Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 564/2011 vom 04.11.2011

Landtags-Anhörung zum Kreislaufwirtschaftsgesetz I

Am 13. Oktober 2011 fand im Landtag NRW eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zur Änderung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes statt. Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände (Städtetag NW, Landkreistag NW, Städte- und Gemeindebund NRW) sowie der VKU (Abfallwirtschaft und Stadtreinigung VKS NRW) haben mit Datum vom 04.10.2011 eine 8seitige Stellungnahme abgegeben. Die Stellungnahme ist im Intranet des Städte- und Gemeindebundes NRW abrufbar gestellt unter Fachinfo/Service, Fachgebiete, Umwelt/Abfall und Abwasser.

In der Stellungnahme vom 4.10.2011 ist zum Thema „gewerbliche Abfallsammlungen“ unter anderem auf Folgendes hingewiesen worden:

„Es genügt nicht, Abfallüberlassungspflichten für private Haushaltungen zu regeln (§ 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG-Entwurf) und diese im Nachgang durch die Zulassung von flächendeckenden gewerblichen Sammlungen auszuhebeln (§§ 17 Abs. 3, 18 KrWG-Entwurf). Denn fallen Einnahmen bzw. Erlöse aus der Verwertung von Abfällen bei den Städten, Gemeinden und Landkreisen weg, so können diese nicht mehr dafür eingesetzt werden, einen Teil der Gesamtkosten der umweltverträglichen Abfallentsorgung zu decken und den Gebührenbedarf zu senken. Nach dem kommunalabgabenrechtlichen Kostendeckungsprinzip müssen dann vielmehr alle Kosten der Abfallentsorgung an die Bürgerinnen und Bürger weitergeben werden, was zwangsläufig einen Anstieg der Abfallgebühren zur Folge hat. Gleichwohl soll es privaten gewerblichen Sammlern zukünftig möglich sein, verwertbare Abfälle aus privaten Haushalten auf vertraglicher Grundlage in dauerhaft festen Strukturen zu entsorgen (Definition der gewerblichen Sammlung in § 3 Nr. 18 KrWG-Entwurf). Damit wird das zugunsten der Kommunen ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.6.2009 (Az.: 7 C 16.08 — NVwZ 2009, S. 1292ff.) ausgehebelt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte am 18.6.2009 (Az.: 7 C 16.08) in beeindruckender Klarheit entschieden, dass die öffentliche (kommunale) Abfallentsorgung durch parallele private Entsorgungsstrukturen nicht gefährdet oder ausgehöhlt werden darf. Deshalb seien gewerbliche Abfallsammlungen gelegentlich möglich, jedoch nicht in dauerhaft festen Strukturen in Konkurrenz zur kommunalen Abfallentsorgung.

Auch die von der Bundesregierung vorgeschobenen europarechtlichen Gründe für die Ausweitung der gewerblichen Sammlungen überzeugen nicht, denn bereits das Bundesverwaltungsgericht hatte sich in seinem Urteil vom 18.6.2009 (Az.: 7 C 16.08) intensiv auch mit den europarechtlichen Fragestellungen auseinandergesetzt und die heute bereits in § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz getroffene Regelung zu den gewerblichen Sammlungen für europarechtskonform erachtet. Dieses ist durch das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 4.7.2011 (Az.: 7 B 26.11) erneut bestätigt worden. Insbesondere wird die europäische Warenverkehrsfreiheit im Rahmen einer geordneten, kommunalen Erfassung von verwertbaren Abfällen in vollem Umfang gewährleistet. Schließlich werden die erfassten Abfälle durch die Städte, Gemeinden und Kreise dem „Verwertungsmarkt“ zugeführt. Weshalb nunmehr Wohnstraßen zukünftig zu „Wettkampfarenen“ für gewerbliche Sammler mit allen nachteiligen Folgen für die Wohnqualität und die Verkehrssicherheit umgestaltet werden sollen, erschließt sich deshalb nicht. Die von der Bundesregierung dargestellten europarechtlichen Notwendigkeiten für eine breite Zulassung von gewerblichen Abfallsammlungen sind nicht gegeben. Die Entsorgung von Abfällen aus privaten Haushaltungen ist eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse und damit eine Daseinsvorsorgeaufgabe, deren Erfüllung in der Verantwortung der öffentlichen Hand liegen muss. In der Rechtssache C-360/96 (Arnhem/Rheden, Urteil vom 10.11.1998) hat der Europäische Gerichtshof ausgeführt: „Das Abholen und die Behandlung von Haushaltsabfällen ist unbestreitbar eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe. Sie kann möglicherweise durch das Angebot von Dienstleistungen der Müllabfuhr, das zur Gänze oder zum Teil private Unternehmen den Bürgern machen, nicht in dem Maß erfüllt werden, das aus Gründen der öffentlichen Gesundheit und des Umweltschutzes für erforderlich gehalten wird. Daher gehört sie zu denjenigen Aufgaben, die ein Staat von Behörden wahrnehmen lassen kann oder auf die er einen entscheidenden Einfluss behalten möchte.“

Nur eine kommunale Zuständigkeit gewährt eine auf Dauer angelegte flächendeckende und in jedem Winkel des Gemeindegebietes zuverlässige Entsorgung auf hohem ökologischem Niveau und zu sozial verträglichen Gebühren.

