Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 122/1996 vom 05.03.1996

Gewässer schützen - Kosten senken

Der deutsche Bundestag hat am 08. Januar 1996 mit den Stimmen der Koalitionsparteien und der SPD einen Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und FDP (Bundestags-Drucksache 13/3490) mit dem Titel " Gewässer schützen - Kosten senken!" verabschiedet und an die Ausschüsse verwiesen. Der Antrag greift einige der vom Hauptausschuß des DStGB in seiner gleichnamigen Resolution vom 4. Oktober 1995 erhobenen Forderungen auf. Nachfolgend geben wir den Antragstext vollständig wieder:

"Gewässer schützen - Kosten senken

Gesetzliche Vorschriften wie etwa die Einführung der dritten Reinigungsstufe zum Schutz der Nordsee, aber auch die Sanierung der Kanalnetze und der Aufbau einer funktionierenden Infrastruktur in den neuen Ländern erfordern hohe Investitionen. Der Gewässerschutz als eine zentrale Zukunftsaufgabe hat deshalb vor allem zwei Ziele miteinander zu verbinden:

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- die umweltrechtlichen Anforderungen zu erfüllen und gleichzeitig

- die Belastungen der Bürger und der Wirtschaft mit Gebühren in vertretbaren Grenzen zu halten.

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Dies kann nur gelingen durch ein gemeinsames Handeln aller politischen Ebenen von Bund, Ländern und Gemeinden.

Der Bundeskanzler und die Ministerpäsidenten der Länder haben im Juni 1994 den Auftrag erteilt, die Probleme der Kosten- und Gebührenentwicklung im Bereich der Abwasserbeseitigung zu untersuchen und Lösungswege aufzuzeigen.

Vor diesem Hintergrund wolle der Bundestag beschließen:

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1. Der Deutsche Bundestag sieht in der Aufrechterhaltung und Entwicklung der Infrastruktur eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland.

Bei der Verwirklichung eines effizienten Gewässerschutzes sind ökologische und ökonomische Erfordernisse miteinander in Einklang zu bringen. Kostentransparenz und sparsamer Umgang mit den knappen Ressourcen sind dabei zentrale Leitmaximen. Gerade vor dem Hintergrund großer infrastruktureller Defizite in den neuen Ländern kommt effektiven und schnell realisierbaren Maßnahmen und Konzepten besondere Priorität zu. Aber auch für die alten Länder stellt diese kommunale Aufgabe eine besondere Herausforderung dar.

Erste Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeit liegen vor und zeigen, daß auch Maßnahmen im Bereich der Technischen Regeln, des Kostenmanagments, der Gebührenrechnung, der Organisationsstrukturen, der Konzeptionen und der rechtlichen Grundlagen zu einer Senkung der Kosten und damit der Anschlußbeiträge und Gebühren beitragen können.

Die Länder sollen für die Abwasserbeseitigung neben dem Regiebetrieb auch andere Organisationsformen zulassen, die unter Berücksichtigung des Einzelfalls wirtschaftlich wie ökolgisch den größtmöglichen Effekt und für den Bürger eine weitgehende Transparenz bei den Kosten und der Gebührengestaltung garantieren. Die Chancen des Wettbewerbs um die kostengünstigste Lösung im Einzelfall sollten unter Einbeziehung privater Anbieter ausgeschöpft werden.

Bei raschem Aufbau einer effizienten Umweltinfrastruktur kommt einer umfassenden Beteiligung der Privatwirtschaft große Bedeutung zu. Das gilt in besonderem Maße für die neuen Länder. Im Unterschied zu den alten Ländern, in denen eine funktionierende Entsorgungsinfrastruktur über Jahrzehnte gewachsen ist, kommt es in den neuen Ländern darauf an, flächendeckend gleichermaßen technisch anspruchsvolle wie effiziente Entsorgungs- und Sanierungskapazitäten in kurzer Zeit zu realisieren.

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Der Deutsche Bundestag hält es für notwendig,

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- dafür Sorge zu tragen, daß sämtliche rechtlichen und technischen Bestimmungen für den Bau und den Betrieb von kommunalen Abwasseranlagen auf ihre Notwendigkeit hin überprüft und von kostentreibenden Normen befreit werden, ohne den Gewässerschutz zu beeinträchtigen;

- im Rahmen der Erarbeitung neuer Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften deren Auswirkungen auf die kommunalen Gebühren bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen,

- die kommunalen Handlungsspielräume durch Vereinfachung der Kommunalabgabegesetze zu erweitern;

- das Beratungsangebot für Kommunen im Hinblick auf eine kostenminimierende Entsorgungsplanung zu verbessern;

- den Städten und Gemeinden bei der Auswahl verschiedener technischer Lösungen weitestgehende Freiräume zu lassen.

2. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, gemeinsam mit den Ländern dafür zu sorgen, daß durch Änderung und Ergänzung der Fachgesetze, der steuer-, haushalts- und vergaberechtlichen Regelungen sowie des Gemeinde- und kommunalen Abgabenrechts sichergestellt wird, daß in Zukunft für die Abwasserentsorgung im Wettbewerb auf der Basis von Wirtschaftlichkeitsvergleichen die kostengünstigste Lösung für die Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler gefunden wird. Bestehende Hemmnisse sind möglichst rasch abzubauen, um den jeweils effektivsten Lösungen zum Durchbruch zu verhelfen.

