Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 394/2012 vom 23.07.2012

Monopolkommission zu Wasser und Energie bei der 8. GWB-Novelle

Die Monopolkommission nimmt in ihrem XIX. Hauptgutachten unter anderem Stellung zur 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). In Anlehnung an ihre bisherige Positionierung äußert sich die Kommission zu kommunalrelevanten Themen, wie der Wasserwirtschaft und des Energiekartellrechts. Die Monopolkommission spricht sich dabei erneut für die sektorspezifische Regulierung in der Trinkwasserversorgung aus und hält an ihrer Empfehlung fest, sowohl Preise als auch Gebühren, der Missbrauchskontrolle in der Wasserwirtschaft zu unterziehen. Aus kommunaler Sicht werden sowohl die Regulierungsinstrumente als auch eine Missbrauchskontrolle öffentlich-rechtlicher Gebühren ausdrücklich abgelehnt vgl. dazu auch StGB NRW-Mitteilung 205/2012 vom 05.03.2012).

Energiekartellrecht

Sektorspezifische Missbrauchsaufsicht über Energiemärkte

Bei den Regelungen der besonderen Missbrauchsaufsicht über Energiemärkte sieht die Monopolkommission nach wie vor Verbesserungsbedarf. Sie bedauert die geplante Verlängerung der speziellen Missbrauchsaufsicht für die Energiemärkte um weitere fünf Jahre. Die Vorschrift des § 29 GWB für eine spezielle Missbrauchsaufsicht der Energiemärkte sollte in ihrer Geltung nicht verlängert werden, da sie die Entwicklung echten und wirksamen Wettbewerbs behindert. Potenzielle wettbewerbliche Probleme vor der Ebene der letzten Stufe der Lieferkette ließen sich durch die Kontrolle der Endkundenmärkte für Strom und Gas ebenfalls nicht lösen. Schließlich mache die Anwendungspraxis des Bundeskartellamtes auch methodische Probleme bei der effizienten Kontrolle dieser Märkte deutlich.

Die sektorspezifische Missbrauchsaufsicht nach § 29 GWB sollte nach der Auffassung der Monopolkommission auch nicht auf die Märkte für Fernwärme und Trinkwasser ausgeweitet werden. Zwar sei eine Aufsicht über die Entgelte in diesen Sektoren dringend erforderlich, da es sich im Gegensatz zu den Märkten für Strom und Gas bei der Fernwärme- und Wasserversorgung in der Regel um langfristig resistente Monopole handelt. Andererseits legen methodische Probleme bei der effektiven Anwendung allgemeiner Missbrauchsvorschriften und systematische Überlegungen nahe, eine dauerhafte Kontrolle dieser Sektoren im Rahmen von Regulierung umzusetzen.

Konzessionsvergabe im Energiekartellrecht

Die Monopolkommission hält die Ergebnisse des Vorgehens der Kartellbehörden bei Verfahren zur Konzessionsvergabe durch eine entsprechende wettbewerbsfördernde Auslegung der Kartellrechtsnormen für begrüßenswert, da die Kommunen so angehalten werden, wettbewerbliche Grundsätze auch bei der Vergabe von Konzessionen zu berücksichtigen. Der in diesem Zusammenhang vom Bundeskartellamt zusammen mit der Bundesnetzagentur im Dezember 2010 veröffentliche Leitfaden könne hier eine entsprechende Aufklärung vor dem Hintergrund der anstehenden Konzessionsvergaben verbessern. Die Monopolkommission weist jedoch auch darauf hin, dass die Anwendung des Kartellrechts in den Fällen der Energienetzkonzessionen erfolge, weil oder auch obwohl das Vergaberecht keine entsprechende Regelung treffe.

Wasserwirtschaft

Kartellrechtsanwendung im Grenzbereich hoheitlicher Tätigkeit

Die Monopolkommission bekräftigt ihre Ansicht, dass sämtliche Wasserentgelte, also Preise und Gebühren, von den kartellrechtlichen Regelungen zu erfassen seien, da andernfalls eine “Flucht ins Gebührenrecht“ zulasten der Verbraucher drohe. Das Kartellrecht sei grundsätzlich auf jede wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand anwendbar. Unabhängig vom Eingreifen der sektorspezifischen Regulierung oder der spezifischen Missbrauchsaufsicht im Rahmen GWB müsse dies gesetzlich verankert werden. Sie begrüßt die Klarstellungen des BGH-Beschlusses in der Entscheidung „Niederbarnim“ (Beschluss vom 18.10.2011 - KVR 9/11), dass auch ein öffentlich-rechtlicher Wasserversorger, der die Leistungsbeziehungen zu seinen Abnehmern öffentlich-rechtlich ausgestaltet hat und Gebühren erhebt, ein Unternehmen i.S.d. § 59 Abs. 1 GWB darstellt und somit verpflichtet ist, dem Bundeskartellamt im Rahmen von Kartellverfahren Auskünfte zu erteilen.

