Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 822/2003 vom 16.10.2003

Kanalnetzübernahme erst nach Änderung des LWG NRW

Durch zahlreiche Mitgliedsstädte und –gemeinden ist die Geschäftsstelle des StGB NRW darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass zwischenzeitlich durch die sondergesetzlichen Wasserverbände verstärkt Angebote zur Übernahme der gemeindlichen Kanalnetze unterbreitet werden. Dabei geht es den sondergesetzlichen Wasserverbänden in erster Linie darum, denjenigen Städten und Gemeinden ein Angebot machen zu können, die ihr Kanalnetz nicht mehr selbst betreiben wollen und an einen Dritten abgeben möchten.
Zusammenfassend kann gegenwärtig als Empfehlung festgehalten werden:

Angesichts der zahlreichen Problempunkte, die im Zusammenhang mit der Übernahme eines gemeindlichen Kanalnetzes durch einen sondergesetzlichen Wasserverband aufgeworfen werden (vgl. hierzu auch bereits den Schnellbrief des StGB NRW vom 12.02.2002), wird den Städten und Gemeinden weiterhin empfohlen, zunächst die endgültige Abklärung durch das Innen- und Umweltministerium NRW abzuwarten und jetzt noch keine Verträge über die Übernahme von Kanalnetzen mit einem Wasserverband abzuschließen. Dieses gilt insbesondere mit Blick auf die kommunalabgabenrechtlichen Problemstände, die vom Innenministerium des Landes NRW noch nicht abschließend geprüft worden sind und Prozeßrisiken nach sich ziehen können. Im einzelnen:

1. Änderung des Landeswassergesetzes NRW

Eine Übernahme von gemeindlichen Kanalnetzen durch sondergesetzliche Wasserverbände wird nach Aussage der Umweltministeriums NRW zurzeit wasserverbands-rechtlich nicht genehmigt, bis im Landeswassergesetz NRW ( das Änderungsverfahren wird im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie im Jahr 2003 noch anlaufen) eine solche Übernahme detailliert unter dem Gesichtspunkt der Abwasserbeseitigungspflicht geregelt worden sind. Insbesondere gilt es bei der Übernahme eines Kanalnetzes Klarheit über folgende Punkte zu gewinnen:

- Zuständigkeit für die Aufstellung des Abwasserbeseitigungskonzeptes
- Zuständigkeit für die Straßenoberflächenentwässerung
- Zuständigkeit für die Entsorgung von abflusslosen Gruben und Kleinkläranlagen
mit Blick auf die Abwasserbeseitigungspflicht
- Zuständigkeit für Grundstücksanschlussleitungen, d.h. der Leitungsstrecke vom
Hauptkanal in der Straße bis zur privaten Grundstücksgrenze.

Das Innenministerium NRW hat deutlich gemacht, dass es die kommunalverfassungsrechtlichen und kommunalabgabenrechtlichen Fragen erst dann abschließend prüfen wird, wenn zuvor die abwasserrechtlichen Fragen einer abschließenden Klärung durch das Umweltministerium zugeführt worden sind. Vor diesem Hintergrund kann den Städten und Gemeinden zurzeit weiterhin nur empfohlen werden, zunächst die endgültige Abklärung durch das Innen- und Umweltministerium NRW abzuwarten und jetzt noch keine Verträge über die Übernahme von Kanalnetzen mit einem Wasserverband abzuschließen.

2. Auswirkungen auf den allgemeinen kommunalen Haushalt

Grundsätzlich gilt, dass ein Angebot zur Übernahme eines Kanalnetzes durch einen sondergesetzlichen Wasserverband nicht insoliert betrachtet werden kann. Vielmehr ist eine Prüfung geboten, ob eine Kanalnetzübernahme im Verhältnis zur Organisationsform des Regiebetriebes, der eigenbetriebsähnlichen Einrichtung und der Anstalt öffentlichen Rechts tatsächlich mittel- bis langfristige Vorteile bringen kann. Hierzu gehört auch die Prüfung, welche Auswirkungen sich mittel- bis langfristig auf den allgemeinen Haushalt ergeben.

