Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 723/2006 vom 09.10.2006

Haftung einer Gemeinde bei Aufstellung eines Bebauungsplans

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 18.05.2006 (III ZR 396/04) entschieden, dass eine Gemeinde auch nach Abstimmung eines Vorhaben- und Erschließungsplans mit dem Vorhabenträger von der Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans Abstand nehmen kann, ohne dadurch einen Amtshaftungsanspruch des Vorhabenträgers zu begründen.

1. Sachverhalt

Kläger war der Insolvenzverwalter einer Gesellschaft, die Anfang der 90iger Jahre die Errichtung eines Einkaufszentrums im Gebiet der beklagten Gemeinde geplant hatte. Nachdem sich die Stadtverordnetenversammlung der Kommune mit großer Mehrheit für das Projekt ausgesprochen hatte, erwarb die Gesellschaft das Baugrundstück. Sie ließ einen Vorhaben- und Erschließungsplan erstellen, der mit der Kommune und dem für Raumordnung zuständigen Landesministerium abgestimmt wurde. Ein Durchführungsvertrag gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 BauGB kam nicht zustande.

Nachdem die Stadtverordnetenversammlung das Bebauungsplanverfahren eingeleitet hatte und der Entwurf öffentlich ausgelegt worden war, fand Ende 1993 eine Kommunalwahl statt. Die neu gewählten Stadtverordneten beschlossen Mitte 1994, das Projekt der Gesellschaft nicht weiter zu verfolgen. Der Insolvenzverwalter der Gesellschaft verklagte daraufhin die Gemeinde auf Ersatz der im Vertrauen auf das Zustandekommen des Plans getätigten Aufwendungen der Gesellschaft.

2. Entscheidung des BGH

Nachdem beide Vorinstanzen dem Kläger einen Schadensersatzanspruch gegen die Gemeinde dem Grunde nach zugesprochen haben, erklärt der BGH nun die Revision der Gemeinde für begründet. Ein Schadensersatzanspruch ergebe sich weder aus der Rechtsfigur der öffentlich-rechtlichen culpa in contrahendo (Verschulden bei Vertragsverhandlungen) noch aus Amtshaftung (§ 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG).

Der BGH führt zunächst aus, dass bereits vor Schaffung des neuen § 1 Abs. 3 S. 2 Halbsatz 2 BauGB, der dies ausdrücklich regelt, vertragliche Zusagen einer Gemeinde, einen inhaltlich näher bestimmten Bebauungsplan aufzustellen oder auch nur die Aufstellung in Übereinstimmung mit dem Vertragspartner zu fördern, unwirksam waren. Dieser Grundsatz sei auf den Sonderfall des vorhabenbezogenen Bebauungsplans zwar nicht uneingeschränkt übertragbar, weil § 12 Abs. 1 S. 1 BauGB die Umsetzung eines vom Vorhabenträger erarbeiteten Vorhaben- und Erschließungsplans vom Abschluss eines schriftlichen Durchführungsvertrages abhängig mache. Ein solcher Vertrag war jedoch im vorliegenden Fall nicht zustande gekommen.

Der Abstimmungs- und Kooperationsbedarf bei der Aufstellung des Vorhaben- und Erschließungsplans lasse die gemeindliche Verantwortung für die städtebauliche Planung unberührt. Da ein Anspruch weder auf Abschluss eines Durchführungsvertrages noch auf Erlass eines dem Vorhabenträger günstigen vorhabenbezogenen Bebauungsplans bestehe, könne die Gemeinde auch nach Einleitung des Bebauungsplanverfahrens in Ausübung ihrer Planungshoheit das Verfahren wieder einstellen.

Die Frage, ob die Gemeinde den Vertragsschluss grundlos verweigert hat, könne sich daher sinnvoll nicht stellen. Eine Haftung aus culpa in contrahendo komme nur unter ganz engen Voraussetzungen in Betracht, insbesondere bei einem Verhalten der Gemeinde, das nicht mehr von ihrem Planungsermessen gedeckt sei; etwa ein Verhalten, das dem Vertragspartner unrichtige, seine Vermögensdispositionen nachteilig beeinflussende Eindrücke über den Stand der Bauleitplanung vermittelt.

Daraus folge zugleich, dass auch für einen Amtshaftungsanspruch wegen Verletzung der Amtspflicht zu konsequentem Verhalten kein Raum sei. Solange sich die Gemeinde im Rahmen des ihr gesetzlich zustehenden Planungsermessens halte, könne ihr der mit der Sanktion des Schadensersatzes bewährte Vorwurf einer amtspflichtwidrigen Inkonsequenz nicht gemacht werden.

3. Anmerkung

Auch ein Durchführungsvertrag gemäß § 12 Abs. 1 BauGB begründet keinen Anspruch auf Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans. Insofern schützt das Verbot der vertraglichen Begründung eines Anspruchs auf die Aufstellung eines Bauleitplans in § 1 Abs. 3 S. 2 Halbsatz 2 BauGB die ordnungsgemäße Interessenabwägung und die planerische Gestaltungsfreiheit der Gemeinde. Daraus leitet der BGH in der vorliegenden Entscheidung ab, dass die planerische Gestaltungsfreiheit der Gemeinde auch nicht durch drohenden Schadensersatz bei Nichtaufstellung eines Bebauungsplans eingeschränkt werden darf.

Das Urteil stärkt die kommunale Planungshoheit, ist aber auch mit der Gefahr verbunden, dass potenzielle Investoren ihre Investitionssicherheit gefährdet sehen. Insofern bleibt die Möglichkeit, vertragliche Schadensersatzansprüche zu vereinbaren, von den Ausführungen des BGH zu gesetzlichen Schadensersatzansprüchen unberührt. Zur Frage, ob ein Vorhabenträger, der vor Vertragsschluss und vor Erlass der Satzung Vorarbeiten, zum Beispiel in Form von Planungsleistungen, erbracht hat, sich über eine Risikovereinbarung absichern kann, siehe Battis/Krauzberger/Löhr, BauGB, 9. Auflage, § 12 Rnd. 22. Mangels einer ausdrücklichen Vereinbarung prüft der BGH im vorliegenden Urteil auch eine konkludente vertragliche Risikoübernahme, lehnt diese aber im Ergebnis ab.



Az.: II/1 620-30

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