Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 473/2010 vom 12.10.2010

Oberverwaltungsgericht NRW zum Rückfall der Abwasserüberlassungspflicht

Das OVG NRW hat sich in zwei Beschlüssen vom 01.09.2010 (Az. 15 A 1635 und 1636/08 —nicht rechtskräftig) mit der Frage auseinander gesetzt, wem die Abwasserbeseitigungspflicht obliegt, nachdem das Landeswassergesetz zum 11.05.2005 dahin geändert worden war, dass nunmehr eine Abwasserüberlassungspflicht für Schmutzwasser und Niederschlagswasser gegenüber der Gemeinde besteht. Das OVG NRW kommt zu dem Ergebnis, dass mit der Einführung der Abwasserüberlassungspflicht im LWG NRW (§ 53 Abs. 1 c LWG NRW) zum 11.05.2005 den Kläger als Grundstückseigentümer keine Abwasserbeseitigungspflicht mehr trifft. Dafür gebe das Landeswassergesetz nichts her. Im Gegenteil: Dieses weise in § 53 Abs. 1 LWG NRW, welcher die Vorschrift des § 18 a WHG alte Fassung in Bezug nimmt (siehe jetzt: § 54 WHG neue Fassung), den Städten und Gemeinden nunmehr (wieder) umfassend die Pflicht zur Beseitigung auch des Niederschlagswassers von den privaten Grundstücken zu und verpflichte korrespondierend damit die Nutzungsberechtigten in § 53 Abs. 1 c Satz 1 LWG NRW zur umfassenden Überlassung des Abwassers an die Gemeinden, ohne dabei Rücksicht darauf zu nehmen, dass unter der Geltung des alten Rechts (vor dem 11.5.2005) diese Beseitigungspflicht in der Regel bei dem Nutzungsberechtigten eines Grundstücks lag (vgl. § 51 a Abs. 2 LWG NRW alte Fassung). Nach § 51 a Abs. 2 LWG NRW alte Fassung ging die Abwasserbeseitigungspflicht für das Niederschlagswasser kraft Gesetzes auf den Grundstückeigentümer über, wenn das Niederschlagswasser nachweisbar auf seinem Grundstück gemeinwohlverträglich z.B. versickert werden konnte. Dieses ist nach der neuen Rechtslage ab dem 11.5.2005 nicht der Fall, weil eine Freistellung von der Abwasserbeseitigungspflicht durch Gemeinde erforderlich ist.

In Anknüpfung daran hat das OVG NRW in den vorstehenden Beschlüssen auch nochmals klargestellt, dass nach § 53 Abs. 3 a Satz 1 LWG NRW zwei Voraussetzungen vorliegen müssen, damit die Abwasserbeseitigungspflicht für das Niederschlagswasser (Regenwasser) von der Gemeinde auf den Grundstückseigentümer übergeht. Erste Voraussetzung ist, dass gegenüber der zuständigen Behörde (Unteren Wasserbehörde des Kreises) nachgewiesen werden muss, dass das Niederschlagswasser gemeinwohlverträglich auf dem Grundstück versickert oder ortsnah in ein Gewässer eingeleitet werden kann. Als zweite Voraussetzung muss hinzukommen, dass die Gemeinde den Nutzungsberechtigten des Grundstücks von der Abwasserüberlassungspflicht für das Niederschlagswasser, freistellen muss. Damit — so das OVG NRW — sei klargestellt, dass die Freistellung neben dem Nachweis der gemeinwohlverträglichen Versickerung oder ortsnahen Gewässereinleitung eine zweite konstitutive Voraussetzung für den Übergang der Abwasserbeseitigungspflicht für das Niederschlagswasser von der Gemeinde auf den Nutzungsberechtigten des Grundstücks sei (so auch OVG NRW, Beschlüsse vom 23.06.2010 — Az. 15 A 2244/09 — und OVG NRW, Beschluss vom 24.06.2009 — Az. 15 A 1187/09).

Die Geschäftsstelle weist ergänzend auf Folgendes hin:

Das OVG NRW geht in seinen Beschlüssen vom 01.09.2010 offensichtlich davon aus, dass mangels einer Übergangsregelung im Landeswassergesetz NRW mit der Einführung der Abwasserüberlassungspflicht für das Niederschlagswasser die Abwasserbeseitigungspflicht für das Niederschlagswasser seit der Gesetzesänderung (in Kraft getreten am 11.05.2005) wieder auf die Stadt bzw. Gemeinde zurückgefallen ist. Damit muss die Stadt/Gemeinde Grundstückseigentümer, die ihr Niederschlagswasser u. a. versickern von der Abwasserbeseitigungspflicht gemäß § 53 Abs. 3 a Satz 1 LWG NRW wieder freistellen, wenn sie einen Übergang der Abwasserbeseitigungspflicht erreichen möchte. Dieses wird insbesondere in den Fällen der Fall sein, in denen z. B. in einem Neubaugebiet im Bebauungsplan die ortsnahe Regenwasserversickerung auf den privaten Grundstücken durch die Gemeinde ausführlich wasserrechtlich durch ein hydrogeologisches Gutachten geprüft und im Bebauungsplan angeordnet worden ist. In allen anderen Fällen, insbesondere in den Fällen, in denen wegen der fehlenden Abwasserüberlassungspflicht im Landeswassergesetz (vor dem 11.05.2005) eine Ableitung des Niederschlagswassers in die öffentliche Abwasseranlage nicht erfolgt ist, sollte die Gemeinde prüfen, ob hier für die Versickerung des Regenwassers oder die Einleitung des Regenwassers in einen Fluss/Bach eine wasserrechtliche Erlaubnis erforderlich war und erteilt worden ist. Insoweit ist die untere Wasserbehörde einzuschalten. Besteht eine erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis nicht, so ist diese vom privaten Grundstückseigentümer durchgeführte, ortsnahe Regenwasserbeseitigung illegal. Zugleich sollte die Gemeinde prüfen, ob sie hier eine Freistellung nach § 53 Abs. 3 a Satz 1 LWG NRW erteilen möchte, weil anderenfalls die Abwasserbeseitigungspflicht bei ihr liegt und sie wegen etwaiger Schäden durch eine unsachgemäße Regenwasserversickerung oder Regenwassereinleitung in einen Fluss/Bach Amtshaftungsansprüchen aus Art. 34 GG, § 839 BGB in der Zukunft ausgesetzt sein könnte.