Die Verträge der sondergesetzlichen Wasserverbände zur Übernahme gemeindlicher Kanalnetze haben sich ständig weiter entwickelt. In der Zwischenzeit steht ein „Kanalnetz-Kauf“ nicht mehr auf der Tagesordnung. Vielmehr wird das „Nutzungsrecht am Kanalnetz“ vertraglich auf den sondergesetzlichen Wasserverband übertragen und hierfür ein sog. Ausgleichsbetrag auf der Grundlage des Anschaffungsrestbuchwertes des Kanalnetzes gezahlt. Diese Ausgleichsbetrag wird dann wiederum über einen gesonderten Verbands-beitrag für die konkrete Gemeinde (sog. B-Beitrag) durch den Wasserverband refinanziert.
Sowohl bei der Übernahme der Kanalnetze durch einen Wasserverband als auch bei der Beauftragung eines Dritten als Betriebsführer (z.B. einer GmbH) entfällt grundsätzlich auf Dauer der direkte Einfluß der Stadt/Gemeinde auf die Kosten der Abwasserbeseitigung, weil die Gemeinde nur noch einen gesonderten B-Beitrag zur Refinanzierung des Ausgleichsbetrages oder bei der Beauftragung eines Dritten dessen Betriebsführungs-entgelt in Rechnung gestellt bekommt. Ebenso wie bei einem Betriebsführungsentgelt kann die Gemeinde auch den gesonderen B-Beitrag grundsätzlich nur noch 1:1 in die Gebührenkalkulation übernehmen, so dass ein jederzeitiger (unmittelbarer) Einfluss auf die Kostenstruktur außerhalb des geschlossenen Vertrages nicht mehr besteht. Hierfür sei ein Beispiel gegeben: Wenn sich die Gesamtkosten der Abwasserbeseitigung bei einer Stadt zurzeit zu 41 % auf Kosten des Wasserverbandes und zu 59 % Kosten durch den städtischen Kanalbetrieb aufteilen, so verliert die Stadt bei einer Kanalnetzübernahme den direkten Einfluss auf 59 % der Kosten der Abwasserbeseitigung.

Wird bei einer Kanalnetzübernahme durch einen Wasserverband ein sog. Ausgleichsbetrag auf der Grundlage des Anschaffungsrestbuchwertes des Kanalnetzes durch den Wasserverband angeboten, so wird dieser Ausgleichsbetrag über den gesonderten B-Beitrag durch den Wasserverband refinanziert. Bei dieser Verfahrensweise kann dem allgemeinen Haushalt zwar heute ein erheblicher Geldbetrag zufließen. Dieser Geldbetrag ist aber gewissermaßen lediglich ein „Kredit bezogen auf die Zukunft“. Denn die Gemeinde kann regelmäßig den gleichen Geldbetrag auch über die Abschreibung der Kanäle und die kalkulatorische Verzinsung Jahr für Jahr anteilig erwirtschaften. Dieses kann dazu führen, dass der allgemeine Haushalt mittel- bis langfristig erhebliche Einnahmeverluste zu verzeichnen hat, weil die Einnahmen aus der kalkulatorischen Abschreibung und Verzinsung auf Dauer wegfallen.

3. Auswirkungen auf die kommunale Bauleitplanung

Bei einer Kanalnetzübernahme durch einen sondergesetzlichen Wasserverband entsteht zwangsläufig zusätzlicher Abstimmungsbedarf im Rahmen der kommunalen Bauleit- und Entwicklungsplanung. Während eine Gemeinde, die ein eigenes Kanalnetz betreibt, im Rahmen ihrer Planungshoheit über den Neubau von Kanälen zeitlich frei entscheiden kann, ist aus Vertragsentwürfen zur Übernahme von Kanalnetzen zu übernehmen, dass der Bau von Kanälen grundsätzlich nach einem zeitlich festgelegten Bauprogramm erfolgt. Eine Abweichung von diesem Plan (z.B. wegen einer vorzeitigen Kanalisierung eines Baugebietes zur Deckung von stark angestiegenen Baugesuchen bzw. als schnelle Reaktion auf Investorenwünsche) kann in diesem Zusammenhang Problemstände aufwerfen. Es darf auch nicht verkannt werden, dass ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand durch den entsprechenden Abstimmungsbedarf hervorgerufen werden kann. Soweit sich die Gemeinden in Verträgen zur Kanalnetz-Übernahme verpflichten (sollen), beim Inhalt von Bebauungsplänen nach Möglichkeit die Vorschläge des Wasserverbands zu berücksichtigen, wird hiervon dringend abgeraten. Bei solchen Klauseln in Übernahmeverträgen ist nicht auszuschließen, dass Gerichte darin bauplanungsrechtliche Abwägungsfehler sehen könnten, mit der Folge, dass solche Bebauungspläne von den Gerichten für nichtig erklärt werden.

Az.: II/2 24-30 qu/g

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