Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 132/2014 vom 24.02.2014

Oberlandesgericht Celle zur Auskunftspflicht des Altkonzessionärs

Das OLG Celle hat mit Urteil v. 09.01.2014 - Az. 13 U 52/13 über den Umfang der Auskunftspflicht des Altkonzessionärs zu Beginn des Konzessionsverfahrens nach § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG entschieden. Entgegen der bisherigen versorgungswirtschaftlichen Praxis sollen demnach bereits in diesem frühen Verfahrensstadium umfassende kalkulatorische Netzdaten zur Verfügung gestellt werden.

Der gesetzliche Auskunftsanspruch gegen den Altkonzessionär dient der Information potentieller Bieter eines Konzessionsverfahrens und soll diesen bereits zu dessen Beginn die Möglichkeit geben, die Wirtschaftlichkeit einer möglichen Netzübernahme abzuschätzen. Im vorliegenden Fall hatte eine Kommune unter Berufung auf § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG insbesondere historische Anschaffungs- und Herstellungskosten nebst dem Jahr der Aktivierung, aktuelle kalkulatorische Restwerte sowie diejenigen kalkulatorischen Restwerte und Nutzungsdauern, die der letzten Bestimmung des Ausgangsniveaus nach § 6 ARegV zugrunde lagen, eingefordert.

Leitfaden nicht maßgeblich

Die versorgungswirtschaftliche Praxis orientiert sich im Hinblick auf die zu Beginn eines Konzessionsverfahrens herauszugebenden Daten bislang an einem gemeinsamen Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur vom 15. Dezember 2010 (StGB NRW-Mitteilung 15/2011 v. 04.01.2011). Dort findet sich unter Rn. 25 eine Aufzählung jener Daten, die nach Einschätzung beider Behörden für eine erste indikative Abschätzung des für das jeweilige Netz anzunehmenden Wertes erforderlich sind. Die von der Klägerin des vorliegenden Verfahrens geforderten kalkulatorischen Netzdaten sind nach dem Leitfaden aber erst nach Durchführung des Konzessionsverfahrens vom Alt- an den Neukonzessionär herauszugeben (vgl. Rn 58 des Leitfadens).

Unbeachtet der nach der Veröffentlichung des Leitfadens erfolgten Novellierung des § 46 EnWG mit Wirkung zum 4. August 2011, wonach zu Beginn eines Konzessionsverfahrens "Informationen über die wirtschaftliche Situation des Netzes, die für eine Bewertung […] im Rahmen einer Bewerbung […] erforderlich sind" bereitzustellen sind, wurde in der Branche bislang in aller Regel eine Datenbereitstellung entsprechend der Vorgaben des Leitfadens akzeptiert. Von der Möglichkeit, den Informationsanspruch nach der Einfügung von § 46 Abs. 2 Satz 5 EnWG durch eine Festlegung neu zu definieren, hat die Bundesnetzagentur bislang keinen Gebrauch gemacht.

Kalkulatorische Netzdaten erforderlich

Das OLG Celle kam unter Heranziehung des Gesetzeswortlauts und der Gesetzgebungsmaterialien zu dem Ergebnis, dass bereits die zu Beginn eines Konzessionsverfahrens zur Verfügung zu stellenden Daten für eine umfassende Bewertung des Netzes ausreichen müssen. Die bisherige Praxis entsprechend des gemeinsamen Leitfadens, wonach in diesem Verfahrensstadium von einer nur indikativen Abschätzung ausgegangen wird, soll demnach nicht den gesetzlichen Anforderungen genügen.

Nach Ansicht des OLG Celle ist es bereits für die Entscheidung, ob sich ein Unternehmen auf eine Konzession bewerben möchte, erforderlich, dass die durch eine etwaige Netzübernahme entstehenden Kosten und der zu erwartende Ertrag möglichst genau abgeschätzt werden können. Andernfalls sei der Abschluss eines Konzessionsvertrages unzumutbar. Der möglichst frühzeitige und umfassende Ausgleich bestehender Informationsasymmetrien sei somit zur Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Wettbewerbs geboten.

Auskunftsinteresse kann überwiegen

Angesichts des mit der Preisgabe kalkulatorischer Netzdaten verbundenen Eingriffs in die Grundrechte des Altkonzessionärs nimmt das OLG Celle eine einschränkende Auslegung des § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG dahingehend vor, dass die Herausgabe der Daten im Einzelfall auch stets einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden muss. Im vorliegenden Fall habe das Interesse der Beklagten, sich vor möglichen Rückschlüssen auf ihr Gesamtnetz zu schützen, jedoch nicht gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Offenlegung der Netzdaten überwogen.

Das vorliegende Urteil erweitert den Informationsanspruch der Kommunen gegenüber den Inhabern von Wegerechten (Konzessionen) erheblich. Dabei ist die systematische Aufarbeitung der Entstehungsgeschichte und der Zweck des Auskunftsanspruchs nach § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG Grundlage der Auslegung des Gerichts. Mit Blick auf den Gesetzeswortlaut und die bisherige Praxis bleibt jedoch abzuwarten, ob sich weitere Gerichte der Rechtsauffassung des OLG Celle anschließen werden. In jedem Fall wird bei der Anwendung des § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG zukünftig ein größeres Augenmerk auf der Schutzbedürftigkeit der betroffenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse liegen.

Az.: II/3 818-00

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