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StGB NRW-Mitteilung 287/1997 vom 05.06.1997

Notärztliche Versorgung im Rettungsdienst

Nach dem Scheitern des GKV-WG (Gesetz zur Weiterentwicklung der Strukturreform in der gesetzlichen Krankenversicherung) aufgrund der Zustimmungsversagung des Bundesrates in dessen Sitzung am 12.09.1996 bestand hinsichtlich der Zuständigkeit für die Regelung der notärztlichen Versorgung die Rechtslage nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.06.1985 (8 C 14/93) fort, wonach die Regelung der Leistungen des Notarztes im Rahmen des Rettungsdienstes nicht der landesrechtlichen Kompetenz unterfielen, sondern in die Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigungen gehörten.

Das Rettungsdienstgesetz NW weist die notärztliche Versorgung im Rettungsdienst den kommunalen Trägern als Aufgabe zu. Diese haben entsprechend der Bedarfsplanung eine Organisationsstruktur des Rettungsdienstes mit den dafür erforderlichen Peripherien wie Rettungswache, Krankenkraft-, Rettungswagen, Notarzteinsatzfahrzeugen einschließlich Personal sowie die Organisation des notärztlichen Dienstes aufgebaut. Infolgedessen haben die Kassenärztlichen Vereinigungen mit der Durchführung der notärztlichen Versorgung im Rettungsdienst keine Erfahrungen und erklärten im Anschluß an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts folgerichtig ihr Unvermögen, diese Aufgabe zu übernehmen. Angesichts dieser Situation wurde in Nordrhein-Westfalen zwischen den Krankenkassenverbänden, den Kassenärztlichen Vereinigungen und den kommunalen Spitzenverbänden eine "Übergangsvereinbarung zur Sicherstellung der notärztlichen Versorgung im Rettungsdienst" abgeschlossen, nach der die kommunalen rettungsdienstlichen Aufgabenträger die notärztliche Versorgung bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung, längstens jedoch bis zum 31.12.1997 weiter wahrnehmen und die Kassen die dafür erforderliche Finanzierung aufrechterhalten.

Im Hinblick auf den Fristablauf wandte sich die Geschäftsstelle mit Schreiben vom 20.11.1996 an das MAGS NW mit der Bitte, das Land Nordrhein-Westfalen möge im Rahmen der Fortführung der 3. Stufe der Gesundheitsreform eine Gesetzesinitiative zur Änderung der Vorschrift des § 75 SGB V im Bundesrat einleiten, damit in Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit bestehen bleiben könne, durch landesrechtliche Regelung die Aufgabe der notärztlichen Versorgung im Rettungsdienst bei den kommunalen Trägern des Rettungsdienstes zu belassen.

Infolgedessen setzte die SPD-Bundestagsfraktion mit Antrag vom 13.12.1996 (Drs. 13/6578) ein politisches Zeichen, in dem sie die Bundesregierung aufforderte, unverzüglich die Sicherstellung der notärztlichen Versorgung im Rahmen der dritten Stufe der Gesundheitsreform (2. Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung - 2. GKV-NOG - Bundestagsdrucksache 13/1996) neu zu regeln.

Dieses Signal der SPD-Bundestagsfraktion machte sich die Koalitionsgruppe Gesundheit der CDU/CSU- und FDP-Fraktionen zu eigen und legte am 13./14.02.1997 Änderungsanträge zum Entwurf des 2. NOG vor, die u.a. eine Neufassung von § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V vorsahen. Danach sollte die Norm folgenden Wortlaut enthalten:

"Die Sicherstellung umfaßt auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst), nicht jedoch die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes, soweit Landesrechte nichts anderes bestimmt."

Mit dieser Änderung hat der Bundestag das 2. NOG am 20.03.1997 in zweiter und dritter Lesung beschlossen. Mit einer Zustimmung des zweiten NOG im Bundesrat ist angesichts der umfassenden Erhöhung der Zuzahlungspflicht bei Arzneimitteln, Fahrkosten, Heilmitteln und Krankenhausaufenthalten indes nicht zu rechnen. Da es sich bei dem zweiten NOG aber um ein zustimmungsfreies Gesetz handelt, kann der zu erwartende Einspruch des Bundesrates mit der Kanzlermehrheit der Koalition im Bundestag zurückgewiesen werden, Artikel 77 Abs. 4 GG. Angesichts dieser Verfahrenssituation ist davon auszugehen, daß das 2. NOG Mitte des Jahres 1997 in Kraft treten wird.

1. Durch die Neuregelung von § 75 Abs. 1 SGB V wird die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes aus dem Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung ausgegliedert. Damit obliegt es den Krankenkassen, ihren Versicherten notärztliche Leistungen auf andere Weise zu gewähren. Maßgeblich für die Bestimmung der Erbringer rettungsdienstlicher Leistungen sind insoweit die Landesrettungsgesetze. Dem Landesgesetzgeber wird allerdings die Möglichkeit eröffnet, die Kassenärztlichen Vereinigungen mit der Wahrnehmung der notärztlichen Versorgung zu betrauen, sofern er dies für zweckmäßig hält.

