Mitteilungen - Jugend, Soziales, Gesundheit

StGB NRW-Mitteilung 115/1996 vom 05.03.1996

Landespflegegesetz Nordrhein-Westfalen

Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Nordrhein-Westfalen hat sich mit schreiben vom 08.02.1996 an den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen mit folgendem Schreiben gewandt:

"Die kommunalen Spitzenverbände beklagen die mangelhafte Beteiligung bei der Erarbeitung der Entwürfe des Landespflegegesetzes und der hierzu vorgesehenen Verordnungen. Verfahrensfragen wären zu vernachlässigen, wenn die Inhalte der Rechtsnormen den Erfordernissen der Implantierung des Pflegeversicherungsgesetzes auf Landesebene gerecht würden. Dies ist leider nicht der Fall.

Unter Außerachtlassung von Verfassungsgrundsätzen werden hier kommunale Belange zugunsten einer Fachpolitik auf das Gröbste vernachlässigt. Auf diese Weise ist ein Gesetzentwurf mit Verordnungen zustande gekommen, der, anders als in anderen Bundesländern, den Kommunen Aufgaben und Kosten aufbürdet, die weit über die Anforderungen des Pflegeversicherungsgesetzes des Bundes hinausgehen und zudem wegen der zahlreichen Standards und Einzelregelungen das kommunale Selbstverwaltungsrecht tangieren.

Die kommunalen Spitzenverbände beanstanden insbesondere:

- die fehlende Landesbeteiligung an der Finanzierung der Investitionskosten auf Dauer,

- eine dem Artikel 78 Abs. 3 gerecht werdende Finanzierungsregelung für die übertragenen Aufgaben; der Bezug auf überholte Berechnungen über die Entlastungen der Sozialhilfe durch die Pflegeversicherung reicht nicht aus;

- die Übertragung von Aufgaben und Kosten, die weit über die Anforderungen des Pflegeversicherungsgesetzes hinausgehen;

- die Verletzung des Rechts der Selbstverwaltung (insbesondere Organisationshoheit) durch Einzelregelungen zur Durchführung der übertragenen Aufgaben und die Festschreibung von Standards.

1. Anders als die Landschaftsverbände und die Anbieter von Pflegeleistungen sind die kommunalen Spitzenverbände an der Vorbereitung des Gesetzentwurfs und der Verordnungsentwürfe nicht beteiligt worden (Ausnahme: eine Arbeitsgruppe zur Ermittlung der Datengrundlagen für das Pflegewohngeld). Nachdem zugesagte Eckpunkte eines Landespflegegesetzes nicht vorgelegt wurden, bestand während der Sommerferien 1995 Gelegenheit, zum Referentenentwurf Stellung zu nehmen. Die Verordnungsentwürfe wurden zunächst dem Ausschuß für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge zugeleitet. Den kommunalen Spitzenverbänden wurden sie kurz vor der Anhörung des Ausschusses zur Verfügung gestellt. Ein Gespräch mit den kommunalen Spitzenverbänden über die Verordnungen findet erst am 12.02.1996 statt.

Während zum Beispiel zur Finanzierung der Investitionskosten im ambulanten Bereich Gespräche mit den Wohlfahrtsverbänden geführt wurden, hat man die kommunalen Spitzenverbände vor vollendete Tatsachen gestellt.

2. Die im Landespflegegesetz festgelegten Rahmenbedingungen für die Finanzierung der Investitionskosten stoßen auf den erbitterten Widerstand der kommunalen Spitzenverbände. Die Einzelregelungen in den jetzt vorliegenden Verordnungen bestätigen die aus kommunaler Sicht erhobenen Bedenken. Das Landespflegegesetz einschließlich seiner Verordnungen geht weit über die Erfordernisse des § 9 Pflegeversicherungsgesetz hinaus. E kann nicht hingenommen werden, daß angesichts der Haushaltslage der Kommunen und der Landschaftsverbände Finanzierungsregelungen getroffen und Standards festgelegt werden, die nicht nur über die Anforderungen des Pflegeversicherungsgesetzes hinausgehen, sondern auch eine Erweiterung der bisher geltenden Investitionsförderungen darstellen.

Die Förderung von Investitionen sowohl im stationären als auch um ambulanten Bereich muß wie bisher mit einem Haushaltsvorbehalt versehen sein. Im Interesse eines sinnvollen Miteinanders in der Pflege muß sich das Land jeweils mit der Hälfte an den Investitionskosten beteiligen. Es muß im Gesetz sichergestellt werden, daß die Investitionskosten insgesamt nicht die Hälfte der Entlastungen der Sozialhilfe übersteigen.

