Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 160/2010 vom 24.02.2010

Neues Wasserhaushaltsgesetz ab dem 01.03.2010

Das neue Wasserhausgesetz (WHG) wird am 1.3.2010 in Kraft treten (BGBl. I 2009, S. 2585ff.). Auch die Vorschriften über die Abwasserbeseitigung (§§ 54 bis 61 WHG) sind neu gefasst worden. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass durch die  neuen Rechtsvorschriften im WHG die kommunale Abwasserbeseitigung nicht auf den Kopf gestellt wird. Entgegen anders lautenden Fachveröffentlichungen, auf denen eine Vielzahl von Städten und Gemeinden inzwischen hingewiesen hat, ist der Bau und Betrieb von Mischwasserkanälen nach wie vor zulässig. Im Einzelnen:

 

1. Grundsätze der Abwasserbeseitigung (§ 55 WHG)

 

§ 55 WHG formuliert die bundesrechtlichen „Grundsätze der Abwasserbeseitigung“. Dabei folgt bereits aus dem Begriff „Grundsätze“, dass der Bundesgesetzgeber lediglich einen bundesrechtlich verbindlichen Rechtsrahmen vorgibt, der allerdings durch Landesrecht weiter ausgefüllt werden kann (vgl. Egner/Fuchs, Naturschutz- und Wasserrecht 2009, § 56 WHG Rz. 2, S. 396; Wendenburg Stadt und Gemeinde 2009, S. 426ff.; Zabel, DVBl. 2010, S. 93ff. ; Kotulla, NVwZ 2010, S. 79ff.; Queitsch in: Wellmann/Queitsch/Fröhlich, WHG, Kommentar, 1. Aufl. 2010, § 55 WHG Rz.11).

1.1  Ortsnahe Regenwasserbeseitigung (§ 55 Abs. 2 WHG)

Nach § 55 Abs. 2 WHG soll Niederschlagswasser ortsnah versickert, verrieselt oder direkt oder über eine Kanalisation ohne Vermischung mit Schmutzwasser in ein Gewässer eingeleitet werden, soweit dem weder wasserrechtliche noch sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften noch wasserwirtschaftliche Belange entgegenstehen. § 55 Abs. 2 WHG übernimmt damit als bundesweite Regelung den bereits im Landesrecht eingeführten Grundsatz zur nachhaltigen Niederschlagswasserbeseitigung (siehe dazu § 51 a Abs. 1 LWG NRW). Die Vorschrift ist allerdings relativ weit und offen formuliert (Sollvorschrift), um den unterschiedlichen Verhältnissen vor Ort (z.B. vorhandene Mischwasserkanalisationen in Baugebieten) Rechnung tragen zu können, d.h. beinhaltet damit lediglich einen programmatischen Grundsatz (BT-Drucksache 16/12275, S. 68). Dabei hat die Vorgabe in § 55 Abs. 2 WHG nur für die Errichtung neuer Anlagen Bedeutung, d.h. bereits bestehende Mischwasserkanalisationen können in bisherigem Umfang weiter betrieben werden (BT-Drucksache 16/12275, S. 68).

In § 55 Abs. 2 WHG werden wie in § 51 a Abs. 1 LWG NRW die vier Alternativen der Niederschlagswasserbeseitigung (Versickern, Verrieseln, die ortsnahe Einleitung in ein Gewässer sowie die Einleitung in ein Gewässer über einen Regenwasserkanal) ohne ein Vorrangverhältnis genannt. Die vier Alternativen (Versickerung, Verrieselung, Einleitung direkt in ein Gewässer, Ableitung über einen Regenwasserkanal) stehen deshalb grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander. Im Einzelfall ist von der abwasserbeseitigungspflichtigen Gemeinde zu prüfen, welche ortsnahe Beseitigungsart in Betracht gezogen werden kann. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass bei jeder der genannten Alternativen weder wasserrechtliche, noch sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften noch wasserwirtschaftliche Belange entgegenstehen dürfen.

