Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 620/2008 vom 12.09.2008

Oberverwaltungsgericht NRW zur Beitragserhebung bei Dritterfüllung

Das OVG NRW hat mit Beschluss vom 30.06.2008 (Az.: 15 A 699/06; vgl. Mitt. StGB NRW 2008 Nr. 560) entschieden, dass eine Kanalanschlussbeitragspflicht mangels beitragsrelevantem gemeindlichen Aufwand dann nicht entsteht, wenn die Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht von der Gemeinde in der Form auf einen (privaten) Dritten übertragen worden ist, dass dieser auch den Herstellungsaufwand für die Abwasseranlage trägt und die Gemeinde lediglich ein jährliches Entgelt an den Dritten für die Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht zahlt.

Nach dem OVG NRW muss bei der Gemeinde ein eigener Herstellungsaufwand für den Neubau von Kanälen oder anderen abwassertechnischen Anlagen entstehen. Verschiebt die Gemeinde die Aufgabe der Abwasserbeseitigung auf einen Dritten, um sich von der Finanzierung der Herstellung zu befreien, so entsteht bei ihr kein Herstellungsaufwand mehr. An diesem Umstand ändert auch ein Betriebführungsentgelt nichts, dass an den Dritten gezahlt wird. Denn ein solches Betriebsführungsentgelt ist nach dem OVG NRW nur die periodische Gegenleistung für die Gesamtheit der Erbringung der Vertragsleistungen, namentlich der Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht, wobei in diese Gegenleistung wiederum kalkulatorische Kosten in der Form von Abschreibungen und Zinsen einberechnet werden. Der Herstellungsaufwand ist somit – so das OVG NRW – nur noch ein Rechnungsposten des Gesamtentgelts für eine dienst- oder werkvertragsähnliche Leistung in Form der Wertminderung betriebsnotwendiger Anlagegüter und der Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals in der Rechnungsperiode. Dieses ist nach dem OVG NRW aber kein Aufwand für die Herstellung der Anlage im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW, sondern typischer Bestandteil der über Benutzungsgebühren abzudeckenden Kosten (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 4 KAG NRW).

Aber selbst wenn die Stadt nach dem Entsorgungsvertrag mit dem Dritten verpflichtet wäre, den Herstellungsaufwand zu tragen, können nach dem OVG NRW Beiträge nicht ohne weiteres erhoben werden. Beitrage sind dazu bestimmt, den Aufwand für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung der Gemeinde abzudecken. Mit dem Beitrag soll nicht nur ein irgendwie der Gemeinde entstandener Aufwand im Hinblick auf die Herstellung der öffentlichen Abwasseranlage abgedeckt werden, sondern Aufwand, der durch die gemeindliche Herstellung entstanden ist. Mit dem Beitrag wird aufwändige Gemeindetätigkeit, nicht bloß Aufwand als solcher finanziert. Zwar kann sich – so das OVG NRW – die Gemeinde bei der Herstellung eines Dritten als Erfüllungsgehilfen bedienen. Das bedingt aber nach dem OVG NRW, dass die die Beitragshöhe bestimmenden Herstellungsentscheidungen auch von der Gemeinde und nicht von einem privaten Dritten getroffen werden. Die Gemeinde muss im Hinblick auf die beitragsfinanzierte Tätigkeit „das Heft in der Hand“ haben. Die bloße vertragliche Regelung bzw. Absicherung, dass die gesetzlichen Grenzen der Abwasserbeseitigungspflicht eingehalten werden müssen, reicht nach dem OVG NRW nicht aus, um hinsichtlich der Herstellung der Abwasserbeseitigungsanlage noch von einer gemeindlichen Herstellung zu sprechen.

In Anbetracht dieses Rechtstandpunktes des OVG NRW empfiehlt die Geschäftsstelle bei dem Abschluss von Betriebsführungsverträgen mit Dritten (z.B einer GmbH) darauf zu achten, dass der Gemeinde weiterhin ein eigener Herstellungsaufwand entsteht. Insoweit legt das OVG NRW Wert darauf, dass die neu gebauten Kanäle einen Aufwand bei der Gemeinde hervorrufen und bei der Einschaltung eines Dritten als technischen Erfüllungsgehilfen die Letzt-Entscheidung über den Neubau von Kanälen oder anderen abwassertechnischen Anlagen auch bei der Gemeinde liegt. Die Gemeinde muss im Hinblick auf die beitragsfinanzierte Tätigkeit nach dem OVG NRW „das Heft in der Hand“ haben.

