Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 469/2006 vom 12.06.2006

Oberverwaltungsgericht NRW zur Anordnung von Kontrollschächten

Das OVG NRW hat mit Urteilen vom 9.5.2006 (u.a Az.: 15 A 4247/03 und 15 A 4254/03) zur Anordnung von Kontrollschächten auf privaten Grundstücken im Rahmen der Benutzung der kommunalen Abwasserentsorgungseinrichtung der Gemeinde Folgendes entschieden:

1. Privates Regelwerk kann durch satzungsrechtliche Inbezugnahme allenfalls dann zum Inhalt des Satzungsrechts erhoben werden, wenn es in einer Weise veröffentlicht ist, die hinsichtlich Zugänglichkeit und Verlässlichkeit der Veröffentlichung in amtlichen Publikationsorganen entspricht. Das ist für DIN-Regelungen allgemein nicht sichergestellt.

2. In jedem Fall muss für so zum Satzungsrecht erhobenes privates Regelwerk in der Satzung eine Fundstelle oder Bezugsquelle angegeben werden.

3. Der DIN 1986 kann nicht entnommen werden, dass jedes an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossene Grundstück über einen im Freien befindlichen Kontrollschacht verfügen muss.

Im Einzelnen:

Das OVG NRW weist darauf hin, dass eine Satzungsbestimmung, wonach der Grundstückseigentümer einen Kontrollschacht einzubauen hat, nicht so verstanden werden kann, dass alle Grundstücke einen Kontrollschacht aufweisen müssen. Eine solche Regelung wäre nach dem OVG NRW rechtwidrig. Ein Kontrollschacht sei weder Selbstzweck noch ein zum Betrieb einer Grundstücksentwässerungsanlage immer notwendiger Bestandteil (Anmerkung: gemeint sind mit der Grundstücksentwässerungsanlage die Abwasserleitungen auf dem privaten Grundstück, die das Abwasser aus dem Haus bis zur privaten Grundstücksgrenze führen). Ein Kontrollschacht – so das OVG NRW - sei nichts anderes als eine Bodenöffnung, durch die der Zugriff auf eine unterirdisch verlegte Abwasserleitung ermöglicht werde. Soweit ein Kontrollschacht außerhalb des Hauses ausnahmslos gefordert werde, sei dieses bereits bei einer Bebauung am Straßenrand nicht möglich (Anmerkung: z.B. die vordere Hausmauer grenzt unmittelbar an den Bürgersteig und es gibt keinen Vorgarten). Die Anlage eines technisch möglichen Kontrollschachtes außerhalb des Hauses könne auch nicht unabhängig von der zwischen dem Haus und dem öffentlichen Kanal zu überwindenden Entfernung gefordert werden. Dieses wäre nach dem OVG NRW rechtswidrig, wenn die für die Erstellung des Schachtes aufzuwendenden Kosten gegenüber den mit ihm von der Stadt berechtigt verfolgten Zielen im Einzelfall außer Verhältnis stünden. Ob innerhalb des Hauses ein Kontrollschacht angelegt werden könne, hänge – so das OVG NRW – von der Leitungsführung innerhalb des Hauses ab. Letzteres sei z.B. dann nicht der Fall, wenn die Abwasserleitung im Haus oberhalb des Kellerbodens in die Außenwand geführt werde, denn dann sei ein Kontrollschacht auch innerhalb des Hauses nicht möglich. Hieraus folgt nach dem OVG NRW aber zugleich, dass ein Kontrollschacht nach der Abwasserbeseitigungssatzung nicht ausnahmslos, sondern allenfalls im konkreten Einzelfall eingefordert werden könne. Damit hat das OVG NRW allerdings nicht zur Forderung nach einer Reinigungsöffnung auf dem Privatgrundstück Stellung genommen.

Das OVG NRW weist außerdem daraufhin, dass sich die Notwendigkeit zum Einbau eines Kontrollschachtes nicht aus der DIN-Vorschrift 1986 Teil 1 vom Juni 1988 ergibt. Die DIN 1986 schreibe vor, dass in Grund- und Sammelleitungen mindestens alle 20 m eine Reinigungsöffnung vorzusehen sei und dass sie regelmäßig nahe der Grundstücksgrenze, jedoch in der Regel nicht weiter als 15 m vom öffentlichen Abwasserkanal entfernt einzurichten sei (Abschnitte 6.5.4 und 6.5.5 der DIN 1986, Teil 1 Ausgabe Juni 1988). Der ganze Abschnitt 6.5 der DIN 1986 Teil 1: 1988-06betrifft aber – so das OVG NRW - nicht die Anlage von Kontrollschächten, sondern von Reinigungsöffnungen. Eine solche Reinigungsöffnung sei – so das OVG NRW – auf dem Grundstück der Klägerin vorhanden. Es ergebe sich aus der DIN 1986 Teil 1 Abschnitt 6.5.7 auch nicht, dass eine Reinigungsöffnung außerhalb des Hauses anzubringen sei. Vielmehr könne lediglich entnommen werden, dass Reinigungsöffnungen so eingebaut werden müssten, dass sie ständig zugänglich bleiben können. Dieses bedeute dann, dass Reinigungsöffnungen innerhalb oder außerhalb des Hauses so zu errichten seien, dass sie nicht zugestellt oder zugebaut werden könnten. Vor diesem Hintergrund ergab sich – so das OVG NRW – aus der satzungsrechtlichen Regelung der beklagten Stadt durch den Verweis auf die DIN 1986 keine Pflicht zum Einbau eines Kontrollschachtes, weil die DIN 1986 eine solche Pflicht bereits nicht beinhaltet.

