Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 263/2017 vom 09.03.2017

Oberverwaltungsgericht NRW zu Anschluss einer Schotterfläche

Das OVG NRW hat mit Urteil vom 17.02.2017 (Az. 15 A 687/15) entschieden, dass auch eine Schotterfläche dem Anschluss- und Benutzungszwang an die öffentliche Abwasserkanalisation unterliegt. Nach dem OVG NRW wird in § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) definiert, dass Niederschlagswasser dann Abwasser ist, wenn es von Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten und/oder befestigten Flächen gesammelt abfließt.

Nach dem OVG NRW sind unter befestigten Flächen grundsätzlich Verdichtungen von Erdoberflächen zu verstehen, die ein Versickerungshindernis darstellen, weil sie die Versickerungsfähigkeit gegenüber dem natürlichen Zustand einschränken. Die Verdichtung muss künstlich herbeigeführt worden sein, wie dieses etwa bei einem mit Platten versehenen, asphaltierten, zementierten oder betonierten Boden der Fall ist. Außerdem kommt nach dem OVG NRW auch eine maschinell durch Stampfen oder Rütteln herbeigeführte starke Verdichtung des Erdreichs in Betracht. Damit ist auch eine Schotterfläche eine befestigte Fläche.

Die Abwasserbegriffsbestimmung in § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG (Niederschlagswasser) gilt nach dem OVG NRW dagegen nicht für Wasser aus Niederschlägen, welches wild von Flächen abfließt, die von Natur aus wasserundurchlässig sind. Solche Flächen können trockene Wiesen, felsige Oberflächen oder auch Ackerflächen sein, die durch Wassersättigung oder durch Frost ganz oder teilweise wasserundurchlässig geworden sind.

Unbefestigte Flächen sind nach dem OVG NRW jedenfalls Rasenflächen, Grünanlagen oder Blumenbeete. „Niederschlagswasser“ als Abwasser im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG ist nach dem OVG NRW damit vor allem das von Straßen-, Hof- und Dachflächen zum Abfluss kommende Wasser.

§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG setzt aber zusätzlich voraus, dass das aus Niederschlägen stammende Wasser von der befestigten Fläche abfließen können muss, um so ein Schutzgut des Wasserwirtschaftsrechts erreichen und - etwa durch Überschwemmungen — gefährden zu können. Das Abfließen muss — zur Abgrenzung von natürlichen Vorgängen — „gesammelt“ geschehen. Entscheidend ist danach — so das OVG NRW — nicht, ob das Niederschlagswasser bis zur Grundstücksgrenze geführt wird, sondern lediglich, ob es nach dem Niederschlag auf bebauten und/oder befestigten Flächen abfließt und gesammelt wird.

Eine besondere, zumal technische Vorrichtung für eine Regenrinne oder ein Fallrohr ist insofern nicht zwingend. Das „gesammelte“ Abfließen im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG ist deshalb nach dem OVG NRW auch von dem „Sammeln und Fortleiten“ nach § 54 Abs. 2 Satz 1 WHG zu unterscheiden, das bereits von der Existenz von „gesammelt abfließendem“ Abwasser ausgeht. Das „gesammelte Abfließen“, das die Niederschlagswassereigenschaft und damit die Abwassereigenschaft gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG bedingt, geschieht deshalb — so das OVG NRW - regelmäßig schon auf der befestigten Fläche selbst, weil diese durch ihre bauliche Beschaffenheit — ihre künstliche Verdichtung und die daraus resultierende Veränderung der Versickerungsfähigkeit des Bodens — nicht nur das Wasser aus Niederschlägen sammelt, sondern dieses auch abführt.

Dachflächen entfalten diese Wirkung — so das OVG NRW - in der Regel durch ihre Neigung. Andere befestigte Flächen wie Hauszuwegungen, Garageneinfahrten oder Parkplätze sollen typischerweise durch ein Gefälle vom Wasser freigehalten werden. Von einer Fläche, auf welcher Niederschlagswasser anfällt, ist deshalb nach dem OVG NRW zu sprechen, wenn diese Fläche wegen ihrer — vollständigen oder teilweisen — Wasserundurchlässigkeit abflusswirksam ist.

Bei der Einordnung, ob eine Fläche abflusswirksam ist, darf die Gemeinde, die über den Anschluss- und Benutzungszwang an die öffentliche Abwasserkanalisation zu entscheiden hat, nach dem OVG NRW typisieren und pauschalieren. Dieses ist im Rahmen der Massenverwaltung —zu der auch das Anschluss- und Benutzungsrecht gehört - zulässig. Im Interesse der Verwaltungspraktikabilität darf die Gemeinde hier generalisierende Regelungen zum sog. „gesammelten Abfließen“ von Niederschlagswasser von befestigten Flächen treffen, wenn hierfür sachgerecht typisierende Erwägungen die Grundlage bilden.

Bereits aus der Regel-Ausnahme-Systematik der Abwasserüberlassungspflicht im Landeswassergesetz (§§ 53 Abs. 1 c, 53 Abs. 3 a Satz 1 LWG NRW a. F., heute: §§ 48, 49 Abs. 4 Satz 1 LWG NRW) folgt nach dem OVG NRW allerdings, dass die materielle Beweislast bezogen die Wasserdurchlässigkeit bzw. Abflusswirksamkeit einer Fläche beim Nutzungsberechtigten des Grundstücks liegt.

