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StGB NRW-Mitteilung 352/2011 vom 07.07.2011

Gutachten zur Sperrklausel bei Kommunalwahlen

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Verfassungsgerichtshofs für das Land NRW lässt kommunalrechtliche Sperrklauseln nur in einem ganz eng bemessenen Spielraum zu. Die mit einer Sperrklausel verbundene Einschränkung der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der politischen Parteien bedarf zu ihrer Rechtfertigung eines besonderen, sachlich legitimierten und insofern zwingenden Grundes. Hierbei ist eine bloße Schwerfälligkeit der Meinungsbildung in den Räten nicht ausreichend. Vielmehr muss die Einschränkung der Wahlrechtsgleichheit zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Kommunalvertretung geboten sein. Denn der gesetzgeberische Entscheidungsspielraum ist besonders begrenzt, wenn die Chancengleichheit der politischen Parteien und Wählervereinigungen betroffen ist. 

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hat das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW  gutachterlich prüfen lassen, unter  welchen Voraussetzungen die Einführung einer moderaten Sperrklausel  zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Räte und Kreistage zulässig ist. Das Gutachten von Professor Dietlein, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, liegt  nunmehr vor. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die nach der Rechtsprechung der Verfassungsgerichte verbliebenen Spielräume für eine verfassungskonforme Implementierung von Sperrklauseln im Kommunalwahlrecht des Landes Nordrhein-Westfalen extrem gering ausfallen. Entsprechende Gesetzesvorhaben seien zudem mit umfassenden Darlegungs- und Begründungspflichten des Gesetzgebers verbunden, die mit Blick auf die vom Verfassungsgerichtshof NRW formulierten Detailanforderungen bereits Zweifel an der praktischen Realisierbarkeit  aufkommen lassen.  

Von einer Funktionsunfähigkeit der Selbstverwaltung sei  erst dort auszugehen, wo eine ordnungsgemäße Wahrnehmung kommunaler Zuständigkeiten nicht mehr zu erwarten sei. Selbst wenn eine  Funktionsunfähigkeit oder Funktionsstörung belegbar sei, berechtige sie  nicht ohne weiteres zum Erlass expliziter oder faktischer Sperrklauseln. So müssten entsprechende Störungen unter Umständen hingenommen werden, soweit sie nur einzelnen Gemeinden drohen und die „Kollateralschäden“ der flächendeckenden Einführung einer Sperrklausel schwerer zu gewichten seien als die Funktionsstörungen in den einzelnen Gemeinden. Des Weiteren komme die Einführung einer Sperrklausel nur dann in Betracht, wenn die betreffenden Funktionsstörungen nicht auf andere Weise, etwa durch eine weniger eingriffsintensive Nachjustierung des Kommunalorganisationsrechts oder die Einschaltung der Aufsicht, abgemildert oder gar behoben werden könne. Zu beachten sei ferner, dass die Einführung expliziter oder faktischer Sperrklauseln eine fortdauernde Prüfungspflicht des Gesetzgebers hinsichtlich ihrer aktuellen Notwendigkeit auslöse und insoweit selbst im Falle einer einmal erfolgten Implementierung mit anhaltenden Rechtsunsicherheiten behaftet bliebe. Das Gutachten ist für StGB NRW-Mitgliedskommunen im Mitgliederbereich des StGB NRW-Intranet-Angebots unter Fachinformation und Service, Fachgebiete, Recht und Verfassung, Wahlrecht abrufbar.  

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt ein von der SPD-Landtagsfraktion in Auftrag gegebenes Gutachten von Professor Bätge, Fachhochschule für öffentliche Verwaltung.  

Angesichts dieser hohen rechtlichen Hürden ist aus Sicht der Geschäftsstelle daher nicht mit der Wiedereinführung einer Sperrklausel zu rechnen.

Az.: I/2 024-12

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