Mitteilungen - Jugend, Soziales, Gesundheit

StGB NRW-Mitteilung 634/2005 vom 22.08.2005

Neuer Bericht über die Lage der Familien

Die Bundesregierung ist vom Deutschen Bundestag beauftragt, mindestens in jeder zweiten Wahlperiode einen Bericht über die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland vorzulegen. Entsprechend hat Bundesfamilienministerin Renate Schmidt am 20. Februar 2003 eine Sachverständigenkommission berufen. Der 7. Sachverständigenbericht wurde am 16. August 2005 in Berlin offiziell der Familienministerin übergeben. Thematischer Schwerpunkt der Analyse ist die Balance von Familie und Arbeitswelt im Lebensverlauf. Die wesentlichen Forderungen und Handlungsempfehlungen der Sachverständigenkommission lassen sich wie folgt wiedergeben:

1. Aufbrechen des traditionellen Lebensverlaufes durch Optionszeiten
Der heute noch gängige klassische Lebensverlauf muss aus der Dreiteilung in die Phasen Kind/Teilhaber/Rentner herausgezogen werden. Durch Zerlegung in nicht unbedingt chronologisch aufeinander folgende Phasen kann die jetzt noch enorm verdichtete „rush hour des Lebens“ durch die Gleichzeitigkeit von Familiengründung und Berufsstart entzerrt werden. Es kann auch Zeit für andere gesellschaftlich wichtige „care“ und/oder Teilhabe-Aufgaben gewonnen werden. Hier schlägt die Kommission sogenannte Optionszeiten nach dem Vorbild der Erziehungszeit vor. Optionszeiten können sein: Erziehungs-, Bildungs- oder Pflegezeit oder auch andere Formen sozialer Arbeit. Noch unentschieden ist, ob die Kommission ein verpflichtendes Modell bevorzugt oder eher eines, das mit ökonomischen Anreizen arbeitet.

Durch Optionszeiten könnten die durch die längere Lebenserwartung gewonnenen Jahre genutzt werden, statt sie auf dem Altenteil zu verbringen. Die heute etwa 25 Jahre dauernde „Teilhabezeit“ (= Berufszeit bis zur Rente) würde ausgedehnt. Finanziert werden soll das Modell über die Rente: Die heute an einem Stück zu erbringenden 45 Erwerbsjahre bis zum Bezug der Rente könnte man aufteilen in mehrere Phasen, um dann in dazwischengeschobenen Optionszeiten z.B. 67% des Nettoeinkommens sozusagen als „Vorschuss“ auf die Rente zu beziehen.

2. Kommunale Infrastrukturen für Familien
Auf der Ebene der kommunalen Politik müssen Familien nicht länger nur als Empfänger von Leistungen, sondern im Gegenteil als „Investoren“ gesehen und auch so behandelt werden. Es müssen nicht nur qualitativ hochwertige Kinderbetreuungssysteme installiert, sondern auch neue Wohn- und Arbeitsformen entwickelt werden. Auch im Rahmen von Zeitpolitik (Abstimmung öffentlicher Institutionen und Infrastrukturen auf das Zeitbudget von Familien) lässt sich auf kommunaler Ebene viel für Familien bewegen. Der Familienbericht begrüßt ausdrücklich die Bundesinitiative „Lokale Bündnisse für Familie“ als neuartigen Ansatz, lokale Familienpolitik erfolgreich zu gestalten.

3. Einführung einer Familienkasse
Um die derzeit herrschende Zersplitterung in den Zuständigkeiten für einzelne familienpolitische Maßnahmen aufzuheben, sollten alle monetären Transferleistungen für Familien in einer „Familienkasse“ zusammengefasst werden. Nicht nur, damit Familien einen einzigen Ansprechpartner haben, sondern auch damit eine solche Institution einen dementsprechend größeren politischen Einfluss nehmen kann. Familie muss aus der Querschnittspolitik raus und endlich als „Solitär“ behandelt werden, damit Leistungen wie z.B. der Kinderzuschlag für Beamte nicht einfach anderweitig verplant werden können, sondern eindeutig als familienpolitische Leistung der Familienkasse „gehören“ (ebenso wie z.B. die Eigenheimzulage).

4. „Elterngeld als Zukunftsinvestition“
Ein einkommensabhängiges Elterngeld hat aus Sicht der Familienberichtskommission die gleiche Bedeutung wie die Fortbildung für den Beruf, denn es ist eine Freistellung von der Erwerbsarbeit zur Unterstützung der Entwicklung von Humanvermögen und Humankapital einer Wissensgesellschaft. „Im Sinne einer nachhaltigen Familienpolitik handelt es sich damit um eine Zukunftsinvestition einer Gesellschaft.(…) Die ausführliche Diskussion einer an das individuelle Erwerbseinkommen geknüpften Transferleistung während der frühesten Kinderphase hat vermutlich, wenn man die nordeuropäischen Länder hinsichtlich der Zahl der Mehrkinder-Familien mit der Bundesrepublik vergleicht, auch einen positiven demographischen Effekt. Diese Leistungen ermöglichen, sich für ein weiteres Kind zu entscheiden, da nicht befürchtet werden muss, dass mit einer Person mehr in der Familie jener Achterbahneffekt des Einkommens eintritt, der auch eine auf Dauer angelegte Reduktion des Einkommens nach sich zieht.“ Deshalb unterstützt die Familienberichtskommission das Elterngeld nach skandinavischem Vorbild.

5. Forschung nach dem Vorbild der USA
Hinsichtlich der Forschung sieht die Familienberichtskommission in Deutschland Bereiche, die im internationalen Vergleich standhalten können (z.B. Forschung zum Lebensverlauf und zur Zeitverwendung), aber auch Bereiche, in denen es deutliche Forschungslücken gibt (z.B. Infrastruktur für Kinder, Qualitätsstandards). Die Familienberichtskommission regt an, nach US-amerikanischem Vorbild, verstärkt eine interdisziplinäre und deutschlandweite Forschung zu etablieren.
Die Familienberichtskommission begrüßt es außerordentlich, dass neben den Aktivitäten der großen Forschungseinrichtungen, wie etwa der Deutschen Forschungsgemeinschaft, auch private Stiftungen große Mittel mit sichtbarem Erfolg investieren (z.B. Hertie-Stiftung, Bertelsmann-Stiftung, Robert-Bosch-Stiftung).

Eine Zusammenstellung der wichtigsten Informationen zum 7. Familienbericht kann unter www.dstgb.de dem Brennpunkt „Familienpolitik und Kommunen“ entnommen werden.

Az.: III 780

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