Mitteilungen - Wirtschaft und Verkehr

StGB NRW-Mitteilung 572/1997 vom 20.11.1997

Kommunen und Wirtschaft zum Wirtschaftsstandort Stadt

In einem kommunalpolitischen Forum der Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen in Kooperation mit dem Nordrhein-Westfälischen Städte- und Gemeindebund und dem Städtetag NW haben die Präsidenten der drei Organisationen am 30.10.1997 in Köln eine Gemeinsame Erklärung zum "Wirtschaftsstandort Stadt" unter dem Motto "Kommunen und Wirtschaft - Partner für die Zukunft" unterzeichnet. Diese erstmalige gemeinsame Positionierung zu Kommunen und Wirtschaft betreffenden aktuellen Fragestellungen hat folgenden Wortlaut:

Zur Selbstverwaltung:

Städte und Gemeinden sind Lebensraum für Menschen in dem sich die wichtigen Funktionen Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Verkehr vollziehen.

Seit den Stein-Hardenberg`schen Reformen ist das Prinzip der Selbstverwaltung tragender Grundsatz zur Regelung aller örtlichen Verhältnisse. Das Grundgesetz, die Landesverfassung NRW und die Gemeindeordnung geben dafür eine Bestandsgarantie.

Die in Selbstverwaltung zu erledigenden Aufgaben der Kommunen spiegeln den Wandel und die Entwicklung von Gesellschaft, Wirtschaft und der politischen Verhältnisse wieder. Ihre inhaltliche Bestimmung folgt ganz wesentlich aus demokratischen Entscheidungen der Bürger, ihrer Repräsentanten im Rat und dem Vollzug übertragener Hoheitsaufgaben.

Rahmenbedingungen:

Die Beendigung des Ost-West-Konflikts, die Einigung Deutschlands, Globalisierung und Strukturwandel in der Wirtschaft, technologische Entwicklung und der Übergang von der Industrie- in die Dienstleistungsgesellschaft haben die Grundbedingungen der örtlichen Gemeinschaft maßgeblich verändert. Sie wirken auf die Stabilität des sozialen Gefüges und die Leistungsfähigkeit der Kommunen.

Wachsende Arbeitslosigkeit, die Folgen von Migrationsströmen und der Verlust an Steuerkraft haben die sozialen Sicherungssysteme an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht. Betroffen sind dabei auch die Kommunen als Teil und Garant des sozialen Rechtsstaats.

Den Kommunen übertragene Aufgaben mit gesetzlichen Vorgaben für ihre Wahrnehmung, die von den Bürgern weder mitbestimmt sind noch beeinflußt werden können, belasten die kommunalen Haushalte und schränken den Handlungsspielraum von Städten und Gemeinden ein.

Die Wirtschaft ist Bestandteil der kommunalen Gemeinschaft. Der Wirtschaftsstandort Stadt ist Arbeits- und Lebensraum der Unternehmen. Seine örtlichen Bedingungen entscheiden mit über Entwicklungschancen, über Standortgunst und Wirtschaftsklima. Harte und weiche Standortfaktoren haben große Bedeutung für die Identifikation der Wirtschaft mit ihrem Umfeld. Hierzu gehören vor allem eine maßvolle Finanzpolitik bei Steuern und Gebühren, eine sparsame Haushaltspolitik, eine wirtschaftsoffene Verwaltung, eine investitionssichernde Stadtentwicklung mit ausreichender Flächenvorsorge für Gewerbe und Wohnen, eine mobilitätsgerechte Infrastruktur sowie eine den finanziellen Möglichkeiten entsprechende Kulturpolitik.

Die Wirtschaft trifft seit jeher für eine unabhängige und leistungsstarke kommunale Selbstverwaltung ein. Mit ihr läßt sich am ehesten eine Partnerschaft in Verantwortung für die örtliche Gemeinschaft verwirklichen. Wirtschaft und Kommunen sind aufeinander angewiesen. Daraus folgt die Notwendigkeit, bei Interessengegensätzen sachgerechte Lösungen anzustreben. Nachhaltige Konflikte gehen zu Lasten des Wohls der örtlichen Gemeinschaft. Kontroverse Positionen werden immer dort und dann offenbar, wo die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Unternehmen betroffen sind. Dies gilt vor allem bei den kommunalen Abgaben und Steuern sowie der infrastruktuellen Ausstattung und der Flächenvorsorge für gewerbliche Nutzungen.