Es empfiehlt sich deshalb eine systematische Abarbeitung der Einzelfälle, in denen die Regenwasserbeseitigung auf den privaten Grundstücken nicht als geklärt angesehen werden kann. Insoweit kann auch auf die Daten zurückgegriffen werden, die im Zusammenhang mit der Erhebung der Niederschlagswassergebühr (Regenwasser) vorliegen. Insbesondere geht es um die Fälle, in denen nicht klar ist, wie das Niederschlagswasser auf den privaten Grundstücken beseitigt wird. Diese Fälle haben sich dadurch ergeben, dass das OVG NRW mit Urteil vom 28.1.2003 (— Az.: 15 A 4751/01 -) entschieden hatte, dass es keinen Anschluss- und Benutzungszwang für das Niederschlagswasser an die öffentliche Abwasseranlage gebe, weil die Niederschlagswasserbeseitigung — so das OVG NRW — nicht der Aufrechterhaltung der Volksgesundheit diene und deshalb § 9 GO NRW für den Anschluss- und Benutzungszwang keine Rechtsgrundlage sei und eine Abwasserüberlassungspflicht im LWG NRW fehle. Diese Regelungslücke der fehlenden Abwasserüberlassungspflicht hatte der Landesgesetzgeber ab dem 11.5.2005 durch Einführung der Abwasserüberlassungspflicht in § 53 Abs. 1 c LWG NRW geschlossen. Gleichwohl gibt es bedingt dadurch Fälle, in denen nicht klar ist, wie auf einem privaten Grundstück die Niederschlagswasserbeseitigung erfolgt.

Des Weiteren ist zurzeit unklar, ob sich in Anbetracht der Rechtsprechung des OVG NRW auch die beitragsrechtliche Sicht seit dem 11.05.2005 geändert hat. Bislang hatte das OVG NRW entschieden, dass bei Grundstücken, die ihr Regenwasser auf dem Grundstück versickern, keine Teilanschlussbeitragspflicht für das Niederschlagswasser an die öffentliche Abwasseranlage entsteht, auch wenn ein öffentlicher Kanal vor dem Grundstück liegt. Das OVG NRW hatte insoweit klargestellt, dass erst dann ein Teilanschlussbeitrag für die Ableitungsmöglichkeit des Niederschlagswassers in die öffentliche Abwasseranlage entsteht, wenn ein tatsächlicher Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage erfolgt (so: OVG NRW, Urteil vom 22.1.2008 — Az.: 15 A 488/05 und OVG NRW, Beschluss vom 31.1.2007 — Az.: 15 A 150/05). Mit der Gesetzesänderung zum 11.05.2005 muss eine Freistellung von der Abwasserüberlassungspflicht für das Niederschlagswasser gemäß § 53 Abs. 3 a Satz 1 LWG NRW erfolgen. Wird eine solche Freistellung nicht nachträglich erteilt, so hat der Grundstückseigentümer bei einem unmittelbar vor dem Grundstück liegenden öffentlichen Abwasserkanal grundsätzlich die Möglichkeit sein Grundstück an den öffentlichen Abwasserkanal anzuschließen, sodass auch eine Teilanschlussbeitragspflicht entsteht (so: Dietzel in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblattkommentar, § 8 KAG NRW, Rz. 540 a. E.). Vor diesem Hintergrund kann eine Verjährungsfalle (Eintritt der Festsetzungsverjährung) nicht ausgeschlossen werden. Deshalb sollten Städte und Gemeinden überlegen, ob sie einen Teilanschlussbeitrag für die Ableitungsmöglichkeit von Niederschlagswasser in den öffentlichen Abwasserkanal für solche Grundstücke rein vorsorglich erheben und ggf. den Beitrag zinslos stunden, bis mit Wissen und Wollen der Stadt ein Anschluss an den öffentlichen Abwasserkanal für die Ableitung von Niederschlagswasser hergestellt wird. Hintergrund ist insoweit, dass anderenfalls für die Beitragsfälle, denen im Jahr 2006 eine Anschlussmöglichkeit für das Niederschlagswasser an den öffentliche Abwasserkanal geboten wird und keine Freistellung von der Abwasserüberlassungspflicht erteilt worden ist, am 31.12.2010 die Festsetzungsverjährung für die Beitragserhebung eintreten würde.

 

Az.: II/2 24-30 qu-ko

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