Die für den ambulanten Bereich vorgesehene Investitionsförderung entspricht weder nach Art noch nach Höhe den Vorstellungen der kommunalen Spitzenverbände. Ein Stundensatz von rund 4,80 DM wäre der höchste im gesamten Bundesgebiet und dürfte über den tatsächlich entstehenden Kosten liegen. Darüber hinaus stellen die kommunalen Spitzenverbände in Frage, ob im ambulanten Bereich tatsächlich eine Vollfinanzierung der Investitionskosten erfolgen muß. Erhebliche bedenken bestehen gegen die Berechnungsmethode. Der Bezug auf Vollzeitkräfte widerspricht der Systematik des Pflegeversicherungsgesetzes. Es besteht die Gefahr, daß Investitionskosten gezahlt werden für Pflegedienste, deren Leistungen nicht oder nicht im entsprechenden Umfang abgefragt werden. Die Investitionsförderung muß deshalb, wie auch in den anderen Bundesländern, an die Pflegeleistungen gebunden sein.

Für die Investitionsförderung im stationären Bereich ist, wie bereits erwähnt, von besonderer Bedeutung, daß sich das Land nicht auf Dauer aus der Finanzierung zurückzieht. Hinzu kommt, daß das Verfahren zur Berechnung des Pflegewohngeldes vereinfacht werden muß und daß der Kreis der Begünstigten nicht größer sein darf als der, der heute Sozialhilfe erhält oder erhalten würde, wenn nicht Unterhaltsbeiträge geleistet würden.

3. Die Landesverfassung (Art. 78 Abs. 3) bedingt, daß bei der Übertragung neuer Aufgaben an die Kommunen ausreichende Finanzierungsregelungen im entsprechenden Gesetz getroffen werden. Dieser Grundsatz wird in § 3 (4) GO und § 2 (4) Kreisordnung ausdrücklich bekräftigt und konkretisiert. Allein der Verweis auf Entlastungen der Sozialhilfe durch das Pflegeversicherungsgesetz reicht nicht aus. Hinzu kommt, daß alle bisher vorgelegten Berechnungen revidiert werden müssen. Die von der Bundesregierung bisher genannten Entlastungseffekte gehen auf ein vom Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (SG) in Köln erstattetes Gutachten zurück, dessen Aussagen die kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene stets in Frage gestellt haben. Inzwischen hat ein Gespräch von Vertretern des Bundesarbeitsministeriums, des Bundesgesundheitsministeriums sowie der örtlichen und der überörtlichen Träger der Sozialhilfe mit dem ISG stattgefunden, in dem festgestellt wurde, daß wesentliche Aussagen zur Entlastung der Sozialhilfe revidiert werden müssen. Nach Verlautbarungen des Landschaftsverbandes Rheinland sind ebenfalls alle bisherigen Berechnungen auf der Basis des Pflegeversicherungsgesetzes nicht mehr haltbar. Auch dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales müßte klar sein, daß die Pflegeversicherung längst nicht das hält, was versprochen wurde.

Angesichts dieser Erkenntnisse und der allgemeinen Haushaltssituation der Kommunen müssen das Landespflegegesetz und die Verordnungen hinsichtlich Aufgabenübertragung mit Kostenfolgen für die Kommunen auf das Minimum dessen reduziert werden, was seitens des Pflegeversicherungsgesetzes unabdingbar vorgeschrieben ist.

4. Regelungen über Aufklärung und Beratung der Versicherten sind Aufgabe der Pflegekassen und entziehen sich einer Regelung im Landespflegegesetz. Dies haben auch die Äußerungen der Pflegekassen vor dem zuständigen Landtagsausschuß deutlich gemacht. Die Standards der Bedarfsermittlung, Planung und Investitionsförderung haben im Rahmen einer Aufgabe, die als Selbstverwaltungsaufgabe durchzuführen ist, nichts zu suchen. Außerdem ist nicht nachzuvollziehen, das, wenn auf Bundes- und Landesebene permanent über den Abbau von Standards diskutiert wird, für den Bereich der Pflege neue Standards etabliert werden sollen. Schließlich wird durch die Einzelregelungen im Gesetz und in den Verordnungen insbesondere die Organisationshoheit der Kommunen tangiert."

Das Schreiben ist nachrichtlich auch an den Finanzminister, den Innenminister, den Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen sowie an die Mitglieder des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge des Landtags Nordrhein-Westfalen gerichtet worden.

Az.: II 810-11/1

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