Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 185/1996 vom 20.04.1996

Gutachten zur Einnahmenverteilung zwischen Bund und Ländern

Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen hat im Januar 1996 sein Gutachten zum Thema "Einnahmenverteilung zwischen Bund und Ländern - Probleme und Lösungsmöglichkeiten -" vorgelegt.

Nachfolgend geben wir die Zusammenfassung aus dem Gutachten "Einnahmenverteilung zwischen Bund und Ländern - Probleme und Lösungsmöglichkeiten -" wieder:

"Die Verteilung der öffentlichen Einnahmen auf die beiden staatlichen Ebenen, also den Bund und die Länder, zählt in der Bundesrepublik zu den großen finanzpolitischen Streitpunkten. Das ist auch aus ökonomischer Sicht bedenklich; denn die Einnahmenverteilung ist von erheblicher volkswirtschaftlicher Bedeutung. Sie beeinflußt

- die Verteilung der volkswirtschaftlichen Ressourcen zur Bewältigung einerseits von Bundes- und andererseits von Länderaufgaben,

- die Höhe der Staatsquote und damit auch den realen Verzicht der Bürger auf private Einkommensverwendung,

- das Ausmaß der öffentlichen Verschuldung und damit auch die Belastung künftiger Generationen.

Zwar enthält die deutsche Finanzverfassung mit dem Art. 106, aber auch in den Artikeln 106 a, 107, 91 a, 91 b, 104 a Abs. 3 und Abs. 4 GG, generelle Vorgaben, wie die gesamten öffentlichen Mittel auf die beiden staatlichen Ebenen zu verteilen sind und wie insbesondere zu verfahren ist, wenn zwischen den beiden Ebenen ein finanzielles Ungleichgewicht entstanden ist. In diesem Falle sind die Umsatzsteueranteile neu zu verteilen. Aber gerade diese Vorschrift ist auslegungsfähig und auslegungbedürftig und daher nicht geeignet, objektive Verteilungsmaßstäbe zu entwickeln. Es ist daher nicht verwunderlich, daß endlos gestritten wird und letztlich nur sogenannte "politische" Lösungen gefunden werden.

Dieses Dilemma ist - in jüngster Zeit - vor allem bei der Finanzierung der Wiedervereinigung sichtbar geworden. Beklagenswert ist gerade hier der häßliche Streit. Unbefriedigend ist auch das vorläufige Ergebnis: Der weitaus größte Anteil der Finanzierungslasten fiel und fällt auf den Bund. Dies hat zu den folgenden Konsequenzen geführt:

- Die nicht vereinigungsbedingten Bundesausgaben sind relativ und zum Teil sogar absolut eingeschränkt worden, während die nicht vereinigungsbedingten Länderausgaben kräftig zugenommen haben.

- Der Bund hat sich teilweise beim Bürger "refinanziert"; die Steuerquote und die Staatsquote sind stärker angestiegen, als es bei angemessener Verteilung der Finanzierungslasten hätte sein müssen.

- Die Staatsverschuldung ist über Gebühr gewachsen.

Der Beirat sieht einige Möglichkeiten für eine Verbesserung des Verteilungsverfahrens innerhalb der geltenden Verfassungsregeln. So könnte der Verteilungsstreit in mancher Beziehung entschärft werden, wenn Bund und Länder sich bei der Ermittlung ihrer Deckungsquoten auf die Einhaltung bestimmter Prinzipien verständigten. Der Beirat schlägt unter anderem vor, bei der Ermittlung der Deckungsquoten Ausgaben und Einnahmen generell nach dem Dispositionsprinzip zuzuordnen. Danach sollten die Ausgaben und die sie finanzierenden Einnahmen derjenigen Ebene zugerechnet werden, die über die tatsächliche Dispositionskraft verfügt. Wo dies nicht möglich ist, sollte nach dem Belastungsprinzip verfahren werden. Danach sind die Ausgaben und Einnahmen jener staatlichen Ebene zuzurechnen, die für die Aufbringung der entsprechenden Mittel sorgt.

Diese und andere vom Beirat vorgeschlagenen Verbesserungen können aber nicht das bei der Festlegung eines finanziellen Ungleichgewichts zentrale Problem lösen: nämlich die Kennzeichnung jener Ausgaben, die im Sinne der Verfassung als "notwendig" zu erachten sind. Aus diesem Grund befürwortet der Beirat einen weitergehenden Lösungsansatz. Die von der Verfassung vorgesehene Umsatzsteuerneuverteilung soll nur als ultima ratio für ein anders nicht überwindbares Ungleichgewicht fungieren. Ungleichgewichte unter dieser Schwelle sollten dagegen von den beteiligten Gebietskörperschaften eigenverantwortlich behoben werden.

Prinzipiell hat der Bund mit der Gesetzgebungskompetenz über die speziellen Verbrauchsteuern, deren Aufkommen ihm mit Ausnahme der Biersteuer zufließt, und über die Ergänzungsabgabe ein derartiges Instrumentarium, die Länder dagegen nicht; de facto verfügen die einzelnen Länder über keine steuerliche Gesetzgebungskompetenz. Daher schlägt der Beirat vor, über eine Änderung der Verfassung eine begrenzte Steuerautonomie der Länder einzuführen.

Eine derartige Steuerautonomie hätte nicht nur den Vorteil, den Steuerverteilungsstreit in vielen Fällen zu vermeiden. Vielmehr wäre dies auch ein wichtiger Schritt zur Stärkung der finanzpolitischen Eigenverantwortung der Gebietskörperschaften der beiden staatlichen Ebenen. Jede Gebietskörperschaft müßte vor den Bürgern begründen, wenn sie Steuern erhöht oder Steuersenkungen unterläßt. Den Bürgern bliebe das - zuletzt bei der Verabschiedung des Jahressteuergesetzes 1996 - gebotene Schauspiel erspart, daß sich Bund und Länder allein wegen der Aufteilung des Steueraufkommens gegenseitig blockieren und Sachentscheidungen auf der Strecke bleiben. Vor allem: Die Bürger wüßten besser als heute, wer wofür verantwortlich ist und wen sie wofür verantwortlich machen können."

Das Gutachten, das in der Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 56, erschienen ist, kann über den Stollfuß Verlag, Dechenstraße 7, 53115 Bonn, Telefon: 0228/72 40, bezogen werden.

Az.: V/1-900-01

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