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StGB NRW-Mitteilung 400/2019 vom 26.07.2019

Debatte über Versorgung mit Krankenhäusern in Deutschland

Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, nach der die Zahl der Kliniken in Deutschland auf weniger als 600 verringert werden sollte, hat zu einer heftigen Diskussion geführt. Das Gutachten schlägt vor, mehr als die Hälfte der Krankenhäuser in Deutschland zu schließen. In Zukunft solle es weniger, dafür aber größere Kliniken geben, heißt es in der Untersuchung, die vom Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) im Auftrag der Stiftung erstellt wurde. Auf diese Weise könnten die verbleibenden Krankenhäuser großzügiger mit Personal und Technik ausgestattet werden und so die Patienten besser versorgen.

Aus kommunaler Sicht wird die Studie der Versorgungsrealität nicht gerecht. Sie verkennt, welchen Stellenwert Krankenhäuser in ländlichen Regionen haben. Auch ist die Behauptung fraglich, dass die Patienten immer einen ausgewiesenen Spezialisten brauchen. Statt der Schließung sollten Krankenhäuser in ländlichen Regionen zu Gesundheitszentren ausgebaut werden. 

Der Analyse wurden die 1.364 Kliniken zugrunde gelegt, die in den Krankenhausplänen der Bundesländer zur allgemeinen Versorgung verzeichnet sind. Insgesamt gibt es in Deutschland 1.942 Krankenhäuser, darunter aber zum Beispiel auch psychiatrische Kliniken, die in der Studie nicht berücksichtigt wurden. Den Autoren zufolge verfügen 666 deutsche Kliniken über 100 Betten oder weniger. Das führe zu niedrigen Behandlungszahlen und in der Folge zu einer unzureichenden Behandlungsqualität wegen fehlender Erfahrung der Ärzte. Auch bemängelt die Studie, dass in kleinen Häusern nicht genügend Mediziner vorhanden seien, um zum Beispiel rund um die Uhr einen HNO-Facharzt bereitzuhalten.

In der Studie heißt es, kleine Krankenhäuser verfügten oft nicht über die nötige Ausstattung und Erfahrung, um lebensbedrohliche Notfälle angemessen zu behandeln. Viele Komplikationen und Todesfälle ließen sich deshalb vermeiden, wenn die Zahl der Krankenhäuser reduziert würde. Zudem könnten bestehende Engpässe bei Ärzten und Pflegepersonal gesenkt werden. 2017 verfügte zum Beispiel jede dritte Klinik nicht über einen Computertomografen und 61 Prozent nicht über ein Gerät für die Koronarangiographie. Weiter heißt es, dass ein schnell zu erreichendes Krankenhaus, das schlecht ausgestattet und dessen Personal wenig spezialisiert sei, für Patienten weniger hilfreich sei als ein Haus, das weiter weg liege, dafür aber eine gute Versorgungsqualität biete. Die Studie stützt sich dabei auf die Region Köln-Leverkusen. Dort seien – so die Autoren – 24 der 38 Krankenhäuser verzichtbar.  

Die Bundesärztekammer wies die Vorschläge bereits als „befremdlich“ zurück. Eine flächendeckende Versorgung müsse sichergestellt sein, betonte Verbandspräsident Reinhardt. Auch im Katastrophenfall hätten Krankenhäuser eine wichtige Funktion. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisierte, wer vorschlage, einen Großteil der Kliniken platt zu machen, propagiere die Zerstörung von sozialer Infrastruktur in einem geradezu abenteuerlichen Ausmaß.

Die Krankenhausgesellschaft weist richtigerweise darauf hin, dass ein großer Teil des stationären medizinischen Versorgungsbedarfs keiner Spezialisierung bedürfe. Es handele sich um medizinische Grundversorgung, wie Geburten, altersbedingte oder neurologische Krankheitsbilder sowie geriatrischen Versorgungsbedarf, die möglichst familien- und wohnortnah in erreichbaren Krankenhäusern erbracht werden müssen.  

Der SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach hält eine Reduzierung der Kliniken von 1.400 auf 600 Häuser für falsch. Überkapazitäten gebe es vor allem in den Städten, auf dem Land aber drohe vielerorts eine Unterversorgung. Auch der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Nüßlein erklärte, dass die Zahl der Betten zu hoch sei, bedeute nicht, dass es zu viele Krankenhäuser gebe. 

Für eine stärkere Zentralisierung sprach sich der Verbraucherzentrale Bundesverband aus. Der Vorschlag der stärkeren Zentralisierung sei richtig und im Sinne der Patienten, da er dazu beitrage die Versorgung zu verbessern. Zugleich müsse die regionale Versorgung und die Erreichbarkeit im Notfall gesichert sein. 

Anmerkungen aus kommunaler Sicht: 

Studien, die einen Konzentrationsprozess mit einer derart drastischen Zahl von Krankenhausschließungen befürworten, werden der Situation und dem Bedarf vor Ort nicht gerecht. Eine wohnortnahe Grundversorgung, eine zeitnahe Notfallversorgung und Spitzenmedizin in den Häusern der Maximalversorgung müssen gewährleistet bleiben. Die Studie der Bertelsmann-Stiftung stützt sich auf eine Simulation für die Region Köln/Leverkusen. Man hätte auch mehr ländliche Regionen untersuchen müssen. In vielen dieser Regionen mangelt es bereits heute nicht nur an stationären Angeboten, sondern auch an niedergelassenen Ärzten.

Die Studie widerspricht auch den Forderungen der Facharbeitsgruppe „Soziale Daseinsvorsorge“ der Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse. Richtig ist, dass es durchaus in einzelnen Regionen eine Überversorgung geben kann, auf der anderen Seite klagen Krankenhäuser aber über eine Überlastung der Notaufnahme. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Versorgungsengpässe im ambulanten Bereich sich in den letzten Jahren verschärft haben. Notwendig ist zum einen eine Krankenhausplanung, die die regionalen Besonderheiten in den Blick nimmt und Parallelstrukturen abbaut, zum anderen aber dringend eine bessere Verzahnung von ambulanter und stationärer medizinischer Versorgung einschließlich der Notfallversorgung. (Quelle: DStGB Aktuell 2919)

Az.: 38.1.3-002/003

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