Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 115/2002 vom 05.02.2002

Haftung für steigende Grundwasserstände

In letzter Zeit werden vermehrt von Grundstückseigentümern Ansprüche auf Schadensersatz wegen Vernässungsschäden an Kellergebäuden durch ansteigende Grundwasserstände geltend gemacht. Inzwischen läuft in NRW bereits eine weitere Amtshaftungsklage gegen eine Gemeinde, die allerdings noch nicht entschieden ist. Insgesamt liegt zu diesem Problemkreis bislang mit Ausnahme eines Urteils des Landesgerichtes Dortmund vom 16.03.2000 (Az.: 11 S 82/89) keine Rechtsprechung vor. Es ist allerdings fraglich, ob etwaige Amtshaftungsansprüche (Art. 34 Grundgesetz i.V.m. § 839 Bürgerliches Gesetzbuch) überhaupt bestehen können. Denn eine Amtspflichtverletzung könnte nur dann angenommen werden, wenn für eine Gemeinde die grundsätzliche Rechtspflicht bestehen würde, auf Gefahrensituationen im Zusammenhang mit Grundwasserständen hinzuweisen. Hierzu kann zur Zeit folgendes angemerkt werden:

In § 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 26 BauGB sind keine Festsetzungen im Bebauungsplan im Hinblick auf Grundwasserstände (Grundwasserpegelstände, Grundwasserabsenkungsmaßnahmen) vorgesehen. Denkbar wäre allenfalls eine Kennzeichnung im Bebauungsplan nach § 9 Abs. 5 BauGB. Eindeutig geklärt ist bislang lediglich, daß eine Gemeinde bei der Aufstellung eines Bauleitplans amtshaftungsrechtlich in Anspruch genommen werden kann, wenn Altlasten überplant werden (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 06.07.1989 - II ZR 251/87, Zeitschrift für Baurecht 1989, S. 122 ff.; BGH, Urt. v. 21.12.1989, NJW 1990, S. 1038 ff.). Insoweit besteht nach § 9 Abs. 5 Nr. 3 BauGB die Verpflichtung, im Bebauungsplan Flächen zu kennzeichnen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind. Eine Notwendigkeit zur Kennzeichnung von Grundwasserpegelständen könnte sich gegebenfalls aus § 9 Abs. 5 Nr. 1 BauGB ergeben. Hiernach sollen im Bebauungsplan Flächen gekennzeichnet werden, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind.

Aus der Amtshaftungs-Rechtsprechung kann zunächst entnommen werden, daß auch in bezug auf eine unterlassene Kennzeichnung nach § 9 Abs. 5 Nr. 1 BauGB eine Amtspflichtverletzung in Betracht gezogen werden kann (vgl. BGH WM 1978, S. 1252; OLG Saarbrücken, Versicherungsrecht 1988, S. 520; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 61. Auflage 2002, § 839 BGB Rz. 100, 93 , 93 a). Gleichwohl ergibt sich aus der baurechtlichen Rechtsprechung, daß die Kennzeichnung nach § 9 Abs. 5 Nr. 1 BauGB Bauwillige und Behörden lediglich darauf hinweisen soll, daß bei der Bebauung mit zusätzlichen Anforderungen oder zusätzlichen Vorkehrungen gerechnet werden muß (vgl. VGH Baden-Württemberg, DÖV 1972, S. 831 f.; OVG Koblenz, NVWZ 1986, S. 56). Eine Kennzeichnung nach § 9 Abs. 5 Nr. 1 BauGB kommt daher z.B. in Betracht bei erforderlichen Vorkehrungen gegen einen möglichen Erdrutsch, Abstützung von Grundstücken, besonderen Gründungen bzw. baulichen Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten für Flächen, die z.B. durch Überschwemmung, Lawinen oder Steinschlag gefährdet sind (vgl. Bielenberg in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Baugesetzbuch, Loseblatt-Kommentar, § 5 Rz. 59). Eine generelle Pflicht zur Kennzeichnung nach § 9 Abs. 5 Nr. 1 BauGB für Grundwasserstände kann hieraus im Zweifelsfall nicht entnommen werden, weil naturwissenschaftlich anerkannt ist, daß ein Grundwasserpegelstand für ein bestimmtes Gebiet grundsätzlich unverändert bleibt, d.h. auch wenn Maßnahmen der Grundwasserabsenkung vorgenommen werden und diese Grundwasserabsenkungen irgendwann eingestellt werden, steigt der Grundwasserpegel nur auf den Stand an, der für das betreffende Gebiet der normale Pegelstand ist. Diese Systematik findet sich auch in einem Urteil des Landgerichts Dortmund vom 16.03.2000 (Az.: 11 S 82/89) wieder. Das Landgericht Dortmund sah keine Amtspflichtverletzung der beklagten Stadt darin, daß diese die Grundstückseigentümer nicht darauf hingewiesen hatte, daß ein alter Abwasserkanal eine nicht näher bestimmte Drainagewirkung auf das Grundwasser ausgeübt haben könnte, so daß ein Anstieg des Grundwassers bei einer Kanalsanierung auf den Normalpegelstand möglich sei. Eine solcher Hinweis sei inhaltsleer, zumal er eine Gefahreinschätzung nicht ermöglicht und obliege der Gemeinde nicht im Rahmen ihrer Amtspflicht, Schäden der Grundstückseigentümer zu vermeiden.