In diesem Zusammenhang ist auch auf eine weitere Problematik hinzuweisen: Ist eine Beitragserhebung mangels Aufwand der Gemeinde nicht mehr möglich, so wirkt sich dieses auf die Abwassergebühren aus. Die gebührenpflichtigen Benutzer müssen dann in zwei Gruppen unterteilt werden. Es gibt dann die gebührenpflichtigen Benutzer der Gruppe 1 (Kanalanschlussbeitrag in der Vergangenheit gezahlt) und die Gruppe 2 (diejenigen, die keine Kanalanschlussbeiträge in der Zukunft mehr zahlen). Der Gebührensatz für die Gruppe 2 wäre höher, weil bei der kalkulatorischen Verzinsung keine tatsächlich von der Gemeinde vereinnahmten Kanalanschlussbeiträge mehr abgezogen würden. Diese 2 Gruppen müssten sowohl der Schmutzwasser- als auch bei der Regenwassergebühr gebildet werden. Diese Folge bei den Abwassergebühren ergibt sich daraus, dass die nicht mehr mögliche Erhebung von Kanalanschlussbeiträgen dem Fall gleich steht, dass die Gemeinde ab einem Stichtag in der Zukunft keine Kanalanschlussbeiträge mehr erheben möchte (vgl. zu den Rechtsfolgen hierzu bereits: OVG NRW, Urteil vom 17.9.1980 – Az.: 2 A 1653/79 – GemHH 1982, S. 69; Queitsch KStZ 2002, S. 181ff., S. 183 unter der Nr. 4 „Die Abschaffung des Kanalanschlussbeitrages). Die Alternative hierzu wäre die Rückzahlung aller veranlagten Kanalanschlussbeiträge, was allerdings finanziell regelmäßig nicht machbar ist.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, bei der Einschaltung eines Dritten eine vertragliche Regelung zu finden, die einen eigenen Herstellungsaufwand bei der Gemeinde begründet. Wichtig ist dabei nicht nur, dass das die Gemeinde die Letzt-Entscheidung über den geplanten Kanalbau trifft, sondern die neu gebauten Kanäle im Eigentum der Gemeinde stehen, was im Zweifelsfall auch dadurch erreicht werden kann, dass der neu gebaute Kanal gewissermaßen als fertiges Produkt dem Dritten abgekauft wird, denn dann entsteht bei der Gemeinde ein eigener Aufwand für die Herstellung der Abwasseranlage und die Erhebung der Kanalanschlussbeiträge.

Der Beschluss des OVG NRW vom 30.6.2008 ist allerdings nach Auffassung der Geschäftsstelle nicht auf die Gründung einer Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR - § 114 a GO NRW) übertragbar. Denn zum einen ist die Anstalt des Öffentlichen Rechts ein alleiniges Sondervermögen der Gemeinde. Der Unterschied zur eigenbetriebsähnlichen Einrichtung der Gemeinde als Sondervermögen besteht lediglich darin, dass die Anstalt des öffentlichen Rechts ein eigenständiges Rechtssubjekt ist, während die eigenbetriebsähnliche Einrichtung keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, sondern ein Sondervermögen ist, welches der Gemeinde als Rechtsubjekt zugeordnet wird. Zum anderen kann die Gemeinde, wenn die Anstalt des öffentlichen Rechts das Kanalnetz und sonstige abwassertechnische Anlagen in ihrem Vermögen führt, nach § 114 a Abs. 3 GO NRW der AöR die Befugnis zu Erhebung von Kanalanschlussbeiträgen übertragen. Auch in § 1 Abs. 1 Satz 2 KAG NRW ist seit dem 17.10.2007 (GO-Reformgesetz - GV NRW 2007, S. 380ff., S. 392) nunmehr bestimmt, dass eine Anstalt des öffentlichen Rechts Beiträge und Gebühren erheben kann.

Az.: II/2 24-22

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