Das LWG NRW sieht in § 53 Abs. 3 a Satz 1 LWG NRW a. F. (heute: § 49 Abs. 4 Satz 1 LWG NRW n. F.) einen Übergang der Abwasserbeseitigungspflicht von der Gemeinde auf den Nutzungsberechtigten des Grundstücks nur dann vor, wenn gegenüber der zuständigen Behörde nachgewiesen wird, dass das Niederschlagswasser gemeinwohlverträglich auf einem Grundstück versickert oder ortsnah in ein Gewässer eingeleitet werden kann und die Gemeinde den Nutzungsberechtigten des Grundstücks von der Abwasserüberlassungspflicht freigestellt hat. Ein derartiger Freistellungsanspruch setzt tatbestandlich voraus, dass der Nachweis der gemeinwohlverträglichen Versickerung oder ortsnahen Gewässereinleitung von dem Nutzungsberechtigten erbracht wird.

Das Fehlen dieses Nachweises steht einer dem Nutzungsberechtigten günstigen Ermessensausübung entgegen. Der Nachweis kann dabei z. B. in einer entsprechenden wasserrechtlichen Erlaubnis bestehen (vgl. hierzu auch OVG NRW, Beschlüsse vom 21.12.2016 — Az. 15 A 2917/15-; und 30.12.2016 — Az. 15 A 2112/15). Diese systematische Unterscheidung zwischen einer grundsätzlichen Abwasserüberlassungspflicht des Nutzungsberechtigten und einer Freistellungsmöglichkeit von der Abwasserüberlassungspflicht, für die der Nutzungsberechtigte nachweispflichtig ist, würde nach dem OVG NRW unterlaufen, wenn die Gemeinde in jeden, zweifelhaften Einzelfall erst etwa durch Sachverständigengutachten feststellen müsste, ob eine befestigte Fläche abflusswirksam ist. Deshalb obliegt der Nachweis eines atypischen Sonderfalls, welcher der Abwasserüberlassungspflicht und damit dem Anschluss- und Benutzungszwang entgegensteht — dem Nutzungsberechtigten des Grundstücks.

Nach dem OVG NRW stand bei der befestigten Schotterfläche außer Frage, dass Wasser von Niederschlägen gesammelt abfließt, zumal die Schotterfläche auch als Parkplatz genutzt wird. Durch das kontinuierliche Befahren mit PKW werde Druck auf die Schotterfläche ausgeübt. Außerdem werde der Schotter teilweise durch die Autoreifen zerrieben, wodurch die Wasserundurchlässigkeit der Fläche weiter herabgesetzt werde. Deshalb sei die Schotterfläche bei typisierender Betrachtung als Fläche anzusehen, von der Wasser von Niederschlägen gesammelt abfließt.

Die Schotterfläche sei aufgrund ihrer baulichen Beschaffenheit abflusswirksam und das auf diese Fläche auftreffende Wasser von Niederschlägen versickere weder unmittelbar noch vollständig. Vielmehr sammle sich nach dem vorhandenen Fotomaterial nach Regenereignissen das Wasser auf der Schotterfläche in Pfützen, die sich über die Fläche ausdehnten. Die Festigkeit der Bodenoberfläche ermögliche damit auch eine horizontale Ausdehnung des Wassers aus Niederschlägen und damit sein Abließen namentlich auf die öffentliche Straße.

Nach dem OVG NRW besteht für die Schotterfläche auch kein Bestandschutz im Hinblick auf den Nichtanschluss an die öffentliche Kanalisation. Mit dem Anschlusszwang an die öffentliche Regenwasserkanalisation wird — so das OVG NRW - ein gewichtiges öffentliches Interesse verfolgt. Der Anschluss dient dem Zweck, Niederschlagswasser ordnungsgemäß abzuleiten, um so insbesondere Wasserschäden an fremden Grundstücken oder Überschwemmungen etwa von Verkehrsflächen zu vermeiden. In Anbetracht dessen erweise sich der Anschluss- und Benutzungszwang im Hinblick auf das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG als verhältnismäßig. Er stellt eine zulässige gesetzliche Inhaltsbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar und ist Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 GG.

Der Anschluss der Schotterfläche an die öffentliche Kanalisation sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Anschlusskosten unzumutbar. Eine Unzumutbarkeit ist nach dem OVG NRW nur dann gegeben, wenn die Aufwendungen für den herzustellenden Anschluss nicht mehr in einem tragbaren Verhältnis zum Verkehrswert des Grundstücks stünden. Dieses habe die Klägerin weder dargelegt noch sei eine solche Unzumutbarkeit zu erkennen. Die Klägerin schätze die Kosten für einen Anschluss der Schotterfläche an die öffentliche Regenwasserkanalisation auf ca. 20.000 bis 25.000 Euro. Die beklagte Gemeinde gehe von Anschlusskosten in Höhe von 10.000 Euro aus. In jedem Fall ist nach dem OVG NRW bei diesem Kostenrahmen die Schwelle der Zumutbarkeit noch nicht überschritten.

Az.: 24.1.1 qu

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