Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 173/2002 vom 05.03.2002

Kanalnetz-Übernahme-Angebote

Zahlreiche Mitgliedskommunen haben den Städte- und Gemeindebund NRW inzwischen darüber unterrichtet, daß Abwasserverbände (z.B. der Ruhrverband) Angebote zur Übernahme der kommunalen Kanalnetze gemacht haben. Die Angebote werfen eine Vielzahl von rechtlichen Einzelfragen auf, die zunächst mit dem Umwelt-, Innen- und Finanzministerium geklärt werden sollten. Die Geschäftsstelle empfiehlt den Kommunen deshalb, die Klärung dieser Rechtsfragen durch die Geschäftsstelle abzuwarten. Beispielhaft sei nachfolgend auf einige klärungsbedürftige Rechtsfragen hingewiesen:

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1. Gesetzliche Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinden

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Nach den §§ 53ff. Landeswassergesetz NRW (LWG NRW) und dem gemeinsamen Runderlaß des Innenministeriums NRW und des Umweltministeriums NRW vom 03. Januar 1989 (MinBl. 1989, S. 83 ff) liegt die Abwasserbeseitigungspflicht auf dem Gemeindegebiet bei den Gemeinden. Eine Gemeinde kann nach § 53 Abs. 1 LWG die ihr gesetzlich auferlegte Abwasserbeseitigungspflicht nicht auf einen Dritten übertragen. Es ist zumindest rechtlich zweifelhaft, ob eine Konstruktion verwaltungsgerichtsfest ist, wonach die Pflicht zur Abwasserbeseitigung zwar bei der Gemeinde verbleibt, aber gleichzeitig parallel (nur) auf der Grundlage des Wasserverbandsgesetzes eine hoheitliche (eigene) Zuständigkeit des Abwasserverbandes für das Sammeln und Fortleiten der Abwasser (parallel) begründet sowie das Kanalnetz auf den Abwasserverband übertragen wird. Das Landeswassergesetz NRW enthält keine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wonach Abwasserverbände zusätzlich die Aufgabe des Sammelns und Fortleitens der Abwässer von den Gemeinden bzw. deren Kanalnetze übernehmen können. Vielmehr ist in § 54 Abs. 1 Landeswassergesetz NRW abschließend bestimmt, daß Abwasserverbände lediglich Abwasserbehandlungsanlagen (z.B. Kläranlagen, Regenüberlaufbecken) betreiben. Auch die Regelung in § 54 Abs. 4 Landeswassergesetz NRW bildet keine Rechtsgrundlage für die Übernahme eines Kanalnetzes von der Gemeinde durch den Abwasserverband. Zwar regelt § 54 Abs. 4 Landeswassergesetz NRW, daß Abwasserverbände anstelle Dritter zu weiteren Maßnahmen der Abwasserbeseitigung berechtigt und verpflichtet sind, soweit und solange sie diese als Verbandsunternehmen übernehmen. "Dritter" im Sinne dieser Vorschrift sind aber unstreitig nicht die Gemeinden (so ausdrücklich: Honert/Rüttgers/ Sanden, Landeswassergesetz NRW, Kommentar, 4. Auflage 1996, § 54 S. 207; Erlaß des Umweltministeriums NRW vom 17. November 1999 - Az. IV B 5-673/2-28848; IV C 2-53.45.31). Aus diesen Gründen vertritt das Umweltministerium NRW die Auffassung, daß ein Übergang der Abwasserbeseitigungspflicht durch eine Übernahme des gemeindlichen Kanalnetzes nicht möglich ist. Vielmehr bleibt die Abwasserbeseitigungspflicht bei der Gemeinde (so: Erlaß des Umweltministeriums NRW vom 17. November 1999 (Az. IV B 5-673/2-28848; IV C 2-53.45.31). Eine "Kanalnetzübernahme" ist damit im Kern nur eine Beauftragung des Abwasserverbandes als Dritten (Erfüllungsgehilfen). Die Gemeinde hat weiterhin die Abwasserbeseitigungspflicht und damit die Befugnis, eine Abwasserbeseitigungssatzung und eine Abwassergebührensatzung zu erlassen. Die Gemeinde nimmt bei der Erhebung der Abwassergebühren aber nur noch die Funktion einer kostenabwälzenden Gebühreneinzugs- und Widerspruchsstelle ein, weil sie sämtliche vom Abwasserverband (auch für den Betrieb des Kanalnetzes) in Rechnung gestellten Kosten in die Abwassergebühren einkalkuliert und abwälzt. Ein unmittelbarer Einfluß auf die Kosten besteht nicht mehr. Zu beachten ist auch noch § 90 Gemeindeordnung NRW, wonach die Gemeindevermögen, welches sie dauerhaft zur Aufgabenerfüllung (hier: die Abwasserbeseitigungspflicht) benötigt, nicht veräußern darf. Ob § 90 der Kanalnetzübernahme entgegensteht oder nicht, ist vom Innenministerium zu klären.

