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StGB NRW-Mitteilung 699/2022 vom 08.12.2022

Kürzungen für Asylbewerber in Sammelunterkünften verfassungswidrig

Die sogenannte „Sonderbedarfsstufe“ für alleinstehende erwachsene Asylbewerber in Sammelunterkünften ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Sie verstoße gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines „menschenwürdigen Existenzminimums“, so der am 24.11.2022 veröffentlichte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 19. Oktober 2022 1 BvL 3/21). Die Entscheidung betrifft konkret alleinstehende Erwachsene, die in Sammelunterkünften wohnen und sich seit mindestens 18 Monaten rechtmäßig in Deutschland aufhalten. Ihnen hatte der Gesetz-geber ab dem 1. September 2019 einen um zehn Prozent geringeren Bedarf an existenzsichernden Leistungen zugeschrieben. Laut Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sei es nicht erkennbar, dass man in den Sammelunterkünften regelmäßig tatsächlich Einsparungen durch gemeinsames Wirtschaften erziele, die eine Absenkung der Leistungen rechtfertigen würden. Der Gesetzgeber könne zwar grundsätzlich auch eine von den Bedürftigen nicht genutzte, ihnen aber „an sich tatsächlich eröffnete und zumutbare Möglichkeit von Einsparungen“ berücksichtigen, doch fehle es an „hinreichend tragfähigen Anhaltspunkten“ für die Annahme, dass die Voraussetzungen dafür in den Sammelunterkünften tatsächlich gegeben seien.

Die Verfassungswidrigkeit führt allerdings nicht zur Nichtigkeit des entsprechenden Abschnitts im Asylbewerberleistungsgesetz. Die fort-dauernde Anwendung der Norm sei anzuordnen, da das grundrechtlich garantierte Existenzminimum sonst nicht gesichert sei, so das Bundesverfassungsgericht. Lediglich die in § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG vorgenommene Bemessung von Leistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 sei derzeit nicht tragfähig begründbar. Künftig sollen die Leistungen nach Maßgabe der Regelbedarfsstufe 1 berechnet werden. Die bereits bestandskräftigen Leistungsbescheide bleiben unberührt, soweit Leistungszeiträume vor Bekanntgabe der Entscheidung betroffen sind.

Anmerkung des DStGB und des StGB NRW

Aus Sicht des DStGB und des StGB NRW ist dieses Urteil durchaus kritisch zu hinterfragen, denn es entspricht der Lebenserfahrung vor Ort, dass in Gemeinschaftsunterkünften Einsparungen möglich sind. Man kann hier von einer „Schicksalsgemeinschaft” ausgehen, die zu Synergieeffekten führt. Durch ein gemeinsames Wirtschaften können Einsparungen wie bei Paarhaushalten erzielt werden. Mit der Umsetzung des Urteils ist davon auszugehen, dass die Ausgaben der Kommunen für Asylbewerber steigen werden. Es ist Aufgabe der Länder, diese Mehrausgaben zu übernehmen. Es ist darüber hinaus zu befürchten, dass sich Deutschland hinsichtlich der Höhe der Leistungen für Asylbewerber weiter von den anderen europäischen Ländern entfernt.

Az.: 16.1.3.6-001/001

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