Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 472/2010 vom 12.10.2010

Oberverwaltungsgericht NRW zum Anschluss an den Mischwasserkanal

Das OVG NRW hat mit Beschlüssen vom 01.09.2010 (Az. 15 A 1635 und 1636/08 —nicht rechtskräftig) entschieden, dass es die Gemeinde nach § 53 Abs. 3 a Satz 1 LWG NRW in der Hand hat, ob sie einen Grundstückseigentümer von der Abwasserüberlassungspflicht für das Niederschlagswasser (§ 53 Abs. 1 c LWG NRW) freistellt.

Die Gemeinde muss — so das OVG NRW — keine Freistellung erteilen, wenn vor dem Grundstück ein Mischwasserkanal gebaut worden ist, der auf einer nach bisherigem Recht (= eine vor dem 01.07.1995) genehmigten Kanalisationsnetzplanung beruht (§ 51 a Abs. 3 LWG NRW). Dieses gilt jedenfalls dann, wenn der technische oder wirtschaftliche Aufwand unverhältnismäßig groß ist, um nunmehr auf eine ortsnahe Regenwasserbeseitigung auf den privaten Grundstücken umzustellen.

Nach dem OVG NRW hat die Unverhältnismäßigkeitsprüfung sich mit Blick auf die Systematik von § 51 a Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1 LWG NRW darauf zu beziehen, ob eine Niederschlagswasserbeseitigung im Sinne von § 51 a Abs. 1 Satz 1 LWG NRW technisch oder wirtschaftlich unverhältnismäßig ist. Dieses bedarf einer Einzelfallbetrachtung, in deren Rahmen z. B. zu erwägen sein kann, ob etwa der wirtschaftliche Betrieb der Mischwasserkanalisation als öffentliche Einrichtung bei einer Umstellung auf eine ortsnahe Niederschlagswasserbeseitigung beeinträchtigt wäre. In den Blick zu nehmen sein können auch die Kosten für die Anpassung der vorhandenen Anlagen an die geänderte Belastung und die Kosten für geänderte Betriebsweisen.

Grundsätzlich ist bei dieser Unverhältnismäßigkeitsprüfung — so das OVG NRW — auf das gesamte Entwässerungsgebiet mit seiner abwassertechnischen Entwässerungssituation abzustellen. Eine reine Einzelfallbetrachtung eines konkreten Grundstücks wird nach dem OVG NRW dem Regelungsgehalt des § 51 a Abs. 3 LWG NRW nicht gerecht, sodass es auf die Auswirkungen einer Freistellung nur eines Grundstücks von der Abwasserüberlassungspflicht nicht ankommt.

Würde jeweils bei jedem Grundstück nur auf dieses konkrete Grundstück abgestellt, so führt dieses nach dem OVG NRW zwangsläufig in der Summe aller einzelnen Grundstücke, die nicht angeschlossen werden, dazu, dass die gesamte abwasserrechtliche Entwässerungskonzeption „Mischwasserkanal“ nachträglich entwertet wird. Diese Rechtsfolge sei aber im Gesetz nicht angelegt und würde die Regelung des § 51 a Abs. 3 LWG NRW regelmäßig mit der Folge leerlaufen lassen, dass der Sinn und Zweck des Gesetzes nicht erreicht würden (so auch: Queitsch in: Queitsch/Koll-Sarfeld/Wallbaum, LWG NRW, Loseblattkommentar, § 51 a LWG NRW, Rz. 32 f.).

Ergänzend weist das OVG NRW darauf hin, dass die angegriffenen Bescheide der beklagten Gemeinde, die den Anschluss an den öffentlichen Mischwasserkanal fordern, auch nicht ermessensfehlerhaft sind. Es liegt nach dem OVG NRW ein so genanntes intendiertes Ermessen vor. Dieses besage Folgendes:

Ist eine Ermessens einräumende Vorschrift dahin auszulegen, dass sie in der Regel von einer Ermessensausübung in einem bestimmten Sinn ausgeht, so müssen besondere Gründe vorliegen, um eine gegenteilige Entscheidung zu rechtfertigen. Liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, versteht sich das Ergebnis der Abwägung von selbst. Versteht sich aber das Ergebnis von selbst, so bedarf es insoweit auch keiner Begründung, die das Selbstverständliche darstellt. § 53 Abs. 3 a LWG NRW ist nach dem OVG NRW eine solche Vorschrift. Diese ergebe sich letztlich aus dem systematischen Zusammenhang, in dem die beiden Vorschriften insbesondere auch mit § 51 a Abs. 1 Satz 1 LWG NRW stünden. Denn wenn § 51 a Abs. 3 LWG NRW die Gemeinden gerade unter der Voraussetzung der technischen oder wirtschaftlichen Unverhältnismäßigkeit von den Vorgaben der ortsnahen Regenwasserbeseitigung nach § 51 a Abs. 1 Satz 1 LWG NRW entbinde und die Beseitigung von Niederschlagswasser durch Einleitung in einen Mischwasserkanal aus Gründen der Verhältnismäßigkeit erlaube, dann solle nach dieser Konzeption des Gesetzes in der Regel von einer Freistellung nach § 53 Abs. 3 a Satz 1 LWG NRW abgesehen werden.

Nur so könne für den Regelfall vermieden werden, dass durch Freistellung die Entscheidung der Gemeinde das Niederschlagswasser über einen Mischwasserkanal zu beseitigen ausgehöhlt wird. Einer über den Hinweis auf das Eingreifen der Vorschrift des § 51 a Abs. 3 LWG NRW hinausgehenden Begründung bedurfte es deshalb in dem entschiedenen Fall nicht. Nur dann, wenn — wofür nach dem OVG in dem zu entscheidenden Fall aber nichts ersichtlich war — der Behörde außergewöhnliche Umstände des Falles bekannt geworden sind oder erkennbar seien, die eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen würde, läge ein rechtsfehlerhafter Gebrauch des Ermessens vor, wenn diese Umstände von der Behörde bei der Ermessensentscheidung nicht berücksichtigt worden seien.

Schließlich weist das OVG darauf hin, dass sich die Kläger auch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz berufen könnten, weil andere Grundstücke ebenfalls ihr Niederschlagswasser nicht in die öffentliche Abwasseranlage einleiten. Es sei bereits schon nicht erkennbar, dass sich die beklagte Gemeinde der fehlenden Einleitung des Niederschlagswassers von Teilflächen der anderen Grundstücke überhaupt bewusst sei, geschweige denn, dass sie diese akzeptiert habe. Darüber hinaus könnten die Kläger aus der offenbar rechtswidrigen, teilweise Nicht-Beachtung des Anschluss- und Benutzungszwanges, der offenbar ja auch bei den in Rede stehenden Grundstücken verfügt worden sei, durch andere Grundstückseigentümer für sich nicht das Recht ableiten, den Anschluss- und Benutzungszwang nicht unterworfen zu sein.

Az.: II/2 24-30 qu-ko

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