Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 490/1996 vom 05.10.1996

Kommunale Verpackungssteuer

Beschluß des VG Schleswig vom 7. Februar 1996 (Az.: 4 B 127/95)

Wie der Geschäftsstelle erst jetzt bekannt geworden ist, hat das VG Schleswig mit Beschluß vom 7. Februar 1996 entschieden, auf der Grundlage eines Steuerermäßigungstatbestandes in einer kommunalen Verpackungssteuersatzung könne nicht verlangt werden, daß der Steuerpflichtige den Nachweis der vollständigen und tatsächlichen Verwertung im Hinblick auf die einzelnen Steuergegenstände erbringt. Ein derartiger Nachweis ist nach dem VG Schleswig für die einzelnen Einwegmaterialien nicht möglich. Dies ergibt sich nach dem VG Schleswig insbesondere daraus, daß die von den Steuerpflichtigen stammenden Wertstoffe mit den anderen über das Duale System der DSD-GmbH eingesammelten Wertstoffe zusammengefaßt und weitergeleitet werden, so daß ein detaillierter Verwertungsnachweis nicht möglich ist. Das VG Schleswig sieht es insoweit zur Erfüllung eines Steuerbefreiungsermäßigungstatbestandes als ausreichend an, wenn für eine Steuerermäßigung die Verwertungsquoten nach der Verpackungsverordnung vom 12.06.1991 zugrunde gelegt werden.

Die Geschäftsstelle weist ergänzend darauf hin, daß der Beschluß des VG Schleswig vom 7. Februar 1996 nicht rechtskräftig ist, weil von der beklagten Stadt Beschwerde beim OVG Schleswig eingelegt worden ist.

Weiterhin wird darauf hingewiesen, daß der in Rede stehende Steuerermäßigungstatbestand nicht deckungsgleich mit dem Steuerbefreiungstatbestand in der Mustersatzung ist. Während in der Mustersatzung geregelt ist, daß ein ermäßigter Steuersatz von 50 % zur Anwendung gebracht wird, soweit die verwendeten Einwegmaterialien zur Verabreichung von Speisen und Getränken an Ort und Stelle einem anerkannten Wiederverwertungssystem in Sinne des § 6 Abs. 3 VerpackV zugeführt werden, war in der Verpackungssteuersatzung der beklagten Stadt in dem genannten gerichtlichen Verfahren bestimmt, daß "die Steuersätze auf schriftlichen Antrag für jedes einzelne Kalendervierteljahr ermäßigt werden, wenn nachgewiesen wird, daß die einzelnen Steuergegenstände außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung tatsächlich im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 des AbfG vom 27.08.1996 stofflich wiederverwertet worden sind." Es bleibt zunächst abzuwarten, wie das OVG Schleswig entscheiden wird.

Im einzelnen hat das VG Schleswig in seinem Beschluß vom 7. Februar 1996 folgendes aufgeführt:

"Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist begründet, weil der Festsetzungsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides nach den insoweit entsprechend anwendbaren Grundsätzen von § 80 Abs. 4 VwGO ernstlichen Zweifeln begegnet. Zweifel sind "ernstlich", wenn der Erfolg der Klage oder des Rechtsmittels ebenso wahrscheinlich ist wie deren/dessen Mißerfolg (vgl. OVG Schleswig, Beschluß vom 19.04.1991 - 2 M 2/91 -; Beschluß vom 12.10.1995 - 2 M 36/95 -; Beschluß der Kammer vom 22.12.1995 - 4 B 132/95 -). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dabei kann offen bleiben, ob die von der Antragstellerin geltend gemachten und in den Verfassungsbeschwerden gegen den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.08.1994 (8 N 1/93 - Die Gemeinde, 1994, S. 350) und gegen die Entscheidungen des Hess. Verwaltungsgerichtshofs (u. a. Urteil vom 25.07.1995 - SN 1202/92 - Der Gemeindehaushalt 1996, S. 13) dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken überzeugen. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, bestehen deshalb ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, weil die Antragsgegnerin eine Steuerermäßigung abgelehnt hat. Gemäß § 4 der Satzung können die Steuersätze ermäßigt werden, "wenn nachgewiesen wird, daß die einzelnen Steuergegenstände außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung tatsächlich im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 des Abfallgesetzes vom 27.08.1986 (BGBl. I, S. 1410), in der jeweils geltenden Fassung, stofflich wiederverwertet worden sind." Nach dieser Regelung ist das Ermessen der Antragsgegnerin hinsichtlich einer Steuerermäßigung eröffnet, wenn ein solcher Wiederverwertungsnachweis geführt worden ist. Hier hat die Antragsgegnerin möglicherweise zu strenge Anforderungen an den Nachweis einer Wiederverwertung gestellt und daher zu Unrecht das ihr eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt. Die Antragsgegnerin geht nämlich davon aus, daß hinsichtlich "der einzelnen Steuergegenstände" der Nachweis der "tatsächlichen" Verwertung zu führen ist. Die Beteiligten gehen insoweit übereinstimmend davon aus, daß die Antragstellerin die bei ihr verwandten Einwegmaterialien über das Duale System Deutschland Gesellschaft für Abfallvermeidung und Sekundärrohstoffgewinnung mbH erfassen und verwerten läßt. Die Antragstellerin hat insoweit Schreiben derjenigen Unternehmen eingereicht, die die in den Betriebsstätten der Antragstellerin vorsortierten Wertstoffe erfassen und an diejenigen Unternehmen weitergeben, die im Rahmen des "Dualen System" die jeweiligen Sekundärrohstoffe verwerten und vermarkten. Die Antragsgegnerin hält einen derartigen Nachweis nicht für ausreichend, sondern meint, daß nach ihrer Satzung der Nachweis der vollständigen Verwertung im Hinblick auf die einzelnen Steuergegenstände erforderlich sei. Ein derartiger Nachweis für die einzelnen Einwegmaterialien ist jedoch nicht möglich. Das ergibt sich daraus, daß die von der Antragstellerin stammenden Wertstoffe mit den anderen über das "Duale System Deutschland" eingesammelten Wertstoffen zusammengefaßt und weitergeleitet werden. Dieses enge Verständnis der Ermächtigungsregelung durch die Antragsgegnerin begegnet bei summarischer Überprüfung jedoch deswegen erheblichen rechtlichen Bedenken, weil sie unberücksichtigt läßt, daß immerhin ein (erheblicher) Anteil der erfaßten Wertstoffe im Rahmen des "Dualen Systems Deutschland" verwertet wird. Nach dem derzeitigen Stand der Technik ist eine 100%ige Erfassung und eine 100%ige Verwertung der unter die Verpackungsverordnung fallenden Wertstoffe nicht möglich. Demnach beschränken sich die quantitativen Anforderungen der Verpackungsverordnung an Erfassungssysteme für die Zeit vom 01.01.1993 bis 30.06.1995 für Pappe, Karton, Papier und Kunststoff auf 30 % und für Verbunde auf 20 %. Ab 01.07.1995 ist für die genannten Verpackungsmaterialien ein Anteil von 80 % nachzuweisen. Die Sortierungsquoten sind für den 01.01.1993 für Pappe, Karton, Papier, Kunststoff und Verbunde auf 60 % bzw. 30 % und für den 01.07.1995 auf 80 % festgelegt worden. Stofflich nicht verwertbare Sortierreste sind nach dieser Regelung den Trägern der öffentlichen Abfallentsorgung als Gewerbeabfall zu überlassen. Diese Anforderungen sind vom Dualen System Deutschland GmbH zu erfüllen, das gem. § 6 Abs. 3 der Verpackungsverordnung flächendeckend eine regelmäßige Abholung gebrauchter Verkaufsverpackungen beim Endverbraucher oder in der Nähe des Endverbrauchers gewährleistet und damit die Verpflichtungen der Vertreiber und Hersteller von Verkaufsverpackungen von der Rücknahme entfallen läßt. Aufgrund dieser von der DSD zu erbringenden Nachweise ist davon auszugehen, daß ca. 80 % der bei der Antragstellerin erfaßten Wertstoffe aussortiert und in der stofflichen Verwertung zugeführt werden. Da der Weg der einzelnen Einwegmaterialien nicht bis zur endgültigen tatsächlichen Verwertung verfolgt werden kann, muß es bei einer derartigen pauschalierenden Betrachtung verbleiben. Angesichts dieses Sachverhalts bestehen bei summarischer Überprüfung erhebliche Bedenken gegen die Verweigerung auch einer teilweisen Ermäßigung durch die Antragsgegnerin.