Gemeinsame Einsichten:

"Kommunen und Wirtschaft - Partner für die Zukunft" unter diesem Leitgedanken beschreiben der Städtetag Nordrhein-Westfalen, der nordrhein-westfälische Städte- und Gemeindebund und die Vereinigung der Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen ihre politischen Ziele. Dies sind vor allem

- lebensfähige Städte und Gemeinden

- eine stabile, bürgergerechte Selbstverwaltung

- eine auf Vielfalt, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtete Wirtschaft

- ausreichende Beschäftigung und Ausbildungsmöglichkeiten für junge Leute.

Städte, Gemeinden und Wirtschaft appellieren an die Institutionen der Europäische Union, die Verfassungsorgane des Bundes, Landtag und Landesregierung, sich diese Ziele gleichfalls zu eigen zu machen. Sie nehmen sich aber auch selbst in die Pflicht, nach Möglichkeit gemeinsam und in ihrem jeweiligen Wirkungskreis alles dafür zu tun, daß die genannten politischen Ziele verwirklicht werden.

Eine Politik für die örtliche Gemeinschaft setzt voraus:

- Eine ausreichende Finanzausstattung der Kommunen muß gesichert werden, um die Kernaufgaben zum Wohl der Einwohner und der Wirtschaft erfüllen zu können. Autonome gemeindliche Steuern gehören hierzu ebenso wie Zuweisungen aus dem Aufkommen aus Gemeinschaftssteuern.

- Die Haushaltspolitik muß sich streng am Grundsatz der Sparsamkeit orientieren.

- Den Kommunen dürfen von anderen Ebenen des Staates Aufgaben nur unter Beachtung der Konnexität übertragen werden. Finanzierung, Ausgaben- und Aufgabenverantwortung müssen sich wieder entsprechen.

- Den Kommunen ist größerer Gestlatungsspielraum bei der Organisation und inhaltlichen Bestimmung ihrer Aufgaben einzuräumen. Nur dies entspricht wirklich praktizierter Selbstverwaltung.

- Die Förderung der Wirtschaft ist stärker auf kommunale und regionale Belange und die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen auszurichten. Dabei kann Public-Private-Partnership ein hilfreicher Weg sein. Das Subsidiaritätsprinzip und die auf Arbeitsteilung ausgerichtete marktwirtschaftliche Ordnung müssen als Trennungsgrundsatz zwischen Wirtschaft und Kommunen anerkannt bleiben. Dies betrifft auch die Deregulierung, Privatisierung und wirtschaftliche Betätigung der Kommunen.

- Die Entwicklung einer zukunftsfähigen Infrastruktur ist Interesse und Anliegen von Kommunen und Wirtschaft gleichermaßen. Sie gewinnt besondere Bedeutung in der Globalisierung wirtschaftlicher Verflechtungen und den sich ständig erweiterenden Einsatzmöglichkeiten von Informations- und Kommunikationstechniken, -netzen und -diensten. Um im interregionalen und internationalen Wettbewerb bestehen zu können und für beide Partner vorteilhafte Entwicklungen zu befördern, sollten Kooperation verabredet und sinnvolle Investitionen möglichst gemeinsam verwirklicht werden.

- Die Zukunftsfähigkeit der Städte und Gemeinden, insbesondere der Innenstädte und Stadtteilzentren zu sichern, ist mehr als eine politische Herausforderung an die Verwaltung. In dieser Aufgabe verkörpert sich das Recht der Bürger auf eine humane Lebensumgebung und ein vitales Gemeinwesen. Ökonomie und Ökologie müssen wieder zu einer Stadtkultur verbunden werden. Interessenausgleich im Maßstab des Gemeinwohls ist Auftrag an die Stadtentwicklung, für die Kommunen und Wirtschaft jeder auf seine Weise, aber auch gemeinsam Verantwortung tragen.

- Städtebau und Stadtgestaltung sind Ausdruck der Kultur in ihrer Zeit. Sie sind aber auch aufgerufen, Geschichte zu bewahren. Beide Elemente haben unsere Gesellschaft geprägt und das Gefühl der Verbundenheit zwischen den Menschen geschaffen. In einer Zeit zunehmender Individualisierung und Beliebigkeit der Lebensweisen müssen Städtebau und Stadtgestaltung wieder zu Bezugspunkten kollektiver Erfahrung von Gemeinsamkeit werden. Hier ist auch die Wirtschaft gefordert. Stadtentwicklung muß klare und verläßliche Rahmenbedingungen für Investitionen der Bürger, der Wirtschaft und der öffentlichen Hand schaffen.

Az.: III 750-40

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