Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 132/1996 vom 20.03.1996

Neuordnung der Finanzierungszuständigkeiten im Bereich der Sozialhilfe

Im Rahmen der Sachverständigenanhörung zum Gutachten "Der kommunale Finanzausgleich des Landes Nordrhein-Westfalen" des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung vom August 1995 am 07.02.1996 hat der Nordrhein-Westfälische Städte- und Gemeindebund in Übereinstimmung mit dem Landkreistag Nordrhein-Westfalen gefordert, die Neuordnung der Finanzierungszuständigkeiten im Bereich der Sozialhilfe in die Beratungen und Entscheidungen zur Neustrukturierung des Finanzausgleichs einzubeziehen. Im einzelnen haben wir gefordert:

1. Die Zuständigkeiten im Bereich der überörtlichen Sozialhilfe werden auf die jeweiligen kreisfreien Städte und Kreise übertragen. Durch eine Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes nutzt das Land Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit des § 100 Abs. 1 nr. 1 BSHG, in dem insbesondere die sachliche Zuständigkeit für die Hilfe zur Pflege in Einrichtungen von den überörtlichen Trägern der Sozialhilfe auf die örtlichen Träger der Sozialhilfe verlagert wird.

2. Ferner wird im Kreisbereich die Kostenträgerschaft für die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt schrittweise auf die Gemeinden übertragen. Eine im einzelnen noch festzusetzende Übergangsregelung muß den Gemeinden ermöglichen, sich auf die neue finanzielle Kostenträgerschaft einzustellen.

Zur Begründung unserer Forderung haben wir auf folgende Gesichtspunkte verwiesen:

1. Aussage der Projektgruppe "Landschaftsverbände"

Bereits im Jahr 1982 hat die Projektgruppe "Landschaftsverbände" beim Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen in ihrem "Zuständigkeitsbericht Landschaftsverbände 1982" auch zur Zuständigkeit der Landschaftsverbände für die Aufgaben der stationären und teilstationären Hilfe zur Pflege Stellung genommen.

Die Projektgruppe "Landschaftsverbände" kam bei ihrem Zuständigkeitsbericht "Landschaftsverbände 1982" u.a. zu folgenden Ergebnissen:

- Die Gewährung der stationären und teilstationären Hilfe zur Pflege für Behinderte durch die Landschaftsverbände sei eine eindeutig ortsbezogene Aufgabe.

- Für die kreisfreien Städte einerseits und die Kreise andererseits lasse sich ein deutliches Gefälle in den Ausgaben feststellen. Die Landschaftsverbände als überörtliche Träger übernähmen hier eine finanzielle Ausgleichsfunktion. Von dem in 1980 vom Landschaftsverband Rheinland für die Hilfe zur Pflege in Einrichtungen aufgewendeten Netto-Betrag von ca. 560 Mio DM seien den kreisfreien Städten rd. 160 Mio DM mehr zugekommen, als von ihnen im Verhältnis durch die Landschaftsumlage aufgebracht worden seien. Dieser Mehrverbrauch sei mit rd. 60,5 Mio DM aus der von den Kreisen aufgebrachten Landschaftsumlage finanziert worden.

- Die bei dieser Hilfeart nicht vorhandene Identität von Kostenträgerschaft und Aufgabendurchführung werfe besondere Probleme auf. Wegen der Entscheidungszuständigkeit der örtlichen Träger, ob ein pflegebedürftiger Mensch ambulant oder durch Einweisung in eine entsprechende Einrichtung stationär versorgt werden müsse, könnte die Gefahr naheliegen, aus Kostenersparnisgründen pflegebedürftige Menschen eher in entsprechende Einrichtungen einzuweisen, weil der überörtliche Träger die Kosten zu übernehmen habe.

Die Delegation der Zuständigkeiten war nach Auffassung der Projektgruppe zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich, weil die notwendige gesetzliche Delegationsnorm im Bundessozialhilfegesetz nicht vorgesehen war.

In der Folgezeit wurde § 100 BSHG insoweit geändert, als die Länder nunmehr ermächtigt sind, durch Landesgesetze für ihren Bereich Aufgaben der überörtlichen Träger auf die örtlichen Träger der Sozialhilfe zu verlagern. Von dieser Ermächtigung haben bisher die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein Gebrauch gemacht.