3. Um im Wettbewerb vergleichbare Ausgangsbedingungen zu schaffen, muß eine steuerliche Gleichstellung von privaten und öffentlichen Anbietern gewährleistet werden. Dazu sollen u.a. das Körperschaftssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz sowie das Gewerbesteuergesetz geändert werden mit der Folge, daß auch öffentlich-rechtliche Einrichtungen der Abwasserentsorgung als Betriebe gewerblicher Art eingestuft werden. Die Kostenneutralität dieser Steuerrechtsänderung soll dadurch sichergestellt werden, daß die Abwasserentsorgung einem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7% wie dieser z.Z. schon für die Trinkwasserversorgung gilt, unterworfen werden. Der Vorsteuerabzug soll in voller Höhe von 15% erhalten bleiben. Gerade für die Kommunen in den neuen Ländern mit hohem Investitionsbedarf läge darin eine spürbare finanzielle Entlastung.

4. Der Deutsche Bundestag hält es für notwendig, im Rahmen der anstehenden Novellierung des WHG klarzustellen, daß den Kommunen und Zweckverbänden zur Durchführung der Abwasserentsorgung, z.B. bei der Wahl der Organisationsform, der gleiche Freiraum eingeräumt wird, wie er heute schon bei der Wasserversorgung praktiziert wird. Darüber hinaus soll ähnlich wie beim Kreislaufwirtschaftsgesetz die vollständige Übertragung der Abwasserentsorgungspflicht als hoheitliche Aufgabe der Kommunen auf Dritte ermöglicht werden (Beleihung). Die Hauptverwaltungsbeamten wären dann von der Sorge befreit, daß sie beim Umstieg auf Betreibermodelle oder Eigengesellschaften zwar Einflußmöglichkeiten verlieren, aber weiter strafrechtlich verantwortlich und zivilrechtlich haftbar bleiben.

5. Der Deutsche Bundestag hält es ebenso für wichtig, im Rahmen der anstehenden Novellierung des WHG und durch entsprechende Regelungen in den Landesgesetzen den Kommunen mehr Spielraum für dezentrale Konzepte, die oft kostensparender als zentrale Lösungen mit langen Kanalnetzen sind, einzuräumen. Dazu gehört auch die dezentrale Bewirtschaftung von Regenwasser durch direkte oder verzögerte Einleitung in die Vorfluter, mit der die Dimensionierung von Kanalnetzen und Kläranlagen verkleinert werden kann.

6. Der Deutsche Bundestag erachtet es für notwendig, technische Regelwerke, etwa der Abwassertechnischen Vereinigung (ATV) oder des DIN, zu überprüfen, um mehr Spielräume für angepaßte Lösungen zu schaffen. Durch das WHG muß sichergestellt werden, daß sie nicht - trotz ihres Empfehlungscharakters - faktisch rechtsverbindlich werden. Nur so ist mehr Flexibilität im Einzelfall zu erreichen.

7. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, über die bisherigen Ergänzungen der Vergabe- und Honorarregelungen hinaus Vorschläge zur Förderung eines wirtschaftlichen und kostensparenden Bauens zu erarbeiten.

8. Der Deutsche Bundestag hält mit Blick auf die nach wie vor kritische Gewässersituation von Nord- und Ostsee einen raschen Ausbau der kommunalen Abwasserentsorgung auf einen hohen Stand in Europa für unerläßlich. Er fordert jedoch die Bundesregierung auf, zusammen mit den anderen Mitgliedstaaten der EU und der Kommission im Rahmen der von der Kommission vorzunehmenden Bestandsaufnahme entsprechend dem Beschluß des Bundesrates vom 18.03.1994 - Drs. 953/93 - eine Zeitachse zu entwickeln, die unter Beachtung der gewässerökologischen Notwendigkeiten auf die finanziellen Möglichkeiten der Kommunen und ihrer Bürgerinnen und Bürger, insbesondere in den neuen Ländern, Rücksicht nimmt.

Die Bundesregierung sollte in diesem Zusammenhang prüfen, ob für die Einleitung von Nährstoffen nicht anstelle des 2-Stunden-Meßverfahrens der EU-Tagesmittelwert eingeführt werden soll, um auf diese Weise die Bau- und Betriebskosten der sog. 3. Reinigungsstufe zu senken.

9. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, gemeinsam mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden unverzüglich ein Aktionsprogramm "Mehr Gewässerschutz - geringere Kosten und Gebühren" zu erarbeiten, das in den Jahren 1996 bis 1998 umgesetzt werden soll.

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Das Aktionsprogamm soll folgende Ziele erreichen:

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a) Neue Modelle zur Organisation der Ver- und Entsorgung, um durch Wettbewerb und durch dem wirtschaftlichen Handeln angemessene Betriebsformen (z.B. Eigengesellschaften oder Eigenbetriebe) Kosteneinsparungen und innovative Lösungen zu erreichen.

b) Vorgaben für eine klare Kostenzurechnung und zur Offenlegung der Kosten für Bürgerinnen und Bürger und für möglichst kostengünstige und einheitliche Brechnungsweisen der kalkulatorischen Kosten (z.B. Anschaffungs- statt Wiederherstellungskosten als Grundlage für die Abschreibung, realisitische Abschreibungszinssätze, realistische Buchwerte, Ausschluß von Anliegerbeiträgen (Dritt-Kapital) aus der Abschreibung und Verzinsung).

c) Weitere Überarbeitung der technischen Regeln mit dem Ziel der Kostensenkung.

d) Novellierung bzw. Schaffung der gesetzlichen Grundlagen bei Bund und Ländern im Sinne der Verwirklichung der vereinbarten Ziele. Hierzu zählen u.a. eine Änderung des Körperschaftssteuergesetzes zur Einordnung der Abwasserentsorgung als Betriebe gewerblicher Art, des Umsatzsteuergesetzes und des Haushaltsgrundsätzegesetzes analog der BHO."

</DIR>

Az.: IV/1 24-10-1 de/sb

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