Endlich hat sich der Bundesgesetzgeber nicht mehr der Einsicht verschlossen, daß notärztliche Leistungen, sonstige notfallmedizinische Versorgung sowie der Transport selbst eine funktionelle Einheit darstellen, die sinnvollerweise in einer Hand organisiert werden sollten. Insoweit entspricht die Neuregelung der tatsächlichen Organisation der notärztlichen Versorgung, die in nahezu allen Bundesländern als Teil der rettungsdienstlichen Leistungen angesehen wird. Damit entspricht die Rechtslage auch der Realität der Leistungserbringung in Nordrhein-Westfalen. Darüber hinaus hatte sich die Landesregierung bereits im laufenden Gesetzgebungsverfahren zum 2. NOG dafür ausgesprochen, mit dem Sicherstellungsauftrag weiterhin die Träger des Rettungsdienstes zu betrauen. Schon nach der geltenden Fassung des RettG NW sind die Gebietskörperschaften Träger rettungsdienstlicher Aufgaben, nehmen die Aufgaben des Rettungsdienstes (Notfallrettung und Krankentransport) wahr und tragen die Kosten, § 6 RettG.

2. Auch die Absicht des Gesetzgebers, den Krankentransport künftig von einer Pflichtleistung der Krankenkassen in eine sogenannte Gestaltungsleistung umzuwandeln, hat sich erledigt. Ursprünglich sollten dem § 60 SGB V die Abs. 5 und 6 angefügt werden, die den Krankenkassen die Möglichkeit zur eigenverantwortlicher Gestaltung der Art und des Umfangs der Fahrkostenerstattung in ihrer Satzung einräumte. Zugleich war aber vorgesehen, daß Leistungen des Rettungsdienstes Pflichtleistungen blieben, die jede Krankenkasse anbieten müsse. Hierzu zählten medizinisch notwendige Primärtransporte mit Rettungstransportwagen, Notarztwagen sowie Primärtransporte im Rahmen der Flugrettung. Ausgenommen waren demnach Krankentransporte mit nicht notwendiger Betreuung. Diese unterschiedliche Behandlung von begleitendem Kranken- und Notfalltransport hätte zu einer Gefährdung der einheitlichen Organisation und Finanzierung des Rettungsdienstes geführt. Hierauf und auf die Gefahr der erheblichen Verteuerung des begleitenden Kranken- und Notfalltransportes hat die Hauptgeschäftsstelle im Rahmen eines Schriftsatzes der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände vom 26.11.1996 eingehend hingewiesen. Infolge der Beratungen im Gesundheitsausschuß kam es dann zur Streichung der geplanten Absätze 5 und 6 in § 60 SGB V und zu einer Änderung von § 60 Abs. 2 Satz 1 und 3 SGB V, mit der die Selbstbeteiligung der Versicherten bei Fahrkosten von 20,00 auf 25,00 DM angehoben wurde. Damit ist gewährleistet, daß es bei einer einheitlichen Behandlung rettungsdienstlicher Transportleistungen bleibt.

3. Das ursprünglich im GK VWG vorgesehene Vereinbarungsmodell nach § 133 SGB V wurde ebenfalls nicht weiter verfolgt, da es zustimmungspflichtig gewesen wäre. Es sah vor, daß die Krankenkassen oder ihre Verbände mit nach Landesrecht zugelassenen Leistungserbringern Verträge über die Versorgung mit Leistungen des Rettungsdienstes und Krankentransports sowie über deren Vergütung schließen. Nunmehr bleibt es bei der ursprünglichen Regelung in § 133 Abs. 1 SGB V, wonach die Krankenkassen oder ihre Verbände Verträge mit dafür geeigneten Einrichtungen (darunter sind auch öffentliche Körperschaften zu zählen) und Unternehmen schließen, soweit Landesrecht nichts anderes bestimmt. Dies bedeutet, daß bei Vorliegen einer landesrechtlichen bzw. kommunalrechtlichen Regelung (worunter auch eine Satzungsregelung fällt) grundsätzlich keine Möglichkeit für die Krankenkassen besteht, ihre Leistungspflicht zur Übernahme der Kosten an die Versicherten zu beschränken. Davon wird lediglich in den Fällen des § 133 Abs. 2 SGB V eine Ausnahme gemacht, wenn den Krankenkassen vor der Entgeltfestsetzung keine Gelegenheit zur Erörterung gegeben wurde oder die Leistungserbringung ersichtlich unwirtschaftlich ist. Da die Träger rettungsdienstlicher Leistungen nach §§ 14, 15 RettG im Rahmen des Selbstverwaltungsrechtes nach dem Grundsatz der kommunalen Abgabenhoheit ermächtigt sind, Gebühren zu erheben, um damit die Einrichtungen des Rettungsdienstes zu finanzieren, bedarf es für die Begründung der Zahlungspflicht der Krankenkassen keiner Vereinbarung. Voraussetzung ist allerdings, daß den örtlichen Krankenkassen rechtzeitig vor dem Satzungsbeschluß Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird.

Dem Vernehmen nach beabsichtigt die Landesregierung, das Rettungsdienstgesetz im kommenden Jahr zu novellieren. Gegen die hierbei in Erwägung gezogene Vertragslösung mit den Krankenkassen wird sich die Geschäftsstelle mit aller Entschiedenheit wenden. Nur eine Gebührenlösung wird dazu beitragen können, den Leistungsstandard der rettungsdienstlichen Versorgung in Nordrhein-Westfalen aufrechtzuerhalten. Mit der Einführung eines Vereinbarungsmodells zugunsten der Krankenkassen würde es zwangsläufig zu einer Reduzierung des rettungsdienstlichen Niveaus im Zuge der Verhandlungen über die Vergütungshöhe kommen.

Az.: I/3-144-52-1

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