In diesem Zusammenhang weist das OVG NRW zusätzlich darauf hin, dass die Einbeziehung außerrechtlicher Regelungen wie z.B. DIN-Vorschriften in Satzungsregelungen durch schlichte Verweisung unter dem Gesichtspunkt rechtstaatlicher Publizität von Normen unwirksam sei. DIN-Vorschriften, deren Inhalt durch die Bezugnahme zum geltenden Satzungsrecht erhoben werden sollen, würden weder nach dem für Satzungen geltenden Recht (vgl. § 4 der Bekanntmachungsverordnung) noch in sonst für amtliche Bekanntmachungen des Landes oder des Bundes vorgesehenen Amtsblättern veröffentlicht. Selbst wenn mit der herrschenden Meinung angenommen werde, dass das in Bezug genommene private Regelwerk lediglich in einer Weise veröffentlicht sein müsse, die hinsichtlich der Zugänglichkeit und der Verlässlichkeit der Veröffentlichung in amtlichen Publikationsorganen entspreche, reiche die hier in Rede stehende Verweisung auf die DIN 1986 nicht aus. Das gelte schon für die Zugänglichkeit zu dem privaten Regelwerk, das der Vermarktung zu erheblichen Preisen durch einen Verlag unterliege, dessen Verlagsprodukte nicht in gleicher Weise in öffentlichen Bibliotheken zugänglich sei, wie es für amtliche Publikationsorgane der Fall sei. Es fehle aber auch daran, dass in der verweisenden Satzungsnorm weder eine Fundstelle noch eine Bezugsquelle genannt sei. Zumindest letzteres sei für nur über private Veröffentlichungen zugängliche Regelwerke erforderlich.

Die Geschäftsstelle weist ergänzend auf folgendes hin:

Das OVG NRW hat in seinen Urteilen vom 9. Mai 2006 im Wesentlichen entschieden, dass ein sog. Kontrollschacht satzungsrechtlich nur im Einzelfall und nicht generell für jedes Grundstück vorgegeben werden kann. Dabei muss im jeweiligen konkreten Einzelfall geprüft werden, ob ein solcher Kontrollschacht außerhalb des Hauses tatsächlich erforderlich, technisch möglich und unter Kostengesichtspunkten verhältnismäßig ist, anderenfalls ist die Anordnung zum Einbau eines Kontrollschachtes ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Eine satzungsrechtliche Pflicht des privaten Grundstückseigentümers zum Einbau eines Kontrollschachtes durch Verweis bzw. Bezugnahme auf DIN-Vorschriften wird durch das OVG NRW nicht akzeptiert, weil DIN-Vorschriften keine öffentlich-rechtlichen, sondern nur private Regelwerke sind, die nicht jedermann zugänglich sind. Vor diesem Hintergrund verbleibt für die Stadt/Gemeinde nur der Weg in der Abwasserbeseitigungssatzung ohne Bezugnahme auf DIN-Vorschriften genau zu beschreiben, welchen Schacht, welche Inspektions- oder Reinigungsöffnung in welcher Ausführung sie meint. Außerdem muss die Satzung ermöglichen, dass im Einzelfall auf diese Forderung verzichtet werden kann, wenn die Errichtung technisch nicht möglich oder nicht verhältnismäßig oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Im Übrigen ergibt sich aus den Urteilen des OVG NRW vom 9. Mai 2006 nicht, dass die Pflicht zum Einbau von Kontrollschächten generell unzulässig ist. Dieses ist – wie das OVG NRW – mehrmals herausgestellt eine Entscheidung im konkreten Einzelfall bezogen auf das konkrete Grundstück. Dabei ist der Bau eines Kontrollschachtes außerhalb des Hauses von vornherein als unmöglich anzusehen, wenn die vordere Hauswand z.B. unmittelbar an den Bürgersteig oder die Straße grenzt und somit ein Vorgarten nicht vorhanden ist oder die Entfernung von der vorderen Hausmauer bis zur privaten Grundstücksgrenze metermäßig zu gering ist, so dass der Einbau eines Kontrollschachtes aus Platzgründen nicht möglich ist.

Das OVG NRW hat mit seinen Urteilen vom 9. Mai 2006 zugleich das Urteil des VG Köln vom 29.7.2003 (u.a. Az.: 14 K 6211/01) nicht bestätigt, wonach satzungsrechtlich generell die Pflicht zum Einbau eines Kontrollschachtes geregelt werden kann. Das OVG NRW sieht dieses allenfalls im Rahmen einer Anordnung im konkreten Einzelfall als zulässig an. Dabei sind heute die technischen Maßgaben für sog. Inspektionsöffnungen oder alternativ für sog. Einsteigschächte mit Zugang für Personal mit Abbildungen und Maßanforderungen in der DIN EN 476: 1997-08 und DIN 1986-100: 2002-03 und im Kommentar zur DIN 12056 Teil 1 dargestellt. Inspektionsöffnungen sind dabei keine Einsteigschächte. Inspektionsöffnungen sind dabei keine Einsteigschächte, sondern Kontrollschächte (nach DIN 1986-100: 2002-03 Tabelle S. 23). In Inspektionsöffnungen können - je nach Größe – Reinigungsgeräte sowie Inspektions- und Prüfausrüstung eingebracht werden. Inspektionsöffnungen können im konkreten Einzelfall auch für Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Betriebs der öffentlichen Abwasseranlage dienen z.B. zur Kontrolle des eingeleiteten Abwassers aus gewerblichen und industriellen Anlagen. Insgesamt muss nach dem OVG NRW zukünftig im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten genau geprüft werden, ob etwa die Aufforderung zum Einbau einer sog. Inspektionsöffnung in Betracht kommt.

Az.: II/2 24-30 qu/g

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