Die Kommission weist darauf hin, dass in der Entscheidung ausdrücklich offengelassen wurde, ob - angesichts der „weitgehenden Austauschbarkeit“ öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Ausgestaltung der Leistungsbeziehung - ein derartiger Versorger auch ein Unternehmen i.S.d. § 19 GWB sei. Entscheidend für die Anwendbarkeit des Kartellrechts sei nicht die Organisationsform des Eigentümers bzw. des Handelnden oder die rechtliche Form der Leistungsbeziehung, sondern allein die funktionale Einordnung der betreffenden Tätigkeit. Angesichts der wiederholten Zurückhaltung des BGH, dieses auch für nur der rechtlichen Form nach hoheitliche, materiell aber wirtschaftliche Tätigkeiten zu entscheiden, empfiehlt die Monopolkommission eine Klarstellung des Gesetzgebers.

Neben der Beseitigung von Rechtsunsicherheiten habe dies den Vorteil, die Handelnden unmittelbar zu einer stärkeren Orientierung an Effizienzgesichtspunkten auch im Interesse ihrer Kunden anzuhalten. Die Monopolkommission weist darauf hin, dass eine solche Klarstellung auf deutlichen politischen Widerstand stoßen könnte und nimmt dabei Bezug auf die der kommunalen Spitzenverbände und des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) angeregte ablehnende Positionierung des Bundesrates zur 8. GWB-Novelle vom 30. April 2012.

Sektorspezifische Missbrauchsaufsicht über Regulierung in der Trinkwasserversorgung

Für die sektorspezifische Regulierung in der Trinkwasserversorgung unterstrich die Monopolkommission die Forderung nach einer sektorspezifischen Regulierung des Trinkwasserbereichs und unterbreitet detaillierte Vorschläge. Sie solle im Wege einer Anreizregulierung erfolgen und -jedenfalls zunächst- bei der Bundesnetzagentur angesiedelt sein. Bis zur Umsetzung dieser Forderung üben die Kartellbehörden die besondere Missbrauchsaufsicht nach § 31 RefE aus. In das GWB sei die Befugnis der Kartellbehörden aufzunehmen, im Rahmen des § 31 RefE Feststellungen für die Vergangenheit zu treffen und gegebenenfalls Rückzahlungen an die Verbraucher anzuordnen. Außerdem sei auch für Missbrauchsverfügungen nach § 31 Abs. 6 RefE die sofortige Vollziehbarkeit zu gewährleisten.

Die Monopolkommission weist erneut darauf hin, dass die leitungsgebundene Lieferung von Trinkwasser regelmäßig in geschlossenen Netzen erfolge und daraus in aller Regel eine Monopolstellung des lokalen Anbieters folge. Aus der Wettbewerbslosigkeit der Lieferverhältnisse würden häufig nur geringe Anreize zur produktiven Effizienz folgen, was wiederum ungerechtfertigt hohe Preise zur Folge haben könne. Sie verweist auf die Schwierigkeiten in der Praxis. Ihrer Ansicht nach seien Preissenkungsverfügungen, wie sie u.a. in jüngster Zeit von der baden-württembergischen Landeskartellbehörde gegen die Stadtwerke Calw GmbH, dem bekannt gewordenen Preismissbrauchsverfahren des Bundeskartellamtes gegen die Berliner Wasserbetriebe und die Stadtwerke Mainz verhängt wurden, grundsätzlich geeignet, missbräuchlich überhöhte Preise abzustellen und die betroffenen Unternehmen zu verstärkten Effizienzanstrengungen anzureizen.

Sie bedauert jedoch zugleich, dass bei der bislang erkennbaren Vorgehensweise des Bundeskartellamtes einerseits für dritte Unternehmen - soweit für die Monopolkommission erkennbar - keine Preissetzungsmaßstäbe ableitbar sind. Die grundsätzlich laufend und breiter notwendige Überprüfung der Trinkwasserpreise an Effizienzmaßstäben sei auf kartellrechtlicher Grundlage kaum möglich. Dabei erscheint zumindest denkbar, dass nicht zuletzt politische Erwägungen eine stringentere Durchsetzung des Kartellrechts in diesem Bereich behindern. Die Monopolkommission weist darauf hin, dass die Erfassung von in öffentlich-rechtlicher Form betriebenen Wasserversorgern nicht zuletzt vor dem Hintergrund der zunehmend zu beobachtenden „Flucht ins Gebührenrecht“ ein wesentliches Problem der Durchsetzung von Effizienzmaßstäben in der Trinkwasserversorgung darstelle. Zu diesem Aspekt erwarte man aktuell Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Gesetzgebers der 8. GWB-Novelle.

Maßstäbe der Trinkwasser-Preismissbrauchsaufsicht:

Kosten- oder Erlösprüfung

Nach Auffassung der Monopolkommission lasse es sich nicht generell bestimmen, ob es sich bei einer bestimmten Form des Vergleichsmarktkonzepts oder bei der Kostenprüfung um die vorzugswürdigere Prüfmethode handelt. Sie teile daher nicht die Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart in der Rechtssache „Energie Calw“ (Beschluss vom 25.8.2011 - 201 Kart 2/11), nach der die Kostenprüfung gegenüber dem Vergleichsmarktkonzept grundsätzlich nachrangig sein soll. So könne auch die Validität der Ergebnisse eines Erlösvergleichs aus verschiedenen Gründen infrage zu stellen sein.