2. Auswirkungen auf Kanalanschlußbeiträge

Die Erhebung von Kanalanschlußbeiträgen (§ 8 KAG NRW) kann problematisch werden. § 8 KAG NRW setzt voraus, daß der Gemeinde ein eigener Aufwand durch den Bau von Kanälen entsteht. Wenn neu gebaute Kanäle nicht mehr in das Eigentum der Gemeinde übergehen, und kein Aufwand mehr entsteht, können auch keine Kanalanschlußbeiträge mehr erhoben werden. In diesem Fall ist den Urteilen des OVG NRW vom 17.09.1980 (- 2 A 1653/79 -, Gemeindehaushalt 1982, S. 69) und vom 30.05.1989 (- 2 A 2920/84, NWVBl.. 1990, S. 99 f.) Rechnung zu tragen. Schafft danach die Gemeinde die Erhebung von Beiträgen ab einem bestimmten Stichtag für die Zukunft ab, so darf dieses nicht zu einer Doppelbelastung derjenigen Grundstückseigentümer führen, die bereits einen Kanalanschlußbeitrag in der Vergangenheit gezahlt haben. Deshalb ist die Gemeinde nach dem OVG NRW verpflichtet, diese Doppelbelastung z.B. durch unterschiedlich hohe Abwassergebührensätze oder durch Rückerstattung der Kanalanschlußbeiträge zu beseitigen. Ob eine Konstruktion möglich ist, bei der weiterhin davon ausgegangen werden kann, daß bei einer Gemeinde trotz Übertragung des Kanalnetzes ein eigener Aufwand entsteht, ist zweifelhaft. Eine Klärung durch das Innenministerium ist erforderlich.

3. Kaufpreiszahlung/Darlehensübernahme

In den Kanal-Übernahme-Offerten wird angeboten, das Kanalnetz zu einem Restbuchwert zu übernehmen bzw. zugeordnete Darlehen in bezug auf Kanalnetze zu übernehmen. In beiden Fällen wird der Abwasserverband über einen sog. Verbandsbeitrag, den die Gemeinde zu zahlen hat, für die Kaufpreiszahlung oder Darlehensübernahme eine Rückfinanzierung über Verbandsbeiträge zusätzlich vorsehen. Die hierdurch offerierte Entlastung des allgemeinen Haushaltes kann von der Gemeinde auch selbst erreicht werden, indem z.B. für den Bereich der Abwasserbeseitigung eine eigenbetriebsähnliche Einrichtung gegründet wird, die als Sondervermögen der Gemeinde über eine eigene Wirtschafts- und Rechnungsführung verfügt. Diese eigene Wirtschafts- und Rechnungsführung beinhaltet, daß die Kredite im allgemeinen Haushalt im Hinblick auf die Abwasserbeseitigung der eigenbetriebsähnlichen Einrichtung zugeordnet werden und damit der allgemeine Haushalt von Kreditverpflichtungen entlastet wird. Bei der Gründung einer eigenbetriebsähnlichen Einrichtung verbleibt aber der Gemeinde die volle Einflußnahmemöglichkeit und Steuerungsmöglichkeit im Hinblick auf die Abwasserbeseitigung. Weiterhin bestehen auf der Grundlage des Gebührenrechtes feste Einnahmequellen für die Gemeinde (z.B. eine Verzinsung des Anlagekapitals nach der Rechtsprechung bis zu 8 %). Diese langfristigen und festen Einnahmequellen gehen der Gemeinde bei einer Fremderledigung der Aufgabe der Abwasserbeseitigung durch Dritte grundsätzlich verloren. Schließlich bleibt die Frage, ob bei einer Kaufpreiszahlung der gesamte Geldbetrag dem allgemeinen Haushalt zur freien Verfügung steht oder ganz oder teilweise dem Gebührenhaushalt gutzuschreiben ist. Das OVG NRW hat in seinem Urteil vom 15.12.1994 (Az: 9 A 2251/93, NWVBl. 1995, S. 175f., 176) jedenfalls entschieden, daß sog. Veräußerungsgewinne den Gebührenzahlern gutzuschreiben sind. Dabei sind unter sog. Veräußerungsgewinnen bislang solche Gewinne zu verstehen, die entstehen, wenn für vollständig abgeschriebene oder nahezu vollständig abgeschriebene, aber noch funktionstüchtige Anlagen (wie z.B. Kanäle) ein Erlös (Kaufpreis) erzielt wird. Dieser Erlös (Kaufpreis) steht dann nach dem OVG NRW den Gebührenzahlern als Ersatz für die entgangene (kostenlose) Nutzung der verkauften Anlagen (z.B. Kanäle) zu.

4. Steuerrechtliche Fragen

Außerdem ist mit dem Finanzministerium NRW die Frage einer etwaigen Steuerpflicht bei einer Kanalnetzübernahme durch einen Abwasserverband abschließend zu klären, um definitiv ausschließen zu können, daß z.B. keine Umsatzsteuerpflicht in Höhe von 16 % entsteht, mit welcher die gebührenzahlenden Benutzer zusätzlich belastet werden müßten.

Az.: II/2 24-30

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