Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 408/2002 vom 05.07.2002

Mobilfunkstationen und Baugenehmigung

Eine Mobilfunkstation bedarf jedenfalls dann einer Baugenehmigung, wenn ihre Einfügung in ein bestehendes Gebäude diesem in mehr als nur untergeordnetem Umfang mit der gewerblichen eine Nutzung hinzufügt, welche von der bisherigen Nutzung abweicht.

Die Behörde braucht einen Betroffenen nicht speziell zu der Absicht anzuhören, gegen ihn unter Anordnung des Sofortvollzuges einschreiten zu wollen.

Zur Heilung des Mangels unterlassener Anhörung zum Grundverwaltungsakt im gerichtlichen Eilverfahren.

Nieders. OVG, Beschl. vom 31. Jan. 2002 - 1 MA 4216/01

Zum Sachverhalt:

Die Antragsgegnerin untersagte der Antragstellerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Nutzung einer Mobilfunkstation, die sie auf dem Dachboden einer auf der Grenze stehenden Scheune errichtet hatte. Die Anlage besteht aus einem Tragrohr, welches ca. 9,10 m hoch aus der Dachhaut heraustritt und mit 6 sogenannten Sektoranten bestückt ist, sowie einer technischen Versorgungseinheit (Technikraum), die ein Volumen von 29,60 m³ aufweist und auf einer Stahlunterkonstruktion aufgestellt worden ist, deren Lagertaschen in tragende Wände der Scheune eingelassen wurden. Eine Baugenehmigung hatte die Antragstellerin bei Errichtung der Anlage nicht eingeholt; ihre Erteilung lehnte die Antragsgegnerin zwischenzeitlich durch Bescheid vom 12. November 2001 ab. Zuvor hatte sie durch Bescheid vom 1. November 2001, ohne die Antragstellerin zu dieser Absicht zuvor angehört zu haben, die Nutzung der Mobilfunkstation nebst Antenne unter Anordnung des Sofortvollzuges untersagt. Da VG hat den Eilantrag abgewiesen. Der Zulassungsantrag hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

... Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung mit der (wohl) herrschenden Meinung (vgl. Jörg Schmidt, in: Eyermann, VwGO, Komm., 11. Aufl., § 80 Rdn. 41 m.w.N.) die Auffassung, daß vor Erlaß einer Vollziehungsanordnung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwG0 der Betroffene nicht gesondert angehört werden muß (vgl. z.B. Beschl. v. 28.04.1989 - 1 OVG B 114/88 -, DVBl. 1989, 887, 888 f.). Dabei kann unentschieden bleiben, ob die Anordnung des Sofortvollzuges einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG darstellt oder ob - was die Definition dieser Vorschrift nicht zwingend voraussetzen dürfte - dazu erforderlich ist, daß die Anordnung in Bestandskraft zu erwachsen vermag. Selbst wenn es sich bei der Anordnung des Sofortvollzuges um einen Verwaltungsakt handelte, wären die an seine formelle Rechtmäßigkeit zu stellenden Anforderungen durch das Sonderrechtsregime, welches § 80 VwG0 errichtet, abschließend bestimmt. Dessen Abs. 3 ordnet lediglich an, daß die Anordnung des Sofortvollzuges gesondert begründet werden muß. Weitergehende Anforderungen stellt diese Vorschrift nicht.

... Im Ergebnis ist auch nicht zu beanstanden, daß das VG die Folgen der unterbliebenen Anhörung zur Grundverfügung als durch die Äußerung der Antragsgegnerin vom 13. November 2001 (BI. 54 f. d. GA) im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt angesehen hat.

