Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 489/2009 vom 30.07.2009

Oberverwaltungsgericht NRW zur Stundung von Beiträgen

Das OVG NRW hat sich mit Urteil vom 19.05.2009 (Az. 15 A 4164/06 — abrufbar unter www.nrwe.de) aktuell nochmals mit der Frage der Stundung von Kanalanschlussbeiträgen auseinander gesetzt.

 

Das OVG NRW stellt zunächst heraus, dass ein Anschlussbeitragspflichtiger keinen (automatischen) Anspruch auf zinslose Stundung des Anschlussbeitrages hat. Auch § 135 Abs. 4 BauGB gilt nicht, denn diese Vorschrift betrifft nach dem OVG NRW allein den Erschließungsbeitragspflichtigen. Diese Vorschrift ist nach dem OVG NRW im Anschlussbeitragsrecht in § 8 KAG NRW nicht anwendbar (so bereits: OVG NRW, Beschluss vom 25.04.1995 — Az. 15 A 357/93, Städte und Gemeinderat 1995, S. 272).

 

Nach § 12 Abs. 1 Nr. 5 a KAG NRW in Verbindung mit § 222 Satz 1 Abgabenordnung können Beitragsansprüche ganz oder teilweise gestundet werden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Beitragsschuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint.

 

Eine erhebliche Härte ist nach dem OVG NRW gegeben, wenn der Beitragschuldner nach einer Abwägung zwischen dem Interesse der Gemeinde an einer vollständigen und gleichmäßigen Beitragserhebung und dem Interesse des Beitragspflichtigen an einem Aufschub der Fälligkeit zumutbar nicht in der Lage ist, die Beitragsschuld ohne ein Entgegenkommen in zeitlicher Hinsicht zu begleichen. Eine Stundung führt dabei nicht zum Erlöschen des Beitragsanspruchs, sondern nur zur Hinausschiebung seiner Fälligkeit.

 

In die Beurteilung, ob die Zahlung zum Fälligkeitszeitpunkt eine erhebliche Härte darstellt, ist nach dem OVG NRW auch einzustellen, ob der Beitragspflichtige stundungswürdig ist. Nur dann, wenn der Beitragspflichtige seinen möglichstes zur Abtragung der Beitragsschuld getan hat, ist eine Stundung zu rechtfertigen. Die Stundung scheidet somit nach dem OVG NRW aus, wenn es dem Beitragsschuldner möglich und zumutbar war, sich für eine Zahlung am Fälligkeitstag die erforderlichen Mittel zu verschaffen und er dieses nicht getan hat.

 

So aber lag es nach dem OVG NRW im zu entscheidenden Fall. Der Kläger musste nach dem OVG NRW seit der Bekanntgabe des Beitragsbescheides vom 08.10.2001 damit rechnen, in Kürze eine erhebliche Beitragszahlung leisten zu müssen. Dennoch habe er sich danach entschlossen, für sich und seine Familie ein Wohnhaus zu errichten bzw. umzubauen, obwohl er nur geringes Eigenkapital einbrachte. Dieses alles wäre möglicherweise noch kein Hinderungsgrund die Einbeziehung des Beitrags dennoch als erhebliche Härte zu beurteilen, wenn — wie der Kläger vorträgt — die Errichtung des Wohnhauses statt der Miete eines Hauses wirtschaftlich geboten gewesen wäre.

 

Das würde aber nach dem OVG NRW voraussetzen, dass das Haus mit Eigenmitteln ohne Verwertung des der Beitragspflicht unterliegenden Grundstücks oder jedenfalls erst nach Verwertung des Grundstücks zur Begleichung der Beitragsschuld errichtet worden wäre. Denn im Gegensatz zur gegenleistungslos erhobenen Steuer ist der Beitrag eine Gegenleistung für die dem Grundstückseigentümer durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Entwässerungsanlage gebotenen wirtschaftlichen Vorteile (§ 8 Abs. 2 Satz 2 KAG NRW). Mit der Möglichkeit des Anschlusses des Grundstückes an die öffentliche Abwasseranlage wird eine Erhöhung des Gebrauchswertes des Grundstücks herbeigeführt.

