür, daß diese mit Schadstoffen belastet sind. Erschwerend kam hinzu, daß der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger hierzu nichts vorgetragen und auch keine Feststellungen zur Zusammensetzung der Sortierreste hatte. Ebensowenig war nach dem OVG erkennbar, daß die durch die vorgesehene Behandlung in der Müllverbrennungsanlage anfallenden weiteren Abfälle sowie die bei der Verbrennung entstehenden Immissionen der auf Beseitigung gerichteten Zielsetzung ein maßgebliches Gewicht verschafften. Vor diesem Hintergrund sah das OVG NW eine Einstufung als "Abfall zur Verwertung" vor allem deshalb als gegeben an, weil die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 KrW-/AbfG erfüllt wurden (Heizwert über 11.000 KJ/kg, Müllverbrennungsanlage mit Feuerungswirkungsgrad über 75 %). Bei dieser Sachlage kommt das OVG NW zu dem Ergebnis, daß voraussichtlich auch im Hauptsacheverfahren möglicherweise der Schluß gezogen wird, daß der Verwertungszweck im Vordergrund steht.

Az.: II 31-02/31-02-5 qu/g

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