Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 99/2013 vom 11.01.2013

Landtagsanhörung zur Dichtheitsprüfung bei Abwasserleitungen

Am 09.01.2013 fand im Landtag NRW eine öffentliche Anhörung zum Thema „Dichtheitsprüfung bei privaten Abwasserleitungen“ statt. Die Anhörung wurde sowohl vom Ausschuss für Kommunalpolitik als auch vom Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landtages durchgeführt.

Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände hatte mit Datum vom 20.12.2012 eine Stellungnahme zur Landtags-Anhörung abgegeben (vgl. hierzu auch bereits die Mitt. StGB NRW 2012 Nr. 656 und 655). Die in dieser Stellungnahme niederlegten Positionen wurden in der Landtags-Anhörung am 09.01.2013 durch die kommunalen Spitzenverbände dargestellt. Diese Stellungnahme kann im Intranet des StGB NRW unter Fachgebiete≥Fachinfo/Service≥Umwelt, Abfall und Abwasser abgerufen werden.

Gegenstand der Anhörung war der

  • Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (LT-Drucksache 16/1264) sowie der dazu gehörige Entschließungsantrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (LT-Drucksache 16/1265)
  • Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und FDP (LT-Drucksache 16/45) sowie
  • der Antrag der FDP-Fraktion (LT-Drucksache 16/1270).

1. Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (LT-Drucksache 16/1264 und 16/1265)

Der Gesetzentwurf (LT-Drucksache 16/1264) sieht vor, dass der heute geltende § 61 a LWG NRW komplett gestrichen wird. In § 61 Abs. 2 LWG NRW-Änderungsentwurf (Selbstüberwachung von Abwasseranlagen) ist zugleich eine Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung vorgesehen. In dieser Rechtsverordnung sollen sämtliche Einzelheiten zur Funktionsprüfung bei privaten Abwasserleitungen wie z.B. Fristen, Prüfmethoden, Prüfbescheinigungen geregelt werden (LT-Drucksache 16/1265).

  • In Wasserschutzgebieten soll die Erstprüfung von bestehenden Abwasserleitungen, die vor dem 01.01.1965 (häusliches Abwasser) bzw. vor dem 01.01.1990 (industrielles oder gewerbliches Abwasser) errichtet worden sind bis zum 31.12.2015. 
  • Alle anderen Abwasserleitungen in Wasserschutzgebieten sollen bis zum 31.12.2020 geprüft werden.
  • Außerhalb von Wasserschutzgebieten sollen bis zum 31.12.2020 nur solche bestehenden Abwasserleitungen geprüft werden, die industrielles oder gewerbliches Abwasser führen, wenn für dieses industrielle oder gewerbliche Abwasser Anforderungen in den Anhängen der Abwasser-Verordnung des Bundes festgelegt sind.
  • Für alle anderen privaten Abwasserleitungen außerhalb von Wasserschutzgebieten sollen die Prüffristen komplett entfallen.
  • Bei der Sanierung von Abwasserleitungen soll gelten: Bei einsturzgefährdeten Abwasserleitungen (Schadensklasse A) ist grundsätzlich eine kurzfristige Sanierung erforderlich. Bei mittelgroßen Schäden (Schadensklasse B) soll die Abwasserleitung grundsätzlich in einem Zeitraum von 10 Jahren saniert werden. Bei Bagatellschäden (Schadensklasse C) soll keine Sanierung erforderlich sein.
  • Die Landesregierung fördert die Sanierung von privaten Abwasserleitungen. Hierzu gehört in einem ersten Schritt, dass seit dem 01.01.2012 über das Programm „Ressourceneffiziente Abwasserbeseitigung (ResA)“ für die Sanierung von privaten Abwasserleitungen ein zinsverbilligter Kredit (Zinssatz 1 %) gewährt wird (Förderbereich 5.5). In einem zweiten Schritt ist seit dem 31.10.2012 der Förderbaustein (Förderbereich 5.4) des Landes-Förderprogrammes ResA um die Sanierung von Abwasseranlagen auf privaten Liegenschaften ergänzt worden. Gefördert wird die Sanierung von privaten Abwasserleitungen mit einem Zuschuss von bis zu 50 % der zuwendungsfähigen Ausgaben, wenn der betroffene Grundstückseigentümer Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches  Zwölftes Buch (SGB XII) oder ALG II bezieht, die Immobilie selbst bewohnt wird und Anspruch auf Übernahme der mit der Sanierung der privaten Abwasserleitung verbundenen, einmalig anfallenden Unterkunftskosten durch die Kommune hat.
  • Die Städte und Gemeinden sollen weiterhin die Grundstückeigentümer/innen über die Durchführung der Funktionsprüfung bei privaten Abwasserleitungen unterrichten und beraten (§ 53 Abs. e Satz 2 LWG NRW-Entwurf).

