Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 226/2005 vom 11.02.2005

Kommunale Spitzenverbände gegen "Entkommunalisierung" der Hausmüllentsorgung

In der Stadt Berlin steht aktuell die Entscheidung an, ob die gewerbliche Sammlung von gemischten Haushaltsabfällen gegen Entgelt im Rahmen des Projektes „Gelbe Tonne Plus“ zugelassen werden soll. Mit der Zulassung einer derartigen gewerblichen Sammlung von Haushaltsabfällen würden den Bemühungen der kommunalen Spitzenverbände, durch die Sicherung der kommunalen Entsorgungsverantwortung Rechts-, Planungs- und Investitionssicherheit für Kommunen zu erreichen, Steine in den Weg gelegt werden. Die kommunalen Spitzenverbände haben sich deshalb mit einem Schreiben an Frau Senatorin Junge-Reyer gewandt, dass im Folgenden im Wortlaut wiedergegeben ist:

„Sehr geehrte Frau Senatorin,

die kommunalen Spitzenverbände wenden sich heute in einer für die Kommunen besonders dringlichen Angelegenheit an Sie. Nach unserer Kenntnis steht in Berlin die Entscheidung an, ob die gewerbliche Sammlung von gemischten Haushaltsabfällen gegen Entgelt im Rahmen des Projektes „Gelbe Tonne Plus“ zugelassen werden soll. Ein Rechtsanspruch des an der Realisierung des Projektes interessierten privaten Entsorgungsunternehmens auf Genehmigung des Vorhabens soll offenbar aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG abgeleitet werden.

Der potenzielle Betreiber einer „trockenen Wertstofftonne“ würde mit diesem Angebot zu dem in Berlin vorhandenen Hausmüllentsorgungssystem der BSR in Konkurrenz treten. Wir gehen davon aus, dass er dem kommunalen System durch seine auf Basis des DSD-Vertrages bereits finanzierte Sammelstruktur und die offenbar beabsichtigte Begrenzung auf bestimmte, „kostengünstige“ Siedlungsgebiete erhebliche Wertstoffmengen entzieht. Dem kurzfristigen ökonomischen Vorteil für Einzelne stehen aber auf Grund der Fixkostenstruktur der kommunalen Entsorgung mittelfristig erhebliche Nachteile für die Mehrzahl der Gebührenzahler gegenüber. Einer detaillierten Prüfung bliebe vorbehalten, ob dies mit den Grundsätzen des Gebührenrechts vereinbar ist. Im Ergebnis müssten möglicherweise auch diejenigen Gebührenzahler das Modell über steigende Abfallgebühren mitfinanzieren, die es selbst nicht nutzen können.

Uns geht es in diesem Schreiben aber nicht um eine wettbewerbliche Wertung dieses selektiven Modells der Wertstoffsammlung, mit dem quasi ein Markt für Mischabfälle aus privaten Haushalten kreiert wird, sondern um die mit diesem Präzedenzfall verbundenen Konsequenzen für die kommunale Entsorgungsverantwortung insgesamt.

Ordnungsrechtlich wäre dies in unseren Augen eine unzulässige Überdehnung des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG. Hier wird eine Ausnahmeregelung, die für unentgeltliche gewerbliche Altstoffsammlungen geschaffen wurde, auf die entgeltliche Sammlung von Hausmüllgemischen ausgedehnt. Dieses Verständnis der Vorschrift ergibt sich bei richtiger Auslegung u. E. nicht aus dem Gesetz. Vielmehr wäre mit einer solchen Interpretation dem kommunalen Anschluss- und Benutzungszwang der Boden entzogen und einer Entkommunalisierung der Hausmüllentsorgung „durch die Hintertür“ der Weg geebnet. Die entscheidende rechtliche Grundlage für die Steuerung der kommunalen Entsorgungsaufgaben würde damit ausgehöhlt. Die erheblichen Anstrengungen der kommunalen Spitzenverbände in den letzten Jahren, durch eine Sicherung der kommunalen Entsorgungsverantwortung Rechts-, Planungs- und Investitionssicherheit zu erreichen, würden verpuffen. Eine neue Runde im Rahmen der Liberalisierungsdiskussion wäre vorprogrammiert. Auch in anderen Ländern müsste damit gerechnet werden, dass private Sammler auf diesem Wege versuchen, sich ein „Stück vom Kuchen“ aus dem Hausmüll-„Markt“ herauszuschneiden. Es wäre bedauerlich, wenn das Land Berlin bei dieser Entwicklung eine Vorreiterfunktion übernehmen würde, die letztlich dazu führen wird, dass den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern die Grundlagen für eine sichere, flächendeckende und umweltverträgliche Entsorgung genommen werden.

Hinzu kommt, dass derartige Vorschläge nicht nur kommunale Entsorgungsanlagen leer laufen lassen könnten, sondern auch dazu führen würden, dass die vorhandenen Fixkosten auf einen immer kleineren Teil von Hausmülltonnen umgelegt und an die Bürgerinnen und Bürger weitergegeben werden müssten. Die Gebührenhaushalte kämen so in eine bedrohliche Schieflage. Des Weiteren müssen wir befürchten, dass ein „Markt für Hausmüllgemische“ auch das Ende des hoheitlichen - also steuerbefreiten - Entsorgungsentgelts wäre.

Wir appellieren deshalb eindringlich an das Land Berlin, sich die mit diesem Präzedenzfall verbundenen Konsequenzen bewusst zu machen und im Interesse der Rechts-, Planungs- und Investitionssicherheit aller anderen Städte, Kreise und Gemeinden in Deutschland von der Genehmigung eines solchen Projekts abzusehen.

Selbstverständlich sind die kommunalen Spitzenverbände gern bereit, Ihnen ihre Bedenken auch in einem persönlichen Gespräch zu erläutern.

Mit freundlichen Grüßen“


Az.: II/2 31-02 qu/g

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