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2. Neuregelung der Sozialhilfe auf der Kreisebene

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Wenn im Bereich der überörtlichen Hilfe zur Pflege Aufgabenwahrnehmung und Finanzverantwortung zusammengeführt werden, sollte das in gleicher Weise für die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt gelten. Die Bewilligung dieser Hilfen wird im Wege der Delegation von den kreisangehörigen Städten und Gemeinden wahrgenommen. Während die Kreise bei der überörtlichen Hilfe zur Pflege in den Haushalt des Landschaftsverbandes buchen, bewilligen die kreisangehörigen Städte und Gemeinden die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt zu Lasten des Kreishaushaltes. Die Zusammenführung von Aufgabenwahrnehmung und Finanzverantwortung gehört zu den Prinzipien einer Verwaltungsreform. Dieses Prinzip müssen dann auch die kreisangehörigen Städte und Gemeinden für den Bereich der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt anerkennen. Dies gilt insbesondere auch für die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen. Die bei der Hilfe zum Lebensunterhalt verbliebenen Spielräume für die örtlichen Bewilligungsbehörden müssen dann auch von den kreisangehörigen Städten und Gemeinden in eigener Selbstverantwortung ausgefüllt und verantwortet werden.

Allerdings ist eine vollständige Verlagerung der Hilfe zum Lebensunterhalt auf kreisangehörige Städte und Gemeinden z.Z. nicht möglich, weil § 96 Abs. 1 BSHG allein die kreisfreien Städte und Kreise zu örtlichen Trägern der Sozialhilfe bestimmt. Deshalb kommt bei der derzeitigen Rechtslage nur eine Beteiligung der kreisangehörigen Städte und Gemeinden an den Ausgaben für die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt in Frage. Solange eine Änderung von § 96 BSHG nicht erfolgt ist, sollte eine Beteiligungsquote von 90 % angestrebt werden.

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3. Haltung des Landkreistages NW

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In einem Positionspapier zur Verwaltungsreform hat der Landkreistag zum Bereich der Sozialhilfe folgendes festgelegt (Eildienst LKT 11/93 v. 14.6.93):

"Bei der Sozialhilfe müssen die Finanzverantwortung und die Durchführungsverantwortung zusammengeführt werden. Das gilt im Verhältnis der Landschaftsverbände zu den Kreisen und kreisfreien Städten ebenso wie im Verhältnis der Kreise zu den kreisangehörigen Städten und Gemeinden. Deshalb ist die Hilfe zur Pflege in Einrichtungen von den Landschaftsverbänden als überörtliche Träger auf die kreisfreien Städte und Kreise als örtliche Träger zu verlagern. Die Kostenträgerschaft für die Hilfe zum Lebensunterhaltung ist auf die Gemeinden zu übertragen."

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4. Haltung des Städtetages NW

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Der Städtetag NW erkennt die Übertragung der überörtlichen Sozialhilfe von den Landschaftsverbänden auf die kreisfreien Städte und Kreise im Grundsatz als sachgerecht an. Sie ist indes in den vergangenen Jahren allein aus finanziellen Gründen abgelehnt worden, weil mit Hilfe der Landschaftsverbände ein Finanzausgleich im Bereich der überörtlichen Hilfe zur Pflege stattfindet. Das beste Beispiel sind jüngste Berechnungen des Landschaftsverbandes Rheinland über die Ausgaben und Empfänger in Einrichtungen des LVR auf der Grundlage des Jahres 1992. Danach schwankt die Pro-Kopf-Belastung zwischen 114,08 DM im Kreis Heinsberg und 335,39 DM in der Stadt Essen.

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5. Übergangsregelung

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Im Falle der Verlagerung der Kostenträgerschaft für die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt von den Kreisen auf die kreisangehörigen Städte und Gemeinden ist eine Übergangsregelung notwendig. Den betroffenen Städte und Gemeinden muß die Gelegenheit gegeben werden, sich innerhalb eines überschaubaren Zeitraums auf die neuen finanziellen Veränderungen einstellen.

Für die Übergangsregelung käme eine Änderung von § 5 des Ausführungsgesetzes zum Bundessozialhilfegesetz mit folgendem Wortlaut in Frage:

"Die kreisangehörigen Städte und Gemeinden beteiligen sich an den in ihrem Gebiet entstehenden Kosten für die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Finanzierungsbeteiligung beträgt

a) vom 1.1.1997 - 31.12.1997 10 %

b) vom 1.1.1998 - 31.12.1998 20 %

c) vom 1.1.1999 - 31.12.1999 30 %

d) vom 1.1.2000 - 31.12.2000 40 %

e) vom 1.1.2001 - 31.12.2001 50 %

f) vom 1.1.2002 - 31.12.2002 60 %

g) vom 1.1.2003 - 31.12.2003 70 %

h) vom 1.1.2004 - 31.12.2004 80 %

i) vom 1.1.2005 90 %

der Ausgaben für die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt."

Az.: V/1-902-17/0

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