2. Gesetzentwurf von CDU und FDP (LT-Drucksache 16/45)

Der Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und FDP hält zwar an der Dichtheitsprüfung bei der Neuerrichtung von privaten Abwasserleitungen fest. Bei bestehenden, privaten Abwasserleitungen wird die Pflicht zur Prüfung allerdings nur dann begründet, wenn eine „bedeutende Änderung einer privaten Abwasserleitung“ oder ein „begründeter Verdacht“ vorliegt, weil z.B. eine bedeutende Änderung der Bodenstruktur festzustellen ist oder der begründete Verdacht einer Boden- und Grundwasserverschmutzung besteht.

3. Landtags-Anhörung

Durch Herrn Prof. Dr. med. Exner (Universität Bonn) wurde herausgestellt, dass undichte Abwasserleitungen zumindest in Wasserschutzgebieten eine Beeinträchtigung der Trinkwasserversorgung herbeiführen können. Hierbei geht es insbesondere um Krankheitserreger wie z. B. Viren, Bakterien und Parasiten im menschlichen Abwasser, welches durch undichte Abwasserleitungen in den Boden, das Grundwasser oder die Flüsse und Bäche gelangen kann. Es gehe ebenso um chemisch-physikalische Substanzen, die im Abwasser von Gewerbebetrieben auftreten können (z. B. PFT).

Prof. Dr. Weining (Fachhochschule Bielefeld) wies insbesondere darauf hin, dass Arzneimittelreststoffe im Abwasser das Trinkwasser gefährden können. In der Trinkwasseraufbereitung könnten Kosten bis zu 40 Cent pro m3 Trinkwasser entstehen, um etwa durch Aktivkohlefilterung diese Reststoffe wieder zu entfernen, wenn undichte Abwasserleitungen Einträge in Boden und Grundwasser zur Folge gehabt hätten. Diese vorstehenden Beurteilungen wurden lediglich durch Herrn Prof. Dr. Hepcke nicht geteilt, der den Standpunkt vertrat, dass die Eintragspfade in die Umwelt durch undichte private Abwasserleitungen nicht von Relevanz seien.

Durch die Stadt Solingen wurde dargestellt, dass im September 2012 auf der dortigen Stadtautobahn ein tiefes Loch entstanden war, weil eine private Abwasserleitung unterhalb der Stadtautobahn eingebrochen war. Personenschäden seien allerdings zum Glück nicht entstanden. Insoweit wurde seitens der Stadt Solingen darauf hingewiesen, dass eine Überprüfung der Funktionstüchtigkeit von privaten Abwasserleitungen auch unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr unverzichtbar sei. Die Stadt Lünen dokumentierte, dass von den 18.800 Grundstücken im Stadtgebiet bislang auf 4.000 Grundstücken die privaten Abwasserleitungen untersucht worden seien.

Dabei hätten 16,5 % der 4.000 privaten Abwasserleitungen keine Schäden aufgewiesen. 83,5 % waren schadhaft. Bei diesen schadhaften privaten Abwasserleitungen wiesen 17,5 % erhebliche Schäden auf, 60 % müssen mittelfristig saniert werden und bei 23 % lagen lediglich Bagatellschäden vor, die keiner Sanierung bedürfen. Die Stadt Lünen bestätigte ebenso wie die Stadt Herne, dass die Pflicht zur Prüfung privater Abwasserleitungen sachgerecht mit den Grundstückseigentümern gemeinsam umgesetzt werden konnte, ohne dass ein Grundstückseigentümer dabei finanziell überfordert worden sei.

Es muss nunmehr abgewartet werden, welche Schlussfolgerungen im Landtag NRW aus der Anhörung gezogen werden. Es wird diesseits davon ausgegangen, dass vor Mai 2013 nicht mit einer gesetzlichen Neuregelung gerechnet werden kann. Weiterhin gilt die Empfehlung, dass bis zu einer gesetzlichen Neuregelung durch eine Stadt bzw. Gemeinde den privaten Grundstückeigentümern keine Dichtheitsprüfungen auf der Grundlage der geltenden Regelung in § 61 a LWG NRW aufgegeben werden sollte. Über das weitere Verfahren wird berichtet.

Az.: II/2 24-30 qu-qu

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