Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 445/2009 vom 06.08.2009

Kommunalaufsicht und Realsteuerhebesätze

Das OVG NRW hat mit Beschluss vom 22.07.2009 (Az.: 15 A 2324/07) eine bedeutsame Entscheidung zu den kommunalaufsichtlichen Befugnissen im Zusammenhang mit der Festsetzung von Realsteuerhebesätzen getroffen. Die Kommunalaufsicht ist danach durch Bundesrecht nicht gehindert, den Beschluss eines Gemeinderates aufzuheben, mit dem die Realsteuerhebesätze haushaltsrechtswidrig gesenkt werden.

Die klagende Gemeinde befindet sich seit Jahren im Nothaushaltsrecht. Im Jahre 2005 hatte der Rat eine Senkung der Hebesätze für die Grundsteuer B und die Gewerbesteuer beschlossen. Die beklagte Aufsichtsbehörde hob diesen Beschluss als haushaltsrechtswidrig auf. Der gegen die Aufhebungsverfügung erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht statt, da die bundesrechtliche Zuweisung des Hebesatzrechts für Realsteuern an die Gemeinden landesrechtliche Vorschriften über die Höhe der Hebesätze ausschließe. Auf die Berufung des Beklagten wies das OVG NRW nunmehr die Klage ab und ließ die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu.

Zur Begründung hat das OVG Folgendes ausgeführt:

Ermächtigungsgrundlage für die Aufsicht ist § 122 Abs. 1 Satz 2 GO NRW. Nach dieser Vorschrift kann die Aufsichtsbehörde Beschlüsse des Rates, die das geltende Recht verletzen, nach vorheriger Beanstandung durch den Bürgermeister und nochmaliger Beratung im Rat aufheben. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Gemäß § 75 Abs. 3 GO NRW a. F. muss der Haushalt in jedem Jahr ausgeglichen sein. Gegen diese Vorschrift verstößt nach Auffassung des OVG NRW die Klägerin seit Jahren. Aus der Verpflichtung zum Haushaltsausgleich ergebe sich die haushaltsrechtliche Pflicht für die Gemeinde, alles zu unternehmen, um durch Zurückführung der Ausgaben und Erhöhung der Einnahmen dieses Ziel so schnell wie möglich zu erreichen. Insbesondere aber ergebe sich daraus die Pflicht, von einnahmemindernden Maßnahmen - wie hier der Senkung der Realsteuerhebesätze - grundsätzlich abzusehen. Diese Pflicht bestehe zwar nicht einschränkungslos, sondern sei auf das Zumutbare begrenzt. Der Spielraum sei jedoch umso enger, je größer oder andauernder das Haushaltsdefizit und je unabsehbarer sein Ende ist.

In dem vorliegenden Fall habe die Klägerin bei chronisch defizitärer Haushaltslage, ohne dass ein Ende absehbar wäre, die Realsteuerhebesätze von 391 v. H. des Steuermessbetrages der Grundsteuer B und 413 v. H. des Steuermessbetrages der Gewerbesteuer auf 350 v. H. der Grundsteuer B und 400 v. H. der Gewerbesteuer gesenkt. Die alten Hebesätze lagen 2005 unter dem Landesdurchschnitt und dem Regierungsbezirksdurchschnitt. Der Kreisdurchschnitt lag bei der Grundsteuer etwas niedriger (386 Grundsteuer B), bei der Gewerbesteuer lag er in gleicher Höhe bei 413. Demgegenüber will der aufgehobene Ratsbeschluss die Grundsteuer B mit 350 v. H. auf ein Niveau senken, das im Landesdurchschnitt zuletzt 1994 erreicht wurde, und die Gewerbesteuer mit 400 auf ein Niveau, das im Landesdurchschnitt zuletzt 1992 erreicht wurde. Der von der Klägerin beschlossene Hebesatz für die Grundsteuer B wäre 2005 im Kreis der niedrigste gewesen, der Hebesatz für die Gewerbesteuer wäre zusammen mit einer weiteren Kommune im Kreis der niedrigste gewesen. Angesichts dieser Verhältnisse widersprach nach Auffassung des OVG die beschlossene Senkung der Realsteuerhebesätze dem Gebot, den Haushausausgleich zum nächstmöglichen Zeitpunkt wiederherzustellen.

Auch Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG, wonach den Gemeinden das Recht einzuräumen ist, die Hebesätze der Grundsteuer und Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen, sowie § 25 Abs. 1 GrStG und § 16 Abs. 1 GewStG, die in Umsetzung der genannten verfassungsrechtlichen Bestimmung das Hebesatzfestsetzungsrecht den Gemeinden zuweisen, stünden der angefochtenen Verfügung nicht entgegen. Hauptzweck und Kern des § 75 Abs. 3 GO NRW a. F. sind kommunalhaushaltsrechtlicher Natur. Die Vorschrift weise zwar auch Bezüge zum Realsteuerrecht insofern auf, als sie unter bestimmten Voraussetzungen ein Verbot der Senkung der Realsteuerhebesätze enthalte. Im Kern bleibe er aber haushaltsrechtlicher Natur, da er die Senkung der Hebesätze nur bei einer schweren Haushaltsnotlage verbiete.

Schließlich liege auch kein Verstoß gegen das Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG vor. Das kommunale Selbstverwaltungsrecht ist nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nur im Rahmen der Gesetze gewährleistet. Unter Anlegung dieser Maßstäbe verletze es weder den Kernbereich der Finanzhoheit noch stelle es einen unverhältnismäßigen Eingriff in sie dar, wenn das kommunale Haushaltsrecht die Gemeinden auf das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts zum nächstmöglichen Zeitpunkt festlegt und eine mit diesem Ziel unvereinbare Senkung der Hebesätze verbietet.

Az.: IV/1 904-09/1, 930-01

ICON/icon_verband ICON/icon_staedtebau ICON/icon_recht ICON/icon_finanzen ICON/icon_kultur ICON/icon_datenverarbeitung ICON/icon_gesundheit ICON/icon_verkehr ICON/icon_bau ICON/icon_umwelt icon-gemeindeverzeichnis icon-languarge icon-link-arrow icon-login icon-mail icon-plus icon-search