 

Anstelle einer ortsnahen Niederschlagswasserbeseitigung z.B. durch Versickerung auf dem Grundstück kommt aber auch als vierte Variante die Ableitung über einen Regenwasserkanal mit anschließender Einleitung in ein Gewässer in Betracht, insbesondere dann, wenn sich eine Versickerung oder Verrieselung des Niederschlagswasser unmittelbar vor Ort nicht verwirklichen lässt, weil etwa in Hanglagen Unterlieger-Grundstücke durch die Versickerung auf den Oberlieger-Grundstücken Vernässungsschäden erleiden können oder die Durchlässigkeit des Bodens in einem Entwässerungsgebiet eine Versickerung oder Verrieselung ausschließt und deshalb nur die Ableitung über einen Regenwasserkanal in Betracht zu ziehen ist. Letzten Endes ist es aber grundsätzlich die Entscheidung des Trägers der Abwasserbeseitigungspflicht, also der abwasserbeseitigungspflichtigen Gemeinde, welche Variante aus dem Kreis der vier Varianten ausgewählt wird, denn eine Gemeinde muss schließlich auch unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten für die auserwählte Variante einstehen

 

1.2  Kein Verbot für Mischwasserkanäle

Aus § 55 Abs. 2 WHG folgt nicht, dass zukünftig keine Mischwasserkanäle mehr gebaut werden dürfen, denn der Grundsatz der ortsnahen Regenwasserbeseitigung in § 55 Abs. 2 WHG steht unter dem ausdrücklich gesetzlich verankerten Vorbehalt, dass der ortsnahen Niederschlagswasserbeseitigung durch Versickerung, Verrieselung, direkte Einleitung in ein Gewässer oder Ableitung über einen Regenwasserkanal (über eine Kanalisation ohne Vermischung mit Schmutzwasser) keine wasserrechtlichen Vorschriften, keine sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, keine wasserwirtschaftliche Belange entgegen stehen dürfen (vgl. Egner/Fuchs, Naturschutz- und Wasserrecht 2009, § 56 WHG Rz. 2, S. 396; Queitsch in: Wellmann/Queitsch/Fröhlich, WHG, Kommentar, 1. Aufl. 2010, § 55 WHG Rz. 11). Ausgehend hiervon können sich also auch nach dem Inkrafttreten des WHG am 1.3.2010 Fallgestaltungen ergeben, wonach die Niederschlagswasserbeseitigung durch einen Mischwasserkanal erfolgt, weil allen vier Varianten in § 55 Abs. 2 WHG z.B. wasserwirtschaftliche Belange entgegenstehen. Hierzu kann z.B. gehören, dass das Niederschlagswasser in einem Entwässerungsgebiet eine so große Verschmutzung aufweist, dass eine Ableitung über einen Mischwasserkanal und eine Zuführung des Niederschlagswassers über den Mischwasserkanal in eine Kläranlage wasserwirtschaftlich den bestmöglichen Gewässerschutz gewährleistet. In diesem Zusammenhang darf ebenfalls nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch Niederschlagswasser aus Regenwasserkanälen im Einzelfall nicht ohne weiteres unvorbehandelt in ein Gewässer eingeleitet werden darf, sondern zunächst die Reinigung z.B. in einem Regenklärbecken erforderlich sein kann. Unter diesem Blickwinkel haben Mischwasserkanäle auch die Funktion, dass reinigungsbedürftiges Niederschlagswasser sofort durch Zuführung in eine Kläranlage, einem Reinigungsprozess unterzogen wird. Insoweit kann auch der Bau von Mischwasserkanälen im Einzelfall kostengünstiger sein, als der Bau eines Schmutzwasser- und eines Regenwasserkanals. Denn wenn das Niederschlagswasser aus dem Regenwasserkanal wiederum in einer „Vorbehandlungsanlage“ (z.B. Regenklärbecken, Bodenfilter) vor Einleitung in ein Gewässer gereinigt werden muss, so entstehen auch hierdurch zusätzliche Investitions- und Folgekosten.

1.3 Entgegenstehende Belange/Vorschriften

 

Wasserwirtschaftliche Belange oder wasserrechtliche Vorschriften, die einer ortsnahen Versickerung oder Verrieselung entgegenstehen können, können z.B. hohe Grundwasserstände sein, namentlich dann, wenn dort auf den Einzelgrundstücken Niederschlagswasser zusätzlich gewissermaßen  als „Draufgabe“ versickert wird und hierdurch die Gesamtsituation des oberflächennahen Grundwassers noch weiter verschärft wird. Auch flächenmäßig zu kleine Baugrundstücke in Ballungsräumen können einer ortsnahen Niederschlagswasserbeseitigung auf diesen Grundstücken entgegenstehen, so dass eine andere Form der Niederschlagswasserbeseitigung gefunden werden muss wie etwa der Bau und Betrieb einer dezentralen Niederschlagswasser-Versickerungsanlage durch die Gemeinde in dem betroffenen Baugebiet oder eine Ableitung des Niederschlagswassers über einen Regenwasserkanal der Gemeinde. Insbesondere bei verschmutztem Niederschlagswasser kommt eine ortsnahe und direkte Einleitung in ein Gewässer (u.a. Fluss, Bach) nicht in Betracht, auch wenn an ein bebautes Grundstück unmittelbar ein Fluss oder Bach angrenzt. Vielmehr kann eine Einleitung nur dann genehmigt werden, wenn zuvor das Niederschlagswasser in einer Vorbehandlungsanlage gereinigt worden ist (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 17.5.2006 — Az.: 8 L 1661/05 -  Knopp in: Siedler/Zeitler/Dahme, WHG, Kommentar, § 24 WHG Rz. 9; Cormann in: Umweltrecht, Beck-OK, 1. Aufl. 2007, § 24 WHG a.F. Rz. 13; Czychowski/Reinhardt, WHG, Kommentar, 9. Aufl. 2007, § 24 WHG a.F. Rz. 5; Koll-Sarfeld in: Queitsch/Koll-Sarfeld/Wallbaum, Kommentar, § 35 LWG NRW Rz. 4 ; Queitsch in: Wellmann/Queitsch/Fröhlich, WHG, Kommentar, 1. Aufl. 2010, § 55 WHG Rz. 22).