Selbst wenn der Wortlaut der Satzung (Nachweis, "das die einzelnen Steuergegenstände außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung tatsächlich" wiederverwertet worden sind) die Auffassung der Antragsgegnerin stützen sollte, wäre eine Einschränkung der Regelung dahin geboten, daß zumindest in Höhe der Wiederverwertungsquote eine Ermäßigung zu gewähren ist. Das ergibt sich schon aus dem von der Antragsgegnerin mit der Einführung der Verpackungssteuer verfolgten Zweck, durch die Verminderung von Einwegverpackungen die Belastung ihrer öffentlichen Einrichtung Abfallentsorgung zu verringern. Da es sich bei der Verpackungssteuer um eine örtliche Aufwandsteuer im Sinne von § 3 Abs. 1 KAG, Art. 105 Abs. 2 a GG handelt, ist die Antragsgegnerin auf Regelungen für ihren örtlichen Wirkungskreis beschränkt. Dies gilt nicht nur hinsichtlich des mit der Steuer verfolgten fiskalischen Zwecks, sondern auch hinsichtlich des gleichzeitig verfolgten abfallwirtschaftlichen Ziels (Entlastung der öffentlichen Abfallentsorgung). Daraus ergibt sich zum einen, daß eine Ermäßigung zu gewähren wäre, wenn festgestellt würde, daß von diesen Einwegmaterialien keine Sortierreste auf die Abfallentsorgung in ... entfielen. Zum anderen folgt daraus, daß eine Ermäßigung zu gewähren ist, "soweit" Steuergegenstände außerhalb der ... Abfallentsorgung verwertet werden. Diesen Nachweis hat die Antragstellerin durch den Nachweis der Erfassung ihrer Einwegmaterialien durch die DSD GmbH jedenfalls hinsichtlich einer bestimmten Quote erbracht. Angesichts eines solchen Nachweises eine Ermäßigung gänzlich zu versagen, kann nicht mit dem Hinweis darauf gerechtfertigt werden, daß die Verpackungssteuer "eine Art Lückenfüller" angesichts der derzeit noch nicht möglichen 100%igen Verwertung darstellen solle. Zu einer derartigen Regelung wäre die Antragsgegnerin nicht befugt. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, daß eine Sachregelungsbefugnis hinsichtlich der mit der Verpackungssteuer verfolgten außerfiskalischen Zwecke u. a. solange nicht erforderlich sei, wie die Steuernorm in ihrer konkreten Ausgestaltung einem unmittelbaren, gezielten abfallrechtlichen Gebot oder Verbot nach Gewicht und Auswirkung noch nicht gleichkommt (aaO. Abdruck S. 24). Eine derartige Wirkung wie ein unmittelbares abfallrechtliches Verbot von Einwegverpackungen und -geschirr könnte jedoch dann gegeben sein, wenn ein faktisch nicht zu erbringender Nachweis der Wiederverwertung außerhalb öffentlicher Abfallentsorgungsanlagen verlangt wird. Die Antragsgegnerin würde nämlich (mittelbar) ein abfallwirtschaftliches Verhalten verlangen, das über die Regelungen des Abfallrechts hinausgeht. Gemäß § 1 a AbfG sind Abfälle nach Maßgabe von Rechtsverordnungen aufgrund des § 14 Abs. 1 Nr. 3, 4 und Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 bis 5 (AbfG) zu vermeiden. Auf dieser Rechtsgrundlage ist die Verpackungsverordnung erlassen worden, die Anforderungen an Verpackungen, die Vermeidung von Verpackungen und die Rücknahmepflichten regelt. Die Rücknahmepflicht entfällt gemäß § 6 Abs. 3 AbfG dieser Verordnung für solche Hersteller und Vertreiber, die sich an dem Dualen System Deutschland beteiligen. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 hat die Abfallverwertung Vorrang vor der sonstigen Entsorgung, wenn sie technisch möglich ist, die hierbei entstehenden Mehrkosten im Vergleich zu anderen Verfahren der Entsorgung nicht unzumutbar sind und für die gewonnenen Stoffe oder Energie ein Markt vorhanden ist oder insbesondere durch Beauftragung Dritter geschaffen werden kann. Diese Pflichten zur Vermeidung und Verwertung können durch eine Gemeinde mit Hilfe von Abgabennormen, die von ihrer Zielrichtung her verhaltenslenkend wirken sollen, nicht erweitert werden. Danach spricht überwiegendes dafür, daß diejenigen Schuldner der Verpackungssteuer, die im Rahmen der abfallrechtlichen Vorgaben Abfall vermeiden und entsorgen, einen Anspruch auf zumindest teilweise Ermäßigung der Verpackungssteuer haben.

Da die Antragsgegnerin zu Unrecht davon ausgegangen ist, daß ihr Ermessen hinsichtlich der Ermäßigung nicht eröffnet war, liegt ein Ermessensfehler vor. Somit ist die aufschiebende Wirkung der Klage in voller Höhe anzuordnen, zumal der Kammer hinreichend Anhaltspunkte für die Bestimmung einer Quote nicht vorliegen."

Az.: N IV/2 32-10-11 qu/mu

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