Nach dem erwähnten Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist außerdem die Position der Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge ebenso durch den Vertrag von Lissabon (Art. 4, Protokoll Nr. 26) ausdrücklich gestärkt worden: In einer Information der Bundesregierung (Magazin zur Europapolitik, Nr. 66 07/2010, S. 2) heißt es: „... Daseinsvorsorgeleistungen wie z. B. ... Entsorgung werden hauptsächlich von den (Kommunen) erbracht. Ihre konkrete Umsetzung stand bisher in einem Spannungsverhältnis zum europäischen Wettbewerbsrecht... Die Festschreibung des Prinzips der kommunalen Selbstverwaltung (im Vertrag von Lissabon) hat nun zur Folge, dass viele öffentliche Dienstleistungen nicht mehr automatisch vom Wettbewerbsrecht der EU betroffen sind. Das Recht der eigenverantwortlichen Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge wird garantiert.“

Über Jahrzehnte haben die Kommunen in Deutschland mit erheblichem Aufwand öffentliche Abfall-Entsorgungsstrukturen geschaffen, die eine umweltverträgliche und zunehmend auch getrennte Erfassung von Wertstoffen einschließlich einer hochwertigen Verwertung der vielfältigen Haushaltsabfälle gewährleisten. Wesentliches Element ist dabei, dass die Kommune und damit letztlich über die Stadt-, Gemeinde- oder Kreisvertretung die Bürger über die Organisation der Abfallentsorgung der örtlichen Gemeinschaft entscheiden. Dank der starken Rolle der Kommunen ist die Recyclingquote mit 64 % die höchste in Europa. Ihrer Entsorgungsverantwortung können Kommunen aber nur gerecht werden, wenn sie selbst — und nicht Dritte — entscheiden, wie sie die ihnen zugewiesenen Aufgaben erfüllen. Dazu gehört auch die Entscheidung, eine Aufgabe selbst, durch ein beauftragtes öffentliches Unternehmen, im Wege von Kooperationen oder — in der Regel nach erfolgter Ausschreibung — durch ein privates Unternehmen wahrnehmen zu können. Diese Aufgabenerfüllung durch die Kommunen genießt den verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 28 Abs. 2 GG. …

Der Regierungsentwurf für das KrWG geht weit über die von der EU-Abfallrahmen-Richtlinie geforderten Umsetzungsmaßnahmen hinaus. Insbesondere die aus Sicht der Kommunen und kommunalen Unternehmen kritischen Regelungen zu den gewerblichen Sammlungen beruhen nicht auf Vorgaben der EU-Abfallrahmen-Richtlinie. Andere EU-Mitgliedstaatenwie z. B. Österreich haben inzwischen die EU-Abfallrichtlinie umgesetzt. Vergleichbare Regelungen zu gewerblichen Sammlungen haben diese Staaten nicht geschaffen, ohne dass diese Lösungen von europäischen Institutionen beanstandet worden wäre. Dass der angedachte Weg der Bundesregierung nicht zielführend ist, kann auch am Beispiel Polen gesehen werden. Das EU-Mitgliedsland Polen wird zum 01.01.2012 den Ausschluss- und Benutzungszwang in der Abfallentsorgung wieder einführen, nachdem es seit dem EU-Beitritt die Segnungen des freien Marktes erfahren konnte. Ein Weg, der im Übrigen in vollen Einklang mit dem EU-Recht steht. Ohne Not enthält der vorliegende Entwurf des KrWG grundlegende ordnungspolitische Weichenstellungen für die Zukunft der Abfallwirtschaft in Deutschland: Der Entwurf der Bundesregierung für ein KrWG zielt auf die Liberalisierung der Abfallwirtschaft und die Abkehr von verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Strukturen ab. Aus unternehmerischer Sicht ist es geboten, vor allem in den Bereichen Wertstoffe zu sammeln, in denen dies besonders effizient ist. „Rosinenpicken“ ist aufgrund der verfehlten Anreize des Gesetzes damit die wirtschaftlich rationale Verhaltensweise für private Entsorger. In letzter Konsequenz wird die Sammlungstätigkeit durch die volatilen Wertstoffpreise bestimmt. Das hat sich zuletzt während der Wirtschaftskrise 2008 und 2009 gezeigt, als private Entsorger, die in Zeiten hoher Papierpreise eigene Sammelstrukturen neben den kommunalen Papiererfassungssystemen aufgebaut hatten, sich von der Sammlung von Papier wieder zurückgezogen haben und die Kommunen entsprechend wieder einspringen mussten. Auch der Blick auf die Gewerbemüllabfälle in Deutschland zeigt keine Vorteile einer Liberalisierung. Die Gewerbebetriebe sind selbst dafür verantwortlich, dass ihre zum Recycling geeigneten Abfälle ordnungsgemäß entsorgt werden. Dieses System, das keine Überlassungspflichten wie beim Hausmüll kennt, führt aber nicht zu einer besseren Wiederverwertungsquote. Tatsächlich ist nicht einmal bekannt, wie groß diese Abfallmengen sind und wie sie verwertet werden. Millionen von Tonnen tauchten in den vergangenen Jahren etwa in Tongruben in Vehlitz und Möckern, in Biomasseheizkraftwerken oder auf ausländischen Deponien auf. Auch die Bilanz der dualen Systeme in Deutschland fällt zwiespältig aus: Aus den Zahlen der Systembetreiber folgt, dass derzeit deutlich mehr Kunststoff energetisch verwertet wird als stofflich“.

Az.: II/2 31-02 qu-ko

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