... Es sprechen des weiteren die besseren Gründe für die Annahme, daß es zur Errichtung und Inbetriebnahme der streitigen Anlage einer Baugenehmigung bedarf, deren Fehlen den Erlaß des Nutzungsverbotes grundsätzlich rechtfertigt. Dies ergibt sich daraus, daß mit dem Einbau des Mastes nebst zugehörigem, knapp 30 m³ einnehmenden Technikraum die Nutzung des Scheunengebäudes in einer die Genehmigungspflicht nach §§ 68 Abs. 1, 2 Abs. 5, 69 Abs. 4 Nr. 1 NBauO auslösenden Weise geändert worden ist. Denn die bislang offenbar landwirtschaftlichen oder sonstigen Zwecken dienende Scheune erfährt durch den Einbau der Sendeanlage eine wesentliche Änderung. Es tritt zu der bisherigen Nutzung eine gewerbliche Nutzung hinzu, welche mit der bislang ausgeübten und möglicherweise genehmigten Nutzung nicht in einem inhaltlichen Zusammenhang steht, sondern sich von der bisherigen Nutzung so unterscheidet, daß sie anderen oder weitergehenden Anforderungen bauordnungs- oder bauplanungsrechtlicher Art unterworfen ist oder zumindest in einer die Genehmigungspflicht auslösenden Weise sein kann (vgl. vor allem Hess. VGH, Beschl. v. 19.12.2000 - 4 TG 3639/00 -, NVwZ-RR 2001, 429 unter Hinw. auf Hess. VGH, BauR 1980, 251 und BW VGH, DÖV 2000, 82 = BWVBI. 1999, 218). Dabei mag es zwar angesichts der gesetzgeberischen Wertung in Nrn. 3.8 und 4.2 des Anhangs zur NBauO (genehmigungsfreie bauliche Anlagen und Teile baulicher Anlagen) zweifelhaft sein, ob jedwede, das heißt auch noch so geringfügige Veränderung der baulichen Nutzung eines Gebäudes die Genehmigungspflicht für Errichtung und Inbetriebnahme einer Mobilfunkstation auszulösen vermag (zweifelnd etwa Jung, ZfBR 2001, 24, 29 unter C.II.). Solche Abgrenzungs-Zweifelsfragen, welche zur Zulassung der Beschwerde hätten führen müssen, werden hier indes nicht aufgeworfen. Denn der Technikraum und der Mast mit den 6 sogenannten Sektoranten ist als bauliche Einheit zu betrachten, welche nicht künstlich in verschiedene, je für sich genehmigungsfreie Teilelemente aufgespalten werden kann (vgl. etwa auch BVerwG, Beschl. v. 01.11.1999 - 4 B 3.99 -, NVwZ 2000, 680 unter 2.). Mit immerhin knapp 30 m³ Technikraum und der Notwendigkeit, diesen mit einer Stahlunterkonstruktion in die tragenden Wände der Scheune zu verankern, ist der Bereich, für den man an der Genehmigungspflichtigkeit wegen untergeordneter Änderung der bisherigen Nutzung noch zweifeln könnte, deutlich verlassen. Nicht nur wird eine beachtliche Fläche des Scheunengebäudes durch diese Anlage in Anspruch genommen. Sie tritt auch nach außen hin in einer Weise deutlich in Erscheinung, daß sie dem bislang landwirtschaftlich geprägten Gebäude einen neuen, davon deutlich unterschiedenen gewerblichen Nutzungszweck aufträgt. Ein Wertungswiderspruch zu den Nrn. 3.8 und 4.2 des Anhangs zur NBau0 liegt darin nicht. Denn die in der Nr. 4.2 genannten Anlagen sind von einer Art, die entweder der Nutzung des Gebäudes dienend zugeordnet sind (Antennenanlagen, Fahnenmasten, Blitzschutzanlagen) oder aber ihre Nutzung im Allgemeininteresse geringfügig erweitern (Sirenen und deren Masten). Ein Widerspruch zu den übrigen in der Nr. 4.2 sowie der Nr. 3.8 erfaßten baulichen Anlagen besteht schon deshalb nicht, weil es sich dort um selbständige Anlagen handelt und sich daher die Frage der Nutzungsänderung einer bestehenden baulichen Anlage nicht stellt.

Schon diese formelle Baurechtswidrigkeit rechtfertigt nach ständiger Senatsrechtsprechung grundsätzlich den Ausspruch eines Nutzungsverbotes....

Az.: II/1 615-02

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