Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 104/2016 vom 01.12.2015

Oberverwaltungsgericht NRW zur Verschärfung von Einleitungswerten

Das OVG NRW hat in einem Beschluss vom 30.09.2015 (Az.: 20 A 2660/12) entschieden, dass die zuständige Wasserbehörde befugt ist, die Einleitungswerte für den Ablaufstrom einer Kläranlage im Rahmen ihres wasserwirtschaftlichen Ermessens (§ 12 Abs. 2 WHG) zu verschärfen. Bei den Werten nach Anhang 1 der Abwasserverordnung handelt es sich nach dem OVG NRW lediglich um emissionsbezogene Mindestanforderungen (§ 1 Abs. 1 und 3 Abwasser-Verordnung des Bundes) an das Einleiten von Abwasser bezogen auf das gereinigte Abwasser, welches über den Ablaufstrom einer Kläranlage in ein Gewässer eingeleitet wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.2011 — Az.: 7 B 43.11).

Diese rein „aus der Sicht der Kläranlage“ (emissionsbezogen) vorgegebenen Mindestanforderungen sind — so das OVG NRW - allein auf die Umsetzung des § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG ausgerichtet. Hiernach darf eine wasserrechtliche Erlaubnis für das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer nur erteilt werden, wenn die Menge und Schädlichkeit des Abwassers so gering gehalten wird, wie dieses bei Einhaltung der in Betracht kommenden Verfahren nach dem Stand der Technik möglich ist.

Dabei haben die insoweit einzuhaltenden Werte nach dem OVG NRW gleichwohl keinen Bezug zum konkreten Belastungszustand des jeweiligen Gewässers. Deshalb seien weitergehende Anforderungen aus immissionsbezogenen Gründen (aus der Sicht des Zustandes des Gewässers) nicht ausgeschlossen. Dieses folgt nach dem OVG NRW bereits aus § 57 Abs. 1 Nr. 2 WHG, wo die Vereinbarkeit der konkreten Einleitung mit den Anforderungen an die Gewässereigenschaften (§ 3 Nr. 7 WHG) und den sonstigen rechtlichen Anforderungen verlangt wird. Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme haben in diesem Zusammenhang nach dem OVG NRW ermessenslenkende Wirkung bezogen auf das wasserwirtschaftliche Ermessen.

Dem wasserwirtschaftliche Ermessen (§ 12 Abs. 2 WHG) steht auch nicht entgegen, dass die stoff- und anlagenbezogenen Regelungen des Wasserhaushaltsgesetzes „abweichungsfest“ sind (Art. 72 Abs. 3 Nr. 5 GG), denn die Ausübung des wasserwirtschaftlichen Ermessens hat nach dem OVG NRW mit dem Erlass „abweichender“ landesrechtlicher Regelungen nichts zu tun.

Es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Blickwinkel des Vorrangs und Vorbehalts sowie der Bestimmtheit des Gesetzes. Das wasserwirtschaftliche Ermessen sei hinsichtlich der Gestaltung des Zugriffs auf die Gewässer und deren Benutzung ein allgemein anerkannter Bestandteil der öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung für Gewässer (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 07.11.1995 — 2 BvR 413/88 und 15.07.1991 — 1 BvL 77/78). Dabei ist das Bewirtschaftungsermessen (§ 12 Abs. 2 WHG) durch die zuständigen Wasserbehörde nach den allgemeinen Grundsätzen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung und innerhalb der rechtlichen Grenzen auszuüben (§ 40 VwVfG).

Zweck der gesetzlichen Ermächtigung in § 12 Abs. 2 WHG ist — so das OVG NRW - die Bewirtschaftung der Gewässer (§ 1 WHG). Dieses schließt die Einbeziehung der Immissionssituation der Gewässer ein (§ 27 WHG i.V.m. § 3 Nr. 7 und Nr. 8 WHG), so dass die zuständige Wasserbehörde auch den konkreten Belastungszustand des konkreten Gewässers zur Verschärfung von Einleitungswerten heranziehen kann. Der inhaltlichen Ausgestaltung der wasserrechtlichen Erlaubnis könnten außerdem auf der Grundlage des § 13 WHG beigefügt werden. Wenn eine wasserrechtliche Erlaubnis nach § 57 Abs. 1 WHG erteilt werden kann, weil die dort geregelten Anforderungen erfüllt sind, besteht nach dem OVG NRW weiterhin das wasserwirtschaftliche Ermessen nach § 12 WHG. § 57 Abs. 1 WHG besagt aber nicht, wie von diesem wasserwirtschaftlichen Ermessen in § 12 WHG Gebrauch zu machen ist. Erst recht gibt die Vorschrift nach dem OVG NRW nicht vor, dass die wasserrechtliche Erlaubnis, wenn sie erteilt werden darf, mit einem bestimmten Inhalt zu erteilen ist.

Die StGB NRW-Geschäftsstelle weist ergänzend auf Folgendes hin: Das BVerwG hat sich bislang mit diesem konkreten Fragenkomplex in den letzten Jahren noch nicht auseinandergesetzt. Nach dem OVG NRW hat die zuständige Wasserbehörde jedenfalls ein weites wasserwirtschaftliches Ermessen, so dass auf der Grundlage des Maßnahmenprogramms (§ 82 WHG) und des Bewirtschaftungsplans (§ 83 WHG) auch weitergehende Anforderungen bezogen auf den konkreten Zustand eines Gewässers an die Abwasserreinigung gerechtfertigt sein können, die über die Mindest-Anforderungen in § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG hinausgehen. Dabei spielt nach dem OVG NRW auch keine Rolle, dass der Bund anlagen- und stoffbezogen abschließende wasserrechtlichen Vorgaben setzt, denn die Ausübung des wasserwirtschaftlichen Ermessens hat nach dem Rechtsstandpunkt des OVG NRW mit dem Erlass „abweichender“ landesrechtlicher Regelungen nichts zu tun.

Das OVG NRW hat sich in dem Beschluss vom 30.09.2015 (Az.: 20 A 2660/12) nur mit der Bundes-Abwasserverordnung auseinandergesetzt. Eine Auseinandersetzung mit der Bundes-Oberflächengewässerverordnung erfolgte nicht. Nach der Rechtsprechung des OVG Lüneburg (Urteil vom 20.11.2014 — Az.: 13 LC 140/13 - ) ist ebenfalls eine Verschärfung von bestehenden Einleitungserlaubnissen über den Stand der Technik hinaus grundsätzlich gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2 WHG möglich, weil z. B. die Bundes-Abwasser-Verordnung nur Mindest-Standards als Stand der Technik in § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG vorgibt.

Gleichwohl hat das OVG Lüneburg deutlich herausgestellt, dass die zuständige Wasserbehörde schlüssig begründen muss, welchen Effekt eine Maßnahme bzw. Verschärfung der Erlaubnis für die Verbesserung der Gewässergüte bewirken soll. Eine schlüssige Begründung liegt dabei für eine Verschärfung dann nicht vor, wenn die festgestellte Gewässerbelastung nicht durch den Ablaufstrom einer Kläranlage bewirkt wird, sondern z. B. durch die Intensiv-Landwirtschaft.

Az.: II/2 24.1.1 qu-qu

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