Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 607/2008 vom 19.09.2008

Kriterien für vergabefreie In-House-Geschäfte

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 17.07.2008 (Az.: C-371/05) die Kriterien für vergabefreie In-House-Geschäfte präzisiert. Dem Urteil zufolge ist für das Vorliegen des Kontrollkriteriums „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ als eine der Voraussetzungen eines vergabefreien In-House-Geschäfts die Beteiligung von privatrechtlichen Gesellschaften an einem kommunalen Unternehmen unschädlich, solange diese vollständig in öffentlicher Trägerschaft gehalten werden. Von besonderer Relevanz ist zudem die Feststellung, dass allein die theoretische Möglichkeit einer Öffnung für privates Kapital (im Gesellschaftsvertrag oder in einer Satzung) nicht zur Verneinung eines In-House-Geschäfts genügt.

I. Sachverhalt

Im zugrunde liegenden Sachverhalt hatte die italienische Gemeinde Mantoue die Verwaltung ihrer IT-Dienstleistungen im Rahmen einer Vereinbarung an eine von ihr mehrheitliche gehaltene privatrechtliche Gesellschaft (ASI Spa) ohne Ausschreibung übertragen. An der Gesellschaft waren weitere Nachbarkommunen und zwei vollständig von der Gemeinde Mantoue getragene privatrechtliche Gesellschaften (CEA Spa und APAM Spa) beteiligt.

Der EuGH hatte vorliegend die Rechtmäßigkeit einer freihändigen Vergabe anhand der Fragen zu beurteilen, ob die Gemeinde Mantoue über das von ihr ausgelagerte Unternehmen ASI Spa eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausübt und ob die ASI Spa ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Gemeinde Mantoue und Nachbargemeinden verrichtet, die gemeinsam ihre Anteile innehaben („Teckal-Kriterien“).

II. Entscheidung des EuGH

Der EuGH hat vorliegend das erste Teckal-Kriterium mit der Begründung bejaht, dass die Gemeinde Mantoue sowohl die strukturelle als auch funktionale Kontrollmacht über das Unternehmen ASI Spa innehabe, indem sie entscheidenden Einfluss auf die strategischen Ziele als auch über sonstige wichtige Entscheidungen durch die personelle Besetzung der Führungsgremien der ASI Spa ausübe. Die EU-Kommission hatte vorgetragen, dass dieses Kriterium nicht erfüllt sei, da im Moment des Vertragsschlusses zwei privatrechtliche Gesellschaften am Kapital der ASI beteiligt gewesen seien und darüber hinaus – selbst wenn man annehme, dass die SPA eine vollständig von öffentlichem Kapital gehaltene Gesellschaft sei – die Beteiligung der privaten Gesellschaften bereits bei der Errichtung der SPA ausdrücklich beabsichtigt gewesen sei.

Der EuGH hat aber darauf hingewiesen, dass die zwei privatrechtlichen Gesellschaften TEA Spa und APAM Spa selbst öffentliche Unternehmen seien, die vollständig in öffentlicher Trägerschaft gehalten würden. Darüber hinaus sei zu beachten, dass allein die theoretische Möglichkeit eine Öffnung für privates Kapital nicht zur Verneinung eines In-House-Geschäftes genüge, solange keine tatsächliche Beteiligung („participation effective“) Privater im Moment der Auftragsvergabe vorgelegen habe. Eine derartige Beteiligung war vorliegend deshalb nicht gegeben, weil die beiden Gesellschaften TEA Spa und APAM Spa zum Kapital der ASI gehörten, die wiederum zu 100 % von der Gemeinde Mantoue und benachbarten Gemeinden getragen wurde.

Der EuGH hat weiter ausgeführt, dass erst im Falle besonderer Umstände, etwa wenn schon bei der Auftragsvergabe eine private Beteiligung beabsichtigt sei (vgl. etwa Rs.: Mödling C-29/04), diese tatsächliche Beteiligung für die Entscheidung von Relevanz sei. Diese besonderen Umstände habe die Kommission vorliegend jedoch aus den oben genannten Gründen nicht nachweisen können.

Der EuGH hat schließlich unterstrichen, dass auch die zweite Voraussetzung eines vergabefreien In-House-Geschäfts, die Ausübung der „Tätigkeit im Wesentlichen für den Auftraggeber“, vorliegend als erfüllt angesehen werden konnte. Hierbei sei die Tatsache unschädlich, dass die ASI Spa von mehreren Kommunen gehalten werde, da in einem solchen Fall auf die Tätigkeit des Unternehmens gegenüber der Gesamtheit der Gebietskörperschaften abzustellen sei.

Anmerkung:

Der EuGH hat mir vorstehendem Urteil seine Rechtsprechung zu vergabefreien In-House-Geschäften noch einmal präzisiert.

Wie zuletzt in DStGB-Aktuell 3308-08 vom 15.08.2008 zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 03.07.2008 (Az.: Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit) erläutert, kann regelmäßig die Beauftragung eines (kommunalen) Unternehmens immer nur dann vergaberechtsfrei durchgeführt werden, soweit es sich um eine rein kommunale getragene Gesellschaft und zwar in der Form der GmbH oder auch einer gemeinsam getragenen öffentlichen Einrichtung handelt. Jede private Beteiligung an einem zu beauftragenden Kommunalunternehmen steht unabhängig von der Beteiligungsquote einem vergabefreien In-House-Geschäft entgegen.

Der EuGH hat mit der aktuellen Entscheidung allerdings hervorgehoben, dass die Beteiligung privatrechtlicher Gesellschaften an öffentlichen Unternehmen dann unschädlich ist, soweit derartige Gesellschaften wiederum zu 100 % in öffentlicher Hand gehalten werden. Von besonderer Bedeutung ist zudem der Umstand, dass der EuGH darauf hingewiesen hat, dass eine lediglich theoretische Möglichkeit der Öffnung eines kommunalen Unternehmens für privates Kapital (etwa in einer Satzung oder in einem Gesellschaftsvertrag) ein vergabefreies In-House-Geschäft nicht per se ausschließt. Diese Auslegung hatte bereits die EU-Kommission in ihrer Mitteilung zu institutionalisierten öffentlich-privaten Partnerschaften (IÖPP), wenn auch nur in einem kurzen Hinweis in einer Fußnote, vertreten. Der DStGB begrüßt diese seitens des EuGH vorgenommene Klarstellung ausdrücklich.

Nach Auffassung des DStGB ginge es deutlich zu weit, eine vergabefreie In-House-Vergabe bereits dann in Frage zu stellen, wenn in einer Satzung lediglich eine formelle Beteiligungsmöglichkeit für Dritte ermöglicht wird. Für die Frage, ob im Einzelfall eine (kommunale) Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle vorliegt, darf immer nur auf den konkreten Zeitpunkt der Auftragsvergabe selbst abgestellt werden. Werden im Zeitpunkt einer Auftragsvergabe sämtliche Gesellschaftsanteile von Kommunen gehalten, darf der Annahme einer „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ nichts im Wege stehen.

Az.: II/1 608-45

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