 

Ohnehin bedarf die Einleitung in ein Gewässer grundsätzlich einer wasserrechtlichen Erlaubnis der zuständigen Wasserbehörde ( vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 17.9.2009 — Az.: 14 K 3002/09 - ; VG Arnsberg, Urteil vom 17.8.2009 — Az.: 14 K 1706/09 - ; VG Münster, Urteil vom 18.11.2008 — Az.: 1 K 2209/07 - ). Diese wird in Anbetracht der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG in Deutschland auf darauf zu achten haben, dass keine Einleitungen mehr erfolgen, die eine Verschlechterung des Gewässerzustandes bewirken können bzw. es müssen jedwede Einleitungen darauf geprüft werden, ob sie überhaupt noch weiter zugelassen werden können. Anderenfalls wird aller Voraussicht nach auch Ziel der EU-Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG verfehlt, einen guten ökologischen Zustand bei natürlichen Gewässern bzw.  ein gutes ökologisches Potenzial bei erheblich veränderten oder künstlichen Gewässern zu erreichen (§ 27 WHG). Ohnehin ist sog. Verschlechterungsverbot ist § 27 WHG als Bewirtschaftungsziel für oberirdische Gewässer ausdrücklich gesetzlich verankert worden. Insoweit ergibt sich aus der bundesrechtlichen Regelung in § 26 WHG (Eigentümer- und Anliegerbrauch), dass der Eigentümer- und Anliegergebrauch die Benutzung der oberirdischen Gewässer nur dann gestattet, wenn hierdurch weder eine nachteilige Veränderung des Wassers (Maßstab der Wassergüte), noch eine wesentliche Veränderung der Wasserführung (Maßstab der Wassermenge) und auch keine Beeinträchtigung des Wasserhaushaltes zu erwarten sind (vgl. Queitsch in: Wellmann/Queitsch/Fröhlich, WHG, Kommentar, 1. Aufl. 2010, § 55 WHG Rz. 21f.).

 

Darüber hinaus geht die jüngste Rechtsprechung zu den §§ 51 a, 53 Abs. 3 a LWG NRW ohnehin davon aus, dass eine Versickerung von Niederschlagswassers auf einem privaten Grundstück nicht nur die Vorlage eines hydrogeologischen Gutachtens durch den Grundstückseigentümer voraussetzt. Vielmehr muss auch die wasserrechtliche Unbedenklichkeit durch die untere Wasserbehörde festgestellt werden sowie die Freistellung von der Abwasserüberlassungspflicht (§ 53 Abs. 1 c LWG NRW) durch die Gemeinde erfolgen (vgl.  OVG NRW, Beschluss vom 24.6.2009 — Az.: 15 A 1187/08 — abrufbar unter: www.nrwe.de - ; VG Arnsberg, Urteil vom 17.9.2009 — Az.: 14 K 3002/09 - ; VG Arnsberg, Urteil vom 17.8.2009 — Az.: 14 K 1706/09 - ; VG Münster, Urteil vom 18.11.2008 — Az.: 1 K 2209/07 — abrufbar unter: www.nrwe.de). Der Grundstückseigentümer kann außerdem auch aus § 55 Abs. 2 WHG keinen Rechtsanspruch auf Versickerung des Regenwassers auf seinem Grundstück ableiten, weil sich diese Vorschrift in erster Linie an die abwasserbeseitigungspflichtige Gemeinde richtet (vgl.  Queitsch in: Wellmann/Queitsch/Fröhlich, WHG, Kommentar, 1. Aufl. 2010, § 55 WHG Rz. 13).

Az.: II/2 22-11 qu-qu

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