Im übrigen ist durch den Bundesgerichtshofes bislang entschieden worden, daß eine Gemeinde Amtshaftungsansprüchen aus Art. 34. Grundgesetz, § 839 BGB unterliegt, wenn sie bei der Aufstellung eines Bebauungsplanes ihre Pflicht verletzt hat, die Anforderung an gesunde Wohn- oder Arbeitsverhältnisse zu beachten. Diese Pflicht soll verhindern, daß Gebäude errichtet werden, die wegen der von den Baugrundstücken drohenden Gesundheitsgefahren nicht bewohnbar sind (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 26.01.1989 - III ZR 194/87, NJW 1989, S. 976; BGH, Urt. v. 06.07.1989 - III ZR 251/87, NJW 1990, S. 381; BGH, Urt. v. 21.12.1989 - III ZR 118/88, NJW 1990, S. 1038). Der Bundesgerichtshof hat gleichzeitig deutlich gemacht, daß die betreffende Gemeinde mit der Ausweisung von Bauland nicht für alle Schäden haftbar gemacht werden kann. So weist der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 26.01. 1989 (III ZR 194/87, NJW 1989, S. 976, S. 979) ausdrücklich darauf hin, daß die Gemeinde mit der Ausweisung von Bauland grundsätzlich das Vertrauen erzeugt, daß der Boden nicht übermäßig mit Schadstoffen belastet ist. Sie erzeugt aber grundsätzlich nicht das Vertrauen, daß der Baugrund geologisch zur Bebauung geeignet ist. Insoweit ist das Baugenehmigungsverfahren nicht dazu bestimmt ist, dem Bauherrn die Verantwortung für eine einwandfreie Durchführung und Durchführbarkeit seines Bauvorhabens abzunehmen. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in einem Beschluß vom 09.07.1992 (III ZR 87/91, UPR 1992, S. 439 f.) nochmals bekräftigt und ausgeführt, die Pflicht der Baugenehmigungsbehörde, zu verhindern, daß Bauten errichtet würden, die in ihrer Standfestigkeit gefährdet seien, habe nicht die Schutzrichtung, den Bauherrn davor zu bewahren, durch einen statisch falsch berechneten Bau nutzlose finanzielle Aufwendungen zu machen. Das entscheidende Abgrenzungskriterium zur Amtshaftung für die Überplanung von Altlasten bestehe darin, daß es bei der Bebauung von altlastenverseuchten Grundstücken um eine Gefahr gehe, die von dem Bauherrn nicht vorhersehbar und beherrschbar sei. Die Abwehr solcher Altlastengefahren falle daher nicht in den Verantwortungsbereich des Bauherrn. In dem Fall des Bundesgerichtshofes (Beschluß vom 09.07.1992 (III ZR 87/91, UPR 1992, S. 439 f.) ging es jedoch um Risse in der Bodenplatte, durch die Methangase in das Innere des Gebäudes eindringen konnten und diese Risse in der Bodenplatte waren dadurch verursacht worden, daß die Klärschlammablagerung als Untergrund für das Bauwerk nicht hinreichend tragfähig gewesen war. Dieser Fall betrifft nach dem Bundesgerichtshof allein und gerade die Standfestigkeit des Gebäudes, für die (allein) der Bauherr verantwortlich sei.

Vor diesem Hintergrund kann eine Kennzeichnungspflicht für den Grundwasserstand nach § 9 Abs. 5 Nr. 1 BauGB grundsätzlich wohl nicht angenommen werden, zumal es dem Baustandard entspricht, Bauwerke mit Kellergeschossen unter Berücksichtigung des normalen Grundwasserpegelstandes zu planen und zu bauen. Dabei ist es bautechnisch grundsätzlich möglich ist, wasserundurchlässige Kellergeschosse zu errichten, z.B. durch Verwendung bestimmter Betonklassen B 35, B 45 oder B 25 mit Eignungsprüfung. Die "Grundwassergefahr" kann damit durch bauliche oder technische Maßnahmen beseitigt werden (vgl. Battis/ Krautzberger/Löhr, BauGB, Kommentar, 8. Auflage 2002, § 5 Rz. 37f., § 9 Rz. 112f.). Insgesamt spricht jedoch rein vorsorglich nichts dagegen in Bebauungsplänen grundsätzlich eine Kennzeichnung in bezug auf den Grundwasserstand nach § 9 Abs. 5 Nr. 1 BauGB aufzunehmen und gegebenfalls mit gemeindlichen Informationsblättern auf die Grundwasserproblematik hinzuweisen. Mit einer solchen Verfahrensweise kann den Grundstückseigentümern und Bauherrn der Hinweis gegeben werden, daß insbesondere bei Kellerbauten der natürliche Grundwasserpegel zu berücksichtigen ist. Gleichzeitig kann erreicht werden, daß Bauherrn künftig ihrerseits den Architekten, Bauunternehmer, Bauträger auf die Grundwassersituation hinweisen und Kellergeschosse errichtet werden, die dem normalen Grundwasserpegelstand Rechnung tragen.

Az.: II/2 24-30

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