Hierzu zählen insbesondere Einschränkungen der Vergleichbarkeit der Märkte z.B. aufgrund von Unterschieden bei den Gütern oder bei den Versorgungskosten. Eine weitere Möglichkeit, bei der der Erlösvergleich nicht zwingend adäquat erscheint, betrifft den Fall, dass Hinweise dafür vorliegen, dass die Unternehmen im Vergleichsmarkt unter Kosten anbieten. Monopolpreise stellen daher in aller Regel einen nur sehr eingeschränkt als Vergleichsmaßstab geeigneten Anhaltspunkt dar. Nach der Monopolkommission bedürfe es einer Abwägung und Entscheidung im Einzelfall, die in das Ermessen der Kartellbehörde zu stellen sei.

Bewertung

Die Monopolkommission bestätigt in dem 19. Hauptgutachten im Wesentlichen ihre bisherigen Positionen zur 8. GWB-Novelle und den kommunalrelevanten Regelungen zur Wasserwirtschaft und des Energiekartellrechts, die sie zuletzt in einem Sondergutachten vom 1. Februar 2012 veröffentlichte. Das Gutachten der Monopolkommission ist aus kommunaler Sicht aus den im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens in jüngster Zeit mehrfach von den kommunalen Spitzenverbänden und dem VKU geäußerten Bedenken zur Novellierung der 8. GWB-Novelle in einigen Punkten als sehr kritisch zu bewerten. Insbesondere die Empfehlungen der Monopolkommission eine gesetzliche Klarstellung anzustreben, die bereits für den Fall des Vorliegens einer öffentlich-rechtlich ausgestalteten Leistungsbeziehung vorsieht, die vom Versorger erhobenen Gebühren der Missbrauchskontrolle zu unterstellen, wird aus kommunaler Sicht nachdrücklich abgelehnt.

Eine Ausweitung der Befugnisse der Kartellbehörden auf eine umfassende Kontrolle öffentlich-rechtlicher Gebühren würde eine deutliche Überschreitung der Kompetenzen der Kartellbehörden bedeuten und das derzeit bestehende System der Gebührenermittlung und Kontrolle in den Ländern vollständig aushebeln. Um einer solcher Ausweitung zu begegnen, die zudem einen erheblichen Eingriff in den Kernbereich kommunaler Daseinsvorsorge bedeuten würde, fordern sowohl die kommunalen Spitzenverbände als auch der VKU eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, die vorsieht, dass Körperschaften, deren Leistungsbeziehungen zu den Bürgern öffentlich-rechtlich sind, nicht dem Anwendungsbereich des GWB unterliegen. Abgelehnt wird auch die von der Monopolkommission vertretende Ansicht einer sektorspezifischen Regulierung der Entgeltkontrolle in der Trinkwasserversorgung, die weder den besonderen Eigenschaften der Trinkwasserversorgung gerecht wird und die Gefahr weitreichender Folgen für die Versorgungssicherheit in sich birgt.

Positiv wird dagegen die ablehnende Haltung der Monopolkommission zur Ausweitung des Anwendungsbereichs des Energiesektors auf die Märkte für Fernwärme und Trinkwasser bewertet. Die Einführung der Möglichkeit der Kostenkontrolle bei der Missbrauchskontrolle über privatrechtlich ausgestaltete Wasserpreise wird aus kommunaler Sicht dagegen nur dann unterstützt, wenn die Kostenkontrolle die Besonderheiten der Wasserversorgung berücksichtigt.

Weiterer Zeitplan

Die Bundesregierung wird zum Gutachten der Monopolkommission nach Beteiligung der Wirtschaft eine Stellungnahme beschließen und diese Bundestag und Bundesrat bis Ende des Jahres vorlegen. Das XIX. Hauptgutachten der Monopolkommission ist im Internet unter http://www.monopolkommission.de/haupt_19/mopoko_volltext_h19.pdf abrufbar.

GWB-Novelle

Betreffend des Gesetzgebungsverfahrens zur 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbestimmungen werden sich die Ausschüsse des Bundestages nach Auskunft des federführenden Wirtschaftsausschusses erst nach der parlamentarischen Sommerpause, frühestens in der Sitzung am 26. September 2012, mit dem Entwurf befassen.

Az.: II/3 815-00

ICON/icon_verband ICON/icon_staedtebau ICON/icon_recht ICON/icon_finanzen ICON/icon_kultur ICON/icon_datenverarbeitung ICON/icon_gesundheit ICON/icon_verkehr ICON/icon_bau ICON/icon_umwelt icon-gemeindeverzeichnis icon-languarge icon-link-arrow icon-login icon-mail icon-plus icon-search