Dieser wirtschaftliche Vorteil setzt den Beitragspflichtigen nach dem OVG NRW — jedenfalls bei unbebauten Grundstücken — erst in den Stand, ein ohne Entwässerungsmöglichkeit baulich oder gewerblich gewöhnlich nicht nutzbares Grundstück als Bauland zu verwerten. Dieser spezifisch beitragsrechtliche Gesichtspunkt schließt es regelmäßig nach dem OVG NRW aus, eine Zahlungspflicht als erhebliche Härte zu beurteilen, wenn das so im Gebrauchswert gesteigerte Grundstück statt zur Begleichung der Beitragsschuld zur Herstellung eines Hauses verwertet wird. Der Kläger habe nämlich das Wohnhaus nur deshalb errichten können, weil er das mit der Beitragsschuld belastete Grundstück durch Bestellung eines Grundschuld als Sicherungsgrundlage für einen Kredit eingesetzt habe. Die Höhe der bestellten Grundschuld hätte bequem ausgereicht, den Beitrag zu bezahlen. Damit habe der Kläger also den mit dem Beitrag abzugeltenden wirtschaftlichen Vorteil erhalten und ohne Rücksicht auf die Beitragspflicht verwertet.

 

Dem Kläger sei es daher zuzumuten gewesen, dass der Beitragspflicht unterliegende Grundstück zuerst zur Begleichung der Beitragsschuld zu verwerten und dann unter weiterer Verwertung des Grundstücks und evtl. höherer Kreditaufnahme das Wohnhaus zu errichten. Sollte dieses nicht möglich gewesen sein, wäre es dem Kläger — so das OVG NRW — auch zumutbar gewesen, auf die Errichtung des Wohnhauses für seine Familie zu verzichten. Auch unter dem Gesichtspunkt des besonderen Schutzes von Ehe und Familie begründe dieser Verwertungszweck keine erhebliche Härte. Zwar gebiete Art. 6 Abs. 1 GG als verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung und begründe eine allgemeine Pflicht des Staates zur Förderung der Familie durch geeignete Maßnahmen, ohne dass konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistung aus dem Förderungsgebot hergeleitet werden könnten.

 

Jedoch könne unter diesem Gesichtspunkt nicht verlangt werden, dass man eine kommunale Leistung in Bezug auf ein Grundstück erhalte und dieses sodann zur Herstellung eines Familienhauses verwerten dürfe, ohne die Gegenleistung dafür rechtzeitig begleichen zu müssen. Wenn man dies nämlich nicht könne, müsse auf den Verwertungszweck der Errichtung eines Familienwohnheims zugunsten der Entrichtung der Beitragsschuld verzichtet werden. Dieses müssten andere Personen ohne entsprechende finanzielle Mittel, die nicht über ein durch entwässerungstechnische Erschließung wertvoll gewordenes Grundstück als Kreditunterlage verfügten, ebenso tun. Es komme für die Entscheidung auch nicht darauf an, dass der Kläger den mit seinen Eltern geschlossenen Darlehensvertrag nicht bedienen könne, wenn er den Beitrag zu zahlen habe, und er möglicherweise in die Privatinsolvenz getrieben werde. All dieses wäre darauf zurückzuführen, dass er das der Beitragspflicht unterliegende Grundstück mit einer Grundschuld belastet habe, um ein Wohnhaus errichten zu können, aber nicht um die Beitragspflicht zu erfüllen. Der Kläger habe deshalb insgesamt weder einen Anspruch auf zinspflichtige Stundung (§ 12 Abs. 1 Nr. 5 b KAG NRW in Verbindung mit § 234 Abs. 1 Abgabenordnung) noch auf zinslose Stundung (§ 12 Abs. 1 Nr. 5 b KAG NRW in Verbindung mit § 234 Abs. 2 Abgabenordnung).

 